MieterEcho 332/Februar 2009: Freier Blick auf das Werbebanner

MieterEcho

MieterEcho 332/Februar 2009

Quadrat BERLIN

Freier Blick auf das Werbebanner

Proteste von Mieter/innen gegen ein lichtundurchlässiges Werbebanner vor ihren Fenstern hatten Erfolg – Beschwerden gegen Beeinträchtigungen durch Werbung nehmen zu

Peter Nowak

Anfang November 2008 hatten ca. 200 Mieter/innen der Rochstraße 9 vier Tage lang den Eindruck, statt in einem Hochhaus in einer dunklen Kellerwohnung zu wohnen. Auch tagsüber musste elektrisches Licht brennen. Für diese Verdunkelung hatte ein 70 mal 90 Meter großes Werbebanner des DSL-Anbieters Vodafone gesorgt.

Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) hatte das Werbebanner nach einem Beschluss der Eigentümergemeinschaft aufhängen lassen. In der Eigentümergemeinschaft sind die Besitzer der Eigentumswohnungen vertreten, die sich durch die Werbeeinnahmen Mittel für die Sanierung des Foyers und der Balkone des Hauses versprachen. Die Wohnungen des Hauses Rochstraße 9 sind zu ca. 60% Eigentumswohnungen, die restlichen sind Mietwohnungen und werden von der WBM verwaltet.

Bei der Entscheidung über das Anbringen des Werbebanners hatten die Mieter/innen keinerlei Mitspracherecht. Schon bevor es angebracht wurde, begannen die Proteste. „Ich weiß nicht, was einige Eigentümer sich herausnehmen, um Geld zu verdienen“, wird die Mieterin Ruth Rümler in der Tageszeitung zitiert. Zunächst stieß der Protest auf taube Ohren. So erklärte die WBM-Sprecherin Steffi Pianka: „Einschränkungen entstehen bei solchen Arbeiten für den Mieter immer.“ Dass das Banner nach vier Tagen abgenommen wurde, ist aus der Sicht der WBM keine Folge des Mieterprotests. Es habe sich herausgestellt, dass das Banner vertragswidrig aus lichtundurchlässigem Material hergestellt worden sei. Deshalb sei es wieder entfernt worden. Pianka kündigte allerdings an, dass die verlorenen Einnahmen durch neue Werbebanner aus lichtdurchlässigem Material wieder ausgeglichen werden sollen. Die Mieter/innen blieben skeptisch und kündigten weitere Proteste für den Fall an, dass auch die neuen Banner Beeinträchtigungen mit sich bringen.

Der Erfolg der Mieter/innen der Rochstraße 9 wurde mit großer Beachtung aufgenommen, weil Beschwerden von Mieter/innen über die Beeinträchtigung durch Werbebanner keine Seltenheit sind und in Zukunft noch zunehmen dürften. Denn nach der Berliner Bauordnung müssen Riesenposter an Hausfassaden nicht durch die Bauaufsicht genehmigt werden (siehe auch MieterEcho Nr. 330/Oktober 2008). Der Baustadtrat des Bezirks Mitte, Ephraim Gothe (SPD), befürchtet, dass der Missbrauch solcher Fassadenwerbung zunimmt. Auch die Grünen im Abgeordnetenhaus kritisieren die zunehmende Fassadenwerbung. Während Eigentümer mit der Vermietung der Werbeflächen hohe Einnahmen erzielten, würden Wohnqualität und Stadtbild beeinträchtigt. Bisher hat die Auseinandersetzung um Fassadenwerbung kaum zu Rechtsstreitigkeiten geführt. So erklärte der häufig mit Mieterinteressen befasste Berliner Rechtsanwalt Moritz Heusinger gegenüber dem MieterEcho, dass er bisher noch mit keiner Klage wegen Störungen durch Werbung zu tun hatte.

Schlafstörungen kein Grund zur Mietminderung

Der Unmut über Beeinträchtigungen durch Werbung beschränkt sich nicht nur auf Banner, die die Sicht versperren. Auch grelle Leuchtreklamen sorgen immer wieder für Ärger bei Mieter/innen. In einem solchen Fall gab es bereits juristische Auseinandersetzungen, die zuungunsten der Mieter/innen entschieden wurden: „Anders als auf dem Land muss ein Mieter in der Großstadt damit rechnen, dass Reklameschilder vor den Fenstern errichtet werden“, begründete das Berliner Landgericht im Jahr 2004 seine Entscheidung, dass durch blinkende Werbung vor dem Fenster verursachte Schlafstörungen nicht zur Mietminderung berechtigen (AZ 64 S 353/03).

Vier Jahre später sorgte die Leuchtreklame der im September 2008 eröffneten O2-World in Friedrichshain-Kreuzberg für Auseinandersetzungen. Während die Bildzeitung schwärmte „Irre! Berlins schönste Leuchtreklame flimmert an der neuen O2-World in Friedrichshain“, klagten Anwohner/innen über Beeinträchtigungen durch die grelle Werbung.

Zu den Kritiker/innen gehören auch Besucher/innen des RAW-Tempels an der Revaler Straße. Diese hatten mit einer Aktion zumindest für einige Tage die Lacher auf ihrer Seite. Nach dem Motto „Wir werben zurück“ stellten sie eine Tafel mit der Aufschrift „H4-World – Welcome to the Hartz IV-Arena“ auf.

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