MieterEcho 331/Dezember 2008: Geld und gute Worte

MieterEcho

MieterEcho 331/Dezember 2008

Quadrat FINANZKRISE

Geld und gute Worte

Von Bankenkrisen, Rettungspaketen, Ursachen und Verursachern

Benedict Ugarte Chacón

Ende Oktober herrschte in den parlamentarischen Hallen zu Berlin wohlinszenierte Betriebsamkeit. Es galt nichts Geringeres als „das Finanzsystem“ zu retten, und, wie Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung pathetisch vom Blatt las, „Schaden vom deutschen Volk“ abzuwenden. Weihevoller noch: Das „Rettungspaket“ für kriselnde Banken diene „dem Gemeinwohl“, sei der erste Schritt zu einer „neuen Finanzmarktverfassung“ und schaffe damit„Strukturen für eine menschliche Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert“. Dabei ließ die Kanzlerin leider die Frage offen, um welche Sorte Marktwirtschaft es sich denn bei der bislang praktizierten handelt.

Die Ursache der aktuellen Krise ist das enorme Wachstum des Finanzsektors im Vergleich zur Gesamtwirtschaft in den letzten Jahrzehnten. Dabei handelt es sich um eine internationale Entwicklung. Die überbordende Dominanz des Finanzsektors führt, kurz gesagt, dazu, dass immer mehr Kapital auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten um den Globus schwirrt. Im Zuge dessen wurden „innovative“ Anlageprodukte entwickelt, mit denen sich trefflich spekulieren ließ. Privatisierungen, Cross-Boarder-Leasing, Hedge-Fonds oder Private-Equity-Fonds sind ebenfalls Ausflüsse dieser Tendenz.

Ausgangspunkt der Krise

In den meisten Darstellungen werden die Entwicklungen auf dem US-Immobilienmarkt Anfang 2007, die einige Banken in die Bredouille brachten, als Beginn der heutigen Krise betrachtet. Zunächst wurde sie als „Subprime-Krise“ bezeichnet (siehe MieterEcho Nr. 327/April 2008). In den Monaten danach gerieten weltweit Kreditinstitute in den Strudel. In Deutschland kriselte es zunächst bei der IKB, der SachsenLB und der WestLB. Später folgte der Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate. Ein Höhepunkt der Krise war die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers, die weitere Institute wie in Deutschland die Postbank oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau tangiert, aber auch deutsche Privatanleger trifft, deren Hausbank ihr Geld bei Lehman Brothers investierte.

Konkreter Ausgangspunkt der Subprime-Krise ist eine Verbriefungstechnik, die es Banken erlaubt, ihre Kredite in „forderungsbesicherte Wertpapiere” (Asset-Backed-Securities oder kurz: ABS) umzuwandeln und diese „neu verpackten“ Kredite weiterzuverkaufen. An sich ist dies keine neue Technik, sie wurde jedoch in den letzten Jahren exzessiv betrieben. In solchen Wertpapierpaketen können sich Tausende Hypotheken- oder Konsumentenkredite, aber auch Kreditkartenforderungen mit unterschiedlichem Ausfallrisiko – also auch schlechte, d. h. „Subprime“-Kredite – befinden. Die Schuldner zahlen den Kredit nicht mehr bei der Bank ab, bei der sie den Kredit genommen haben, sondern bei den Käufern der Wertpapiere. Die Folge: Wenn Schuldner, wie seit einiger Zeit in den USA, nicht mehr in der Lage sind, ihre Kredite abzubezahlen, schlägt das auf die Wertpapiere und deren Besitzer durch. Problematisch wird das Ganze durch den Umstand, dass in besagten Kreditpaketen unterschiedliche Kredite von unterschiedlich strukturierten Schuldnern zusammengepackt und diese Pakete wiederum in einzelne, nach Ausfallrisiko abgestufte Tranchen zerlegt wurden. Diese Technik macht die Kreditpakete zu komplizierten Finanzprodukten, geregelt durch umfangreiche Verträge. Als ihr Vorteil wurde gelobt, dass Kreditrisiken global verteilt würden, sich eventuelle Ausfälle also nicht an einem Punkt konzentrierten.

Handel mit Verbriefungen politisch gewollt

Man darf unterstellen, dass mancher Banker nicht so recht Bescheid wusste, auf welches Spiel er sich einließ. Denn zunächst ging alles gut. Über außerbilanzielle Zweckgesellschaften, die vornehmlich in von Steuern und Regulierungen nicht allzu sehr betroffenen Finanzoasen errichtet wurden, spekulierten auch deutsche Banken in diesem Geschäft mit. Durch eine entsprechende Konstruktion tauchten zwar die Gewinne in den Bilanzen auf, nicht aber die Zweckgesellschaften selber. Die Banken machten auf diese Weise so lange Geld, bis schließlich viele finanziell schlecht ausgestattete Immobilienkreditnehmer in den USA die Kredite, die man ihnen jahrelang hinterhergeworfen hatte, nicht mehr tilgen konnten. Zudem sanken in den USA die Preise für Immobilien, die eigentlich die Sicherheit der Kredite bildeten. Kurzum: Die global verteilten Wertpapiere verloren massiv an Wert, ihr globaler Markt brach zusammen und die Banken, die mit ihnen spekulierten, ärgern sich nun über verhagelte Bilanzen.

