MieterEcho 331/Dezember 2008: „Schluss mit dem Raub an öffentlichen Gütern!“

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MieterEcho 331/Dezember 2008

Quadrat PRIVATISIERUNG

„Schluss mit dem Raub an öffentlichen Gütern!“

Der „2. Bundeskongress für den Erhalt öffentlichen Eigentums“ fordert das Ende der Privatisierungen

Mathias Behnis

Rund 1,8 Millionen kommunale Wohnungen wurden in den letzten sechs Jahren in Deutschland verkauft – dies war nur eine von vielen alarmierenden Bestandsaufnahmen. Der Kongress, auf dem sich rund 60 kommunale Akteur/innen und Vertreter/innen von Bürgerinitiativen trafen, wandte sich gegen bisherige und künftige Privatisierungen von Gütern und Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Teilnehmer/innen forderten in einer gemeinsam verfassten Erklärung: „Kein weiteres Profitieren von öffentlichem Vermögen durch private Unternehmen – Kein weiterer Abbau unserer Demokratie“. Weiter hieß es: „Die am Gemeinwohl orientierte Daseinsvorsorge darf nicht der Logik der Gewinnmaximierung folgen.“

Die aus rund 30 Städten des gesamten Bundesgebiets angereisten Konferenzteilnehmer trafen sich am 1. und 2. November 2008 in Braunschweig. Sie tauschten Erfahrungen über bisher erfolgte Privatisierungen in ihren Kommunen und über erfolgreiche oder gescheiterte Strategien von Bürgerinitiativen gegen geplante bzw. vollzogene Privatisierungen aus. Beispiele wurden aus den Bereichen Wohnen, Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallbeseitigung, Energieversorgung, Transport und Bildung angeführt.

Privatisierungsbilanz negativ

Die Bilanz lautete, dass bei Privatisierungen in allen Bereichen öffentliches Eigentum meist unter Wert verkauft wurde, die für die Kommunen anfallenden Kosten in der Zukunft aber meist weit höher liegen werden. Vor allem die Kritik an Public-Private-Partnerships (PPP, deutsch: ÖPP = öffentlich-private Partnerschaften), welche seit Jahren durch Gesetzesinitiativen der Bundesregierung gefördert werden, war deutlich. Neben den zusätzlichen finanziellen Belastungen und Risiken für die Kommunen wurden die Intransparenz von PPP-Projekten und insbesondere der Verlust kommunaler und demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten kritisiert: „Die Bilanz der Privatisierungen, einschließlich des Privatisierungsmodells PPP, ist erschreckend negativ: die Verträge werden verschleiert, die Gegenleistungen der Privaten sind schlecht und die zusätzliche klammheimliche Verschuldung der Bürgerinnen und Bürger und die der öffentlichen Hand durch Schattenhaushalte erhöht die Verschuldung. Das Regime der internationalen Finanzmärkte zerstört die soziale Marktwirtschaft. Es zerstört die Demokratie und damit unsere gesellschaftliche Ordnung“, heißt es in der Erklärung.

Auf dem Kongress wurden Forderungen erarbeitet, die sich deutlich gegen die Fortsetzung der derzeitigen Förderpolitik öffentlich-privater Partnerschaften wenden: „Die Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen, die der Daseinsvorsorge dienen, ist in Bund, Ländern und Gemeinden zu stoppen. Alle Gesetze, die PPP begünstigen und beschleunigen sind aufzuheben.“ Weiter heißt es: „Der Börsengang und die geplante Teilprivatisierung der Bahn ist unverzüglich einzustellen“ sowie „Organisationen, wie die von Bundesmitteln geförderte ‚Partnerschaft Deutschland’ (PDG), die der Förderung der PPP-Privatisierungen dienen, müssen aufgelöst werden“ und „Alle Verträge und Vereinbarungen zu PPP und anderen Privatisierungsformen sind Bürgerinnen und Bürgern offenzulegen und auf Verlangen zu erklären. PPP-Projekte und andere Privatisierungsformen sind durch Rechnungshöfe auf Möglichkeiten der Rückabwicklung zu prüfen.“

Trotz aller Probleme sorgten doch einige Erkenntnisse für hoffnungsvolle Stimmung unter den Kongressteilnehmer/innen. Die vorgestellten Initiativen gegen Privatisierungen aus Braunschweig, Mühlheim an der Ruhr, Bergkamen, Leipzig und vielen anderen Städten setzten wichtige Impulse für Antiprivatisierungsaktivitäten und verstärktes Bürgerengagement. Während in Bergkamen zuletzt die städtische Verwaltung die private Erbringung der Daseinsvorsorge in vielen Bereichen beendete, bremste in Mühlheim und Leipzig die Zivilgesellschaft den Privatisierungswahn mittels Bürgerentscheiden.

Finanzmarktkrise und Privatisierung

„Die Privatisierungsbefürworter sind in der Legitimationskrise. 500 Milliarden Euro aus öffentlichen Haushalten für Banken – ohne entsprechende Gegenleistung – ist ein Angriff auf unsere Gesellschaft und Demokratie“, heißt es zu Beginn der Erklärung. Reagiert die Politik augenblicklich auf die Wirtschaftskrise mit einem milliardenschweren „Rettungspaket“ aus dem Steuertopf, so wurde und wird demgegenüber seit Jahren der Verkauf öffentlichen Eigentums zur Bewältigung der Krise der kommunalen Haushalte propagiert und durchgesetzt.

Diese Logik wurde von den Kongressteilnehmer/innen entschieden abgelehnt. Sie forderten stattdessen eine Stärkung kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch eine deutlich verbesserte Finanzausstattung kommunaler Haushalte: „Wir brauchen ein Investitionsprogramm zur Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen (z. B. Schulsanierung), insbesondere zur kommunalen Sicherung und zur Rekommunalisierung der Daseinsvorsorge. Motto: Demokratie stärken und regionale Wirtschaft fördern.“

„Die Zusammenarbeit der bundesweiten Initiativen zum Erhalt öffentlichen Eigentums wird weiterhin verstärkt. Die dritte APRI-Bundeskonferenz wird im Frühjahr 2009 stattfinden“, heißt es abschließend in der Erklärung. Eine weitere Vernetzung zum Austausch von Erfahrungen und Strategien ist zweifelsfrei sinnvoll.

Weitere Infos unter:

www.kommunal-ist-optimal.de

www.unverkaeuflich.org

www.berliner-wassertisch.net

www.who-owns-the-world.org

www.attac.de

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