MieterEcho 331/Dezember 2008: Schuldenfalle für die öffentliche Hand

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MieterEcho 331/Dezember 2008

Quadrat PRIVATISIERUNG

Schuldenfalle für die öffentliche Hand

Mit der Gründung der „Partnerschaften Deutschland Gesellschaft“ ebnet die Bundesregierung den Markt für Öffentlich-Private-Partnerschaften

Christian Linde

Eine Form der Privatisierung sind Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP), auch als Public-Private-Partnerships (PPP) bezeichnet. Am 27. Oktober 2008 endete das europaweite Vergabeverfahren für den Erwerb von Anteilen an der „Partnerschaften Deutschland Gesellschaft“, einer ÖPP-Beratungsgesellschaft. Damit erfolgte ein weiterer Schritt zur Verbreitung von ÖPP. Auch die Finanzkrise und die Debatte um staatliche Investitionsprogramme könnten den Befürwortern der risikoreichen Partnerschaften nützlich sein. Zahlreiche Experten warnen indes vor PPP.

Der kontinuierliche Investitionsrückgang der Kommunen hat Spuren hinterlassen: marode Schulen und Krankenhäuser, sanierungsbedürftige Straßen, Brücken und Tunnel. Aber mit dem Hinweis auf die klammen kommunalen Kassen bleiben die nötigen Erneuerungen aus. Worauf Finanzinstitute, Beratungsunternehmen und insbesondere die Bauindustrie setzen, nämlich auf einen wachsenden Markt im Bereich Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP), ist nun ein Stück näher gerückt. Denn die Bundesregierung will die Kommunen auf ÖPP-Kurs bringen und hat zu diesem Zweck die „Partnerschaften Deutschland Gesellschaft“ (PDG) ins Leben gerufen. Die Beratungsagentur PDG soll Kommunen, Anstalten des öffentlichen Rechts, die Bundesländer sowie den Bund in ÖPP-relevanten Fragen zur Seite stehen. Aus dem laufenden Haushalt stehen dafür insgesamt 10,12 Millionen Euro zur Verfügung, daneben weitere zehn Millionen Euro aus der Privatwirtschaft.

Aufgabe der Partnerschaften Deutschland Gesellschaft

Kernaufgabe der PDG soll die Beratung der öffentlichen Hand zu ÖPP-Verfahren sein. Die Entwicklung von ÖPP-Standards und vergleichbarer Grundlagenarbeit sowie die Bestimmung neuer ÖPP-Prioritätenfelder gehören ebenfalls zu den Aufgaben. Das Konzept sieht vor, dass Einzelberatungsaufträge ohne Ausschreibung vergeben werden können. Der Bund wird 50,1% der als öffentlich-private Aktiengesellschaft gegründeten PDG halten. Die restlichen 49,9% entfallen auf die Beteiligungsgesellschaft BTGmbH. Über sie soll die Privatwirtschaft eingebunden und aus fünf Branchen rekrutiert werden: Bau, Finanzen, Informationstechnologie, Facility Management sowie private Beratungsunternehmen. Ziel des Bundesfinanzministeriums ist es, wie in Großbritannien, den ÖPP-Anteil an den Investitionen der öffentlichen Hand bundesweit auf 15% zu steigern. Derzeit liegt die Quote bei 3 bis 4%. Das Finanzministerium beziffert die „ÖPP-tauglichen Sachinvestitionen“ mit jährlich 40 Milliarden Euro. Mit weiteren rund 60 Milliarden Euro für den Betrieb ergebe dies ein Investitionsvolumen von insgesamt 100 Milliarden Euro. Derzeit sind etwa vier von fünf ÖPP-Aktivitäten in Deutschland kommunale Projekte.

