MieterEcho 332/Februar 2009: Immer im Bild
Peter Nowak
Auf den ersten Blick kann man nichts Besonderes am Eingang des Hauses Bödikerstraße 9/10 in Friedrichshain erkennen. Eine Hofeinfahrt, wie sie in Berlin zu Tausenden zu finden ist. Auch das kleine weiße Kästchen oberhalb des Eingangs weckt zunächst kaum Aufmerksamkeit. Doch die Bewohner des ersten Hinterhauses achten mittlerweile sehr darauf. Sie haben nämlich vor einigen Wochen erfahren, dass in diesem unscheinbaren Kästchen zwei Kameras installiert sind, von denen die eine Richtung Hof, die andere Richtung Straße ausgerichtet ist.
Weitere Kameras befinden sich im Hof. „Kein Mieter ist über die Installation der Kameras informiert worden“, klagt ein Bewohner des ersten Hinterhauses gegenüber dem MieterEcho. Er sieht das Anbringen der Kamera als Höhepunkt eines längeren Konflikts mit der neuen Hausbesitzerin. Die Firma Platinum Consult s.r.o, angemeldet in Bratislava und in Berlin zuvor noch nicht in Erscheinung getreten, hatte das gesamte Gelände im Mai 2007 gekauft, wurde aber erst 2008 ins Grundbuch eingetragen. Schnell gab es Konflikte mit den ca. 25 Mieter/innen des ersten Hinterhauses. Diese hatten Anfang der 90er Jahre ein Haus in der Modersohnstraße besetzt. Nach Verhandlungen mit den dortigen Eigentümern verständigte man sich auf das Ausweichprojekt in der Bödikerstraße 9/10, für das die Bewohner/innen Mietverträge besitzen. Ihre gemeinschaftliche Lebensform haben sie nach dem Umzug beibehalten. So teilen sich mehrere Mieter/innen eine Küche, und in den Räumen im Erdgeschoss finden regelmäßig Filmvorführungen statt, zu denen auch die Nachbarn eingeladen werden. Lange Zeit blieb die Bödikerstraße von größeren Umstrukturierungen verschont. Doch im letzten Jahr kamen häufiger Menschen in den Hof, „die sich für das Gelände interessierten“, berichtet eine Mieterin. Darunter waren auch die Bevollmächtigten der Platinum Consult s.r.o, die das Haus schließlich kaufte. Seitdem hat sich das Wohnumfeld für die Mieter/innen verändert. Der Garten mit den Obstbäumen musste einem betonierten Parkplatz weichen. Am 8. April 2008 wurden sämtliche Mietverträge für das erste Hinterhaus fristlos gekündigt. Die Begründungen waren allerdings nach Ansicht von Juristen derart fehlerhaft, dass die Hausbesitzer damit vor Gericht keinen Erfolg gehabt hätten. Das schienen sie schließlich selbst gemerkt zu haben – die Kündigungen wurden nicht weiter verfolgt. Dafür konzentrierten sich die Eigentümer auf die Renovierung des zweiten Hinterhauses, das leer stand. Dort wurden moderne Lofts errichtet, die schnell Käufer fanden. Zwischen den neuen Käufern und den alten Mieter/innen gibt es bisher lose Kontakte. Von den Kameras hätten auch die Bewohner/innen der Lofts nichts gewusst und sie seien darüber nicht erfreut, konnte ein Mieter des ersten Hinterhauses in Erfahrung bringen. Er hat gegen die Überwachungsgeräte eine Klage eingereicht. Darüber wird allerdings erst in den nächsten Monaten entschieden. Solange wollte der gegen die Überwachung klagende Mieter nicht warten und erwirkte über seinen Rechtsanwalt Max Althoff eine einstweilige Verfügung. Bis zur Verhandlung bleiben die Kameras außer Betrieb. Auf die juristische Klärung dürfen Berliner Mieter/innen gespannt sein.
In anderen Fällen konnten Mieter/innen die Entfernung einer im Mietshaus angebrachten Videoüberwachungsanlage gerichtlich durchsetzen. So z. B. LG Berlin, Urteil vom 23.05.2005 – 62 S 37/05 –, veröffentlicht in MieterEcho Nr. 314/Februar 2006.