MieterEcho 331/Dezember 2008: Städtischen „Schockraum“ sichern?

MieterEcho

MieterEcho 331/Dezember 2008

Quadrat BERLIN

Städtischen „Schockraum“ sichern?

Michael Krüger von der Initiative Zukunft Bethanien

Das „New Yorck im Bethanien“, das seit dreieinhalb Jahren bestehende Besetzungsprojekt im ehemaligen Sozialamt am Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg, übt sich derzeit dreigleisig zu fahren: Man handelt Mietverträge aus, bereitet eine Anti-Räumungs-Kampagne vor und sammelt Spenden und Fördermitgliedschaften.

Im Bethanien-Südflügel hat sich ein Knotenpunkt verschiedener Linien einer Stadtpolitik „von unten“ entwickelt. Es geht gegen die Privatisierung des Bethaniens, gegen das Investorenprojekt Mediaspree mit der O2-Arena und gegen Mieterhöhungen und Gentrifizierung, nicht nur in Friedrichshain-Kreuzberg. Gruppen wie die Initiative Zukunft Bethanien, die Kampagne gegen Zwangsumzüge, Mediaspree versenken und die Spreepirat/innen treffen hier aufeinander.

Doch die Zukunft des „New Yorck im Bethanien“ ist unsicher. Seit Juni 2008 laufen die Verhandlungen um einen Mietvertrag mit der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE), die das Bethanien-Gebäude treuhänderisch vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg übernehmen und mit kostendeckenden Mieten betreiben soll. Die GSE hat eine Warmmiete von durchschnittlich 6,40 Euro/qm kalkuliert, für Räume ohne Fluranteile sind effektiv 9,11 Euro/qm zu zahlen. Damit sollen die Mieter/innen die seit Jahren versäumte Instandsetzung bezahlen und sogar die Grunderwerbsteuer übernehmen. Das Bethanien dürfte damit der Nutzung durch finanzstarke Projekte vorbehalten bleiben – entgegen dem Bürgerbegehren und dem Beschluss des Bezirksparlaments.

Deadline für die Verhandlungen

Sollte bis Jahresende keine Lösung gefunden sein, muss der Bezirk jährlich fast 800.000 Euro an kalkulatorischen Kosten (d. h. fiktive Kapitalverzinsung auf den Herstellungswert, siehe MieterEcho Nr. 323/ August 2007) für das Gebäude aufwenden. Das Bezirksamt arbeitet bereits Pläne für ein Scheitern der Vertragsverhandlungen aus. Die unliebsamen Bethanien-Besetzer/innen loszuwerden, dürfte eine bevorzugte Lösung sein. In Berlin wäre dies die erste Räumung eines bestehenden Projekts seit (der Räumung) der Yorckstraße 59 im Juni 2005.

Doch noch sind die Verhandlungen nicht gescheitert. Gegenwärtig wird an Mietmodellen gefeilt, die einen größeren Anteil an Eigenarbeit und die Übernahme von Verantwortlichkeiten durch die Mieter/innen beinhalten. Dies könnte auch ein Weg sein, um finanzschwächeren Projekten die Nutzung des Bethaniens zu ermöglichen.

Parallel dazu versucht „New Yorck im Bethanien“, über Fördermitgliedschaften einen festen Sockelbetrag für die Sicherung der öffentlich nutzbaren Räume als nicht-kommerziellen „antirassistischen, antisexistischen, autonomen und anarchistischen Schockraum“ zu sammeln.

Weitere Informationen zum aktuellen Stand und den Fördermitgliedschaften gibt es unter: www.newyorck.net, 030 – 61 74 01 01 (Tel./Fax) und bethanien-fuer-alle@riseup.net

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