Städtetag skeptisch

Der Deutsche Städtetag hat bisher zurückhaltend auf die Offerte der Bundespolitik reagiert. „Aus Sicht der Städte ist zum jetzigen Zeitpunkt ein Bedarf zur Gründung einer nationalen Gesellschaft nicht erkennbar bzw. kaum einschätzbar. Voraussetzung für eine Unterstützung des Vorhabens ist die Klärung aller noch nicht abschließend ausgeräumten – vor allem haushaltsrechtlichen – Fragen“, heißt es in einer Erklärung des Deutschen Städtetags vom April 2008. „Die Partnerschaften Deutschland wird als neutraler und hochqualifizierter Beratungsdienstleister in bisher einmaliger Weise privates und öffentliches Expertenwissen zusammenführen. Neben der Beratung und Begleitung von ÖPP-Projekten soll Partnerschaften Deutschland durch Grundlagenarbeit zum Thema ÖPP die Rahmenbedingungen und Standards für solche Projekte in Deutschland verbessern“, versucht die PDG indes, die Skepsis zu zerstreuen.

Warnung vor der Schuldenfalle

Bei ÖPP-Projekten überträgt die öffentliche Hand einem privaten Unternehmen langfristig, d. h. für einen Zeitraum von oft mehr als 25 Jahren, den Betrieb oder die Bewirtschaftung einer Immobilie oder Einrichtung. Das Unternehmen verpflichtet sich, die in dieser Zeit notwendigen Investitionen zu übernehmen und erhält dafür einen festgelegten regelmäßigen Betrag. Beispiele sind etwa das Lkw-Maut-System Toll Collect, die Bewirtschaftung von Autobahnabschnitten, der Betrieb von Gefängnissen oder die Betreuung von Schulgebäuden. Dies kann zwar zur kurzfristigen Entlastung der öffentlichen Haushalte führen, allerdings hat sich ÖPP für Kommunen in zahlreichen Fällen als finanzielles Desaster erwiesen. Experten halten das Instrument nicht nur grundsätzlich für untauglich, sondern sogar für gefährlich. Auch das Netzwerk Attac kritisiert die Pläne der Bundesregierung. Anstatt fachlicher Beratung befürchtet die Initiative mit dem Akteur „Partner Deutschland Gesellschaft“ reine Klientelpolitik. „Tatsächlich kann von neutraler Beratung keine Rede sein“, betont Werner Rügemer, Privatisierungsexperte im Wissenschaftlichen Beirat von Attac. „In der angeblich so neutralen Beratungsgesellschaft werden jene Unternehmen sitzen, die selbst das größte Eigeninteresse an den ÖPP-Projekten haben und von ihnen profitieren wollen.“

Öffentliche Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand organisieren

Unterdessen haben nach Angaben des Finanzministeriums inzwischen mehr als 40 Kommunen Anteile an der PDG gezeichnet. „Leider haben viele Politiker immer noch nicht verstanden, dass ÖPP-Projekte die öffentlichen Haushalte auf Dauer nicht entlasten, sondern im Gegenteil den nachfolgenden Generationen immense Schuldenberge hinterlassen“, kritisiert auch Rüdiger Heescher von Attac. „Langfristig zahlen die Kommunen, Länder und der Bund durch die Knebelverträge aber drauf. Die jahrzehntelangen Zahlungen an die Investoren belasten die Verwaltungshaushalte über Gebühr und führen so direkt in die Schuldenfalle.“ Wichtige Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge würden darüber hinaus mit ÖPP-Projekten jeglicher demokratischer Kontrolle entzogen und allein den Profitinteressen der privaten Investoren unterworfen. Attac forderte die Bundesregierung inzwischen auf, die Gründung der PDG auszusetzen und das für den Herbst geplante 2. ÖPP-Beschleunigungsgesetz nicht in den Bundestag einzubringen. „Notwendig ist ein Umdenken mit dem Ziel, öffentliche Daseinsvorsorge wieder in öffentlicher Hand zu organisieren.“

Finanzkrise als Türöffner für ÖPP?

Angeheizt wird die Debatte um das Für und Wider öffentlich-privater Partnerschaften und Privatisierungen derzeit zusätzlich durch die Finanzmarktkrise. Während ein klassisches Konjunkturprogramm zur Ankurbelung des Binnenmarkts weitestgehend abgelehnt wird, werden Stimmen sogar im konservativen Lager laut, die ein Investitionsprogramm zugunsten der sozialen Infrastruktur befürworten allerdings unter Beteiligung von privaten Investoren. Damit könnte die Krise des Finanzsystems am Ende sogar der Türöffner für einen Boom öffentlich-privater Projekte im staatlichen Sektor werden.

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