MieterEcho 332/Februar 2009: Alltägliche Diskriminierung

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MieterEcho 332/Februar 2009

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Alltägliche Diskriminierung

Bei der Wohnungssuche erleben Mieter/innen mit ausländisch klingenden Namen massive Benachteiligung

Tobias Höpner

Wer einen türkisch klingenden Namen trägt und in Berlin eine Mietwohnung sucht, muss ein hohes Maß an Benachteiligung erleiden und wird gezwungen, wesentlich schlechtere Wohnungen anzunehmen und sich in Stadtteilen mit einem niedrigeren Status niederzulassen.

Diskriminierende Praktiken bei der Wohnungsvergabe wurden durch eine Studie der Soziologin Emsal Kilic deutlich bestätigt. Für ihre Abschlussarbeit verschickte sie 400 Bewerbungen um Wohnungen in Wilmersdorf und Neukölln - pro Wohnung jeweils eine mit einem deutschen und eine mit einem türkisch klingenden Namen versehen. Alle weiteren persönlichen Angaben waren praktisch identisch und alle Bewerbungen waren in fehlerfreiem Deutsch gehalten.

Keine Chance in Wilmersdorf

Während im angesehenen Wilmersdorf die deutsche Bewerberin sechs positive Rückmeldungen bekam, gab es dort für die türkische Bewerberin ausschließlich Absagen. In Neukölln erhielt die türkische Bewerberin zwar Einladungen zu Wohnungsbesichtigungen - jedoch nur halb so viele wie die deutsche. Auch im Anschluss an die Besichtigungen wurde nach den Namen ausgesiebt. Bis auf eine völlig desolate Wohnung, die beiden Bewerberinnen zum sofortigen Bezug angeboten wurde, erhielt die türkische Bewerberin im Gegensatz zur deutschen nicht eine Rückmeldung. Selbst als die deutsche Bewerberin die angebotenen Wohnungen nicht mietete, blieb die türkische Bewerberin unberücksichtigt.

Auch wenn den Bewerberinnen stets in freundlichem Ton begegnet wurde, ließen sich Unterschiede feststellen. So berichtet Emsal Kilic, dass man sich um die türkischen Bewerberinnen deutlich weniger bemühte. Zudem wurden sie sehr viel genauer nach ihren persönlichen Verhältnissen, dem Beruf oder dem Einkommen gefragt als die deutschen Bewerberinnen.

So funktioniert Segregation

Mittels ihrer klaren Versuchsanordnung hat die Studie eindrucksvoll bewiesen, dass Migrant/innen (zumindest türkische) in "besseren" Wohngegenden wie z. B. Wilmersdorf kaum Chancen haben. Auch aufstiegsorientierte und über ein ausreichendes Einkommen verfügende deutsche Staatsbürger mit einem türkischen Namen können sich dort kaum niederlassen. Am Neuköllner Beispiel wird hingegen deutlich, wie schnell die migrantische Bevölkerung aus einem solchen Stadtteil verdrängt werden könnte, sobald sich genügend Bewerber mit deutsch klingendem Namen für die dortigen Wohnungen interessieren.

Beeindruckend an der Studie ist die Deutlichkeit, mit der die Diskriminierung festgestellt werden konnte, denn immerhin handelte es sich bei den Versuchspersonen um Bewerberinnen, die sich lediglich in ihrem Namen unterschieden. Man kann sich vorstellen, dass ein Großteil der hiesigen Bevölkerung mit Migrationshintergrund strukturell benachteiligt wird: Der Zugang zu Bildung, Arbeit und Einkommen ist sehr viel schwerer, sodass in der Regel bereits deutlich schlechtere finanzielle Grundbedingungen bei der Wohnungssuche bestehen und sich das Ausmaß der Benachteiligung vervielfacht.

Antidiskriminierungsgesetz greift ins Leere

Eigentlich sollte das 2006 erlassene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Diskriminierungen dieser Art durch die Androhung von Strafe erschweren. Doch einerseits sind die Gründe für die Vergabe einer Wohnung, mögen sie noch so diskriminierend sein, so gut wie nie beweisbar. Und andererseits hat ausgerechnet die Wohnungsindustrie sich eine Hintertür in das Gesetzeswerk einbauen lassen: "Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen (...) zulässig", heißt es dort. Ein Passus, gegen den damals Migrantenorganisationen erfolglos mobil gemacht hatten.

Ignorante Lobby der Wohnungswirtschaft

Auch angesichts der neuen Studie haben sich Vertreter der Wohnungsunternehmen wenig einsichtig gezeigt. Der Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, David Eberhart, erklärte dem Tagesspiegel: "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schließt Bevorzugungen oder Benachteiligungen aus." Was nicht sein darf, kann also nicht sein. Hiltrud Sprungala, regionale Geschäftsführerin des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, verkündete der taz, es "gehöre zum Selbstverständnis der Mitgliedsunternehmen, niemanden aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Rasse abzulehnen". Und ebenfalls gegenüber der taz kommentierte Dieter Blümmel, Sprecher von Haus & Grund, die Studie mit den Worten: "Ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen." Zu dem beachtlichen Vorstellungsvermögen kann man nur gratulieren.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz - soll Benachteiligungen aufgrund ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder der sexuellen Identität verhindern.

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