Die Frage ist nun, ob diese Entwicklung aus heiterem Himmel über die deutsche Finanzbranche hereinbrach oder ob sie nicht vielmehr jahrelang auf dieses Resultat zusteuerte und staatlicherseits in ihrem Tun in Ruhe gelassen oder gar befördert wurde. Vorweg: Letzteres ist der Fall.

Versagen auf ganzer Linie

So schrieb der damalige Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium, Jörg Asmussen, in einer Stellungnahme zu „Verbriefungen aus Sicht des Finanzministeriums“ im Jahr 2006, dass es sich bei ABS-Produkten im Großen und Ganzen um eine recht gute Sache handelt. „Dabei war uns stets wichtig, dass sich auch der Markt für Asset-Backed-Securities (ABS) in Deutschland stärker als bislang entwickelt.“ Asmussen verwies auf ein Gutachten der Unternehmensberater der Boston Consulting Group von 2003, die darin „unerlässliche“ Änderungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen forderten, welche das Bundesfinanzministerium 2006 bereits folgsam umgesetzt habe. Zudem warnte er vor „unnötigen Prüf- und Dokumentationspflichten“.

Asmussen warb aber nicht nur im Namen des Finanzministeriums für eine Marktausweitung für ABS-Produkte, er war auch Mitglied im Gesellschafterbeirat der Lobbyorganisation True Sale International, die ebenfalls für die Ausweitung des ABS-Markts warb. Interessanterweise sind mit der BayernLB und der WestLB Banken als Gesellschafter an dieser Organisation beteiligt, die besonders hart von Fehlspekulationen mit ABS-Produkten getroffen wurden. Weiterhin saß Asmussen zeitweise im Aufsichtsrat der aus diesem Grund fast zusammengebrochenen IKB.

Als Vertreter des Finanzministeriums hat er auch einen Platz im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese ist gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank für die staatliche Bankenaufsicht zuständig. Die BaFin mit ihrem Chef Jochen Sanio erwies sich in den letzten Jahren als Institution, die alles Mögliche betrieb, nur eben keine ordentliche Kontrolle. Wie anders wäre es zu erklären, dass nach Medienberichten die Krise der SachsenLB hätte verhindert werden können, wenn die BaFin bei deren Geschäften mit ABS-Produkten und Zweckgesellschaften nicht nur zugeschaut, sondern frühzeitig eingegriffen hätte. Das Gleiche gilt für den Zusammenbruch der IKB.

Schon Jahre vorher trieben Sanio und die BaFin ein ähnliches Spiel. Bei der Gründung der Bankgesellschaft Berlin saßen sie mit im Boot, gegen deren hochriskantes Schneeballgeschäft mit geschlossenen Immobilienfonds – welches 2001 implodierte und im „Berliner Bankenskandal“ mündete – hatten sie nichts einzuwenden.

„Verstaatlichung“ als Scheinlösung

Dass die Bankenaufsicht nicht funktioniert, mag auch darin begründet sein, dass diverse Bankenlobbyisten ihre Schreibtische im Finanzministerium stehen hatten und an den Gesetzen zur Aufsicht mitschrieben. Eines muss dabei klar sein: Das Versagen der Bankenaufsicht ist immer auch ein Versagen des Finanzministeriums.

Doch die Verantwortlichkeit „des Staates“ bzw. staatlicher Akteure bei der Verursachung der Krise wird aus unterschiedlichen Interessen ausgeblendet. Die einen wollen im Grunde so weitermachen wie bisher und verweisen auf „anonyme Systemfehler“, die anderen reden manchmal mehr, manchmal weniger originell von einer „Verstaatlichung“ als Lösung aller Probleme und übersehen dabei die bisherige Rolle „des Staates“. Demnach ist die Frage des Eigentums an Banken in diesem Zusammenhang auch erst zweitrangig. Das heißt nicht, dass die Privatisierung von Banken in staatlichem Eigentum weiter voranzutreiben wäre, wie es unter anderem die „Wirtschaftsweisen“ fordern. Vielmehr müsste „der Staat“ sich so einbringen, dass diese Banken als gut geführte und gemeinwohlorientierte Institute funktionieren können. Doch was geschah in den letzten Jahren bei den Banken, die sich, zumindest mehrheitlich, in staatlichem Eigentum befinden? Mehrere Landesbanken spekulierten munter umher und ächzen nun unter den Folgen dieser Geschäfte. Vor der Diskussion um eine „Verstaatlichung“ muss also die Diskussion um eine vernünftige Regulierung stehen, die es Landesbanken und Privatbanken eben nicht erlaubt, hochspekulative Geschäfte stets in der Gewissheit zu betreiben, dass „der Staat“ schon noch stützend eingreifen werde, wenn mal etwas schiefgeht.

Doch solch eine Lösung auch nur anzudenken, sah sich die Bundesregierung nicht in der Lage. Nicht einmal zu einer Regelung, die es Banken, die sich staatlich retten lassen, vorschreibt, die erhaltenen Gelder eines Tages zurückzuzahlen.

Aus Fehlern lernen?

Der für das „Rettungspaket“ der Bundesregierung zuständige Staatssekretär heißt übrigens Jörg Asmussen, was Bände über die Bereitschaft der Bundesregierung spricht, „neue Strukturen“ zu schaffen. Aber um es mit der Bundeskanzlerin zu sagen: „Es hat keinen Sinn, zurückzublicken und über verpasste Chancen zu sprechen; wir alle wissen, dass schon viel zu viel Zeit ungenutzt verstrichen ist. Jetzt zählt nur noch der Blick nach vorne.“ Na dann – auf ein Neues!

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