MieterEcho 330/Oktober 2008: Warten auf Wohngeld

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MieterEcho 330/Oktober 2008

Quadrat RATGEBER WOHNEN

Warten auf Wohngeld

Nach der Wohngeld-Novellierung könnten sich Wartezeiten bis zur Bewilligung verlängern

Christian Linde

Erstmals seit 2001 passt der Gesetzgeber das Wohngeld an. Am 1. Januar 2009 tritt die Gesetzesänderung in Kraft. Der Anspruch auf Unterstützung steigt nach Schätzungen um durchschnittlich 40%. In Berlin rechnet der Senat mit einer Zunahme von 70%. Die Bearbeitungszeit der Bescheide ist von Bezirk zu Bezirk jedoch nicht nur höchst unterschiedlich, sondern mit der neuen Gesetzeslage werden sich die ohnehin langen Wartezeiten für die Antragsteller/innen weiter spürbar verlängern. Die Bezirke schlagen deshalb Alarm.

In den letzten acht Jahren sind die Mieten ohne Nebenkosten bundesweit im Durchschnitt um 6,5% gestiegen. Die Gebühren für Wasser, Abwasser und Müll haben sich in diesem Zeitraum um über 10% erhöht. Die Kosten für Strom haben sich um 23,8%, für Gas um 30,3% und für Öl sogar um 53,3% verteuert. Das geht aus dem Wohngeld- und Mietenbericht 2006 der Bundesregierung hervor. Nach langer Diskussion hat sich der Bundesgesetzgeber deshalb entschieden, das Wohngeld anzuheben (MieterEcho Nr. 328/ Juni 2008). Doch noch vor Eintritt der Erhöhung haben die Energieversorger bereits angekündigt, die Preise weiter drastisch anzuheben. Nachdem Vattenfall bereits Mitte letzten Jahres die Strompreise in Berlin um 6,5% angehoben hat, folgten zum Jahresbeginn erneute Preissteigerungen beim Wasser und Erdgas. Am 1. September hat die Gasag nun eine erneute Preissteigerung um 0,8 Cent pro Kilowattstunde vorgenommen. Damit dürfte ein Teil der Zuschüsse, von denen Bedürftige ab kommenden Jahres profitieren sollen, bereits aufgebraucht sein – vor den Preissteigerungen mussten Wohngeldbezieher durchschnittlich 31,6% ihres Nettoeinkommens allein für die Miete aufbringen. Das sind 6% mehr als ein Durchschnittsmieter ohne staatliche Unterstützung.

Anstieg in Berlin um 70%

In Berlin beziehen aktuell 23.525 Menschen Wohngeld. „Aufgrund der ab Anfang kommenden Jahres in Kraft tretenden Rechtsänderungen wird erwartet, dass die Zahl der Wohngeldempfänger um ca. 70% ansteigen wird“, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Ende 2004 betrug die Zahl der wohngeldbeziehenden Haushalte noch 263.495. Der rapide Rückgang (rund 90%) ist auf die Einführung von „Hartz IV“ im Jahr 2005 zurückzuführen. Empfänger/innen von Arbeitslosengeld haben keinen Anspruch auf Wohngeld, da im Arbeitslosengeld die Wohnkostenübernahme bereits vorgesehen ist.

Konflikt zwischen Land und Bezirken

Wer einen Antrag auf Zuschuss für die Miete stellt, muss aber mit langen Wartezeiten rechnen, ehe konkrete Hilfe tatsächlich geleistet wird. Bis zu zwölf Monate und länger befinden sich die Anträge auf den Schreibtischen der Verwaltung. „Neben Besonderheiten des Einzelfalls und damit verbundenem erhöhten Prüfaufwand bzw. der Unvollständigkeit der notwendigen Antragsunterlagen beeinflusst die Personalausstattung der Wohngeldabteilungen nicht unerheblich die Dauer der Antragsbearbeitung. Für die Organisationsabläufe innerhalb der Bezirke sind jedoch diese eigenständig verantwortlich“, so der Senat. Konkrete Zahlen, über wie viele Mitarbeiter/innen zur Antragsbearbeitung die Wohngeldstellen in den Bezirken verfügen und wie viele Anträge eine Mitarbeiter/in durchschnittlich bearbeiten muss, kann der Senat nicht nennen. Lediglich die Selbstauskünfte der Bezirke liefern hierfür Anhaltspunkte. Demnach sind knapp 111 Mitarbeiter in den zwölf Berliner Bezirken mit den Anträgen beschäftigt. Während in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg innerhalb eines Monats ein Bescheid ergeht, nimmt Steglitz-Zehlendorf die längste Bearbeitungszeit in Anspruch. Dort werden bis zu 32 Wochen gebraucht, obwohl in dem Bezirk mit 675 Anträgen die wenigsten Wohngeldanträge vorliegen. In Neukölln, das im Vergleich zu Steglitz-Zehlendorf lediglich über ein Viertel der Mitarbeiter verfügt, müssen Antragsteller rund 16 Wochen auf eine Entscheidung warten. Einfluss auf eine zügigere Behandlung der Anträge hat die Zentralverwaltung nicht. „Die Organisationsabläufe und die damit verbundene Personalausstattung der Wohngeldbereiche liegen in der Zuständigkeit der Bezirke.“ Dass die Bearbeitungszeit so unterschiedlich ausfällt, begründet der Senat wie folgt: „Die Bezirke steuern den Personaleinsatz entsprechend den von ihnen definierten Schwerpunkten im Bezirk.“

Bezirke befürchten Personalnotstand

Die Bezirke fordern Personal aus dem Stellenpool und verlangen, dass diese Hilfskräfte vom Land bezahlt werden. Eine bezirkliche Arbeitsgruppe veranschlagt den Mehraufwand auf 50 Stellen und den zusätzlichen Mehrbedarf im ersten Jahr auf 58 Stellen. Steglitz-Zehlendorf, das im Namen aller Bezirke beim Senat vorstellig geworden ist, führt die bereits jetzt existierenden langen Bearbeitungszeiten auf die Kürzungspolitik zurück. Die Senatsverwaltung für Finanzen behalte die Mittel, die den Bezirken nach der landesweit geltenden „Kostenleistungsrechnung“ für diese Aufgabe zustünden, vor. Die Finanzverwaltung hat inzwischen Zustimmung für eine kurzfristige Aufstockung der Mitarbeiter signalisiert. Deren Bezahlung müsse jedoch von den Bezirken aufgebracht werden – die ihrerseits aufgrund der Haushaltslage kontinuierlich Personalstellen abbauen.

Mieter/innen, denen aufgrund der langen Wartezeit Mietschulden drohen, haben die Möglichkeit vorzusorgen: Nach § 42 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I (SGB I) kann die Wohngeldstelle nach pflichtgemäßem Ermessen einen Vorschuss zahlen, wenn ein Wohngeldanspruch dem Grunde nach besteht, zur Feststellung seiner Höhe aber voraussichtlich noch eine längere Zeit erforderlich ist.

Vorgezogene Wohngelderhöhung

Gemäß einem Beschluss des Bundeskabinetts vom 15. Oktober 2008 (nach Redaktionsschluss) erhalten Wohngeldbeziehende zur Entlastung von den sprunghaft angestiegenen Energiekosten im Frühjahr 2009 eine Einmalzahlung. Stimmt der Bundesrat im Dezember der Verordnung zu, wird ein Betrag ausgezahlt, der je nach Haushaltsgröße zwischen 100 und 200 Euro liegt. De facto wird damit die Wohngelderhöhung, die ab 1. Januar in Kraft tritt, auf den 1. Oktober vorgezogen.

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