MieterEcho 332/Februar 2009: Aufwertung in Alt-Treptow

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MieterEcho 332/Februar 2009

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Aufwertung in Alt-Treptow

Baugruppen als Akteure in städtischen Verdrängungsprozessen

Anwohnerinitiative Alt-Treptow gegen Mieterhöhung, Verdrängung und Pappelabholzung

Vermieter annoncierten vor zehn Jahren eine Wohnung in Alt-Treptow, im Kiez um die Karl-Kunger-Straße, als Wohnungsangebot "in Kreuzberg". Doch die Zeiten haben sich geändert. Infolge der Ansiedlung von Mediaspree wird Alt-Treptow salonfähig, auch für zahlungskräftigere Schichten aus anderen Bezirken. Für diese Menschen ist der Kiez durch Sanierung, Privatisierung öffentlichen Eigentums und Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vorbereitet worden. Viele frühere Bewohner/innen wurden bereits verdrängt. Heutzutage finden sich sogar in der "New York Times" Inserate für Wohnungen im Kunger-Kiez, die eine "schicke Eigentumswohnung am Kanal in aufstrebendem Bezirk" anbieten.

Der Private-Equity-Fonds "Cerberus" kaufte gleich über 100 Wohnungen in Alt-Treptow und am Landwehrkanal wird kräftig gebaut. Allerdings entstehen hier nicht die dringend benötigten Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. Errichtet wird eine Stadtvilla eines bayrischen Investors für gehobene Ansprüche. Hinzu kommt, dass nicht nur die letzten Brachen zugebaut werden, sondern auch die von den Anwohner/innen genutzten Grünflächen. Die Wagenburg "Lohmühle" etwa steht auf einer solchen Grünfläche und ist durch die geplante Bebauung mit Stadtvillen bedroht. Neu im Rahmen von Verdrängungsprozessen sind Baugruppen, welche oft in Baulücken drängen, die für große Investoren unattraktiv sind. Der rot-rote Senat unterstützt Baugruppen mit einem Baulückenmanagement, das dem neuen Mittelstand bei der Suche nach Grundstücken helfen soll. Anlass genug, sich genauer mit Baugruppen auseinanderzusetzen, gerade weil ihnen ein alternativer oder gar sozialer Ruf anhaftet.

"Eigenkapital ist natürlich eine Hürde"

Im Kunger-Kiez beabsichtigen zwei Baugruppen direkt gegenüber der um ihre Existenz bangenden Wagenburg den Bau zweier Häuser. An der Ecke Lohmühlenstraße/ Karl-Kunger-Straße sollen die Projekte unter den Namen "KarLoH" und "Zwillingshaus" noch in diesem Jahr entstehen - und etliche Pappeln dafür abgeholzt werden. Solche Bauvorhaben sind natürlich nur machbar, wenn genug Geld als Eigenkapital im Spiel ist. Christian Schöningh, Architekt beider Bauvorhaben und Vorstand des "Netzwerks Berliner Baugruppen", bringt das auf den Punkt. Er antwortete auf die Frage in einem Interview der taz im Juli 2008, ob eine allein erziehende Krankenschwester auch in eine Baugruppe einsteigen könne: "Eigenkapital als Eintrittsgeld ist natürlich eine Hürde." Was soviel heißt wie: Menschen, die über kein entsprechendes Einkommen verfügen, können es sich nicht leisten, inmitten der Stadt ein Haus mit Eigentumswohnungen nach eigenem Geschmack und voll ökologisch zu bauen.

Gentrifizierung im Kunger-Kiez

Für den Kunger-Kiez bedeutet das: Die geplanten Wohnungen stehen dem Mietwohnungsmarkt nicht zur Verfügung. Stattdessen verstärkt die Baugruppe den Prozess der Gentrifizierung durch die Aufwertung des Wohnumfelds und durch ihre höhere Kaufkraft, die auch Gewerbe für gehobene Ansprüche in den Kiez ziehen wird. Wo mehr Geld ist, kann mehr ausgegeben werden - und da steigen die Preise gleich mit. Ärmere Menschen müssen früher oder später den Stadtteil verlassen, denn mit der laufenden Verdrängung im Kiez verschwinden die billigen Wohnungen.

Solidarisierung verhindern?

Nach einem öffentlichen Happening mit 30 bis 40 Anwohner/innen, die gegen das Bauvorhaben protestierten, resümierte die Baugruppe "KarLoH" in ihrer Mailingliste, dass die Gruppe, die sich gegen Mieterhöhungen und Verdrängung im Kiez gebildet hat, "klein gehalten" werden müsse. Solidarisierungen im Kiez gelte es zu verhindern, wenn schon die Aktiven nicht "isoliert" und "kalt gestellt" werden könnten. Es gehe darum, "die Pappeln schnell wegzubekommen".

Auf einer Veranstaltung im Dezember 2008 wurde die Problematik mit Repräsentanten der rot-roten Koalition diskutiert. Die Anwohner/innen artikulierten zwar deutlich ihren Unmut, wurden aber in berechtigtem Zweifel gelassen, dass er von den Politiker/innen wahrgenommen wurde. Die gesellten sich nämlich nach der Veranstaltung traulich zu den Vertreter/innen der Baugruppen und erweckten den Anschein enger Solidarität mit den Mittelschichten, denen auch sie selbst angehören.

Weitere Infos und Kontakt: Herta_Pappel@gmx.de

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