MieterEcho 330/Oktober 2008: Mieter-Mobilität

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MieterEcho 330/Oktober 2008

Quadrat RATGEBER WOHNEN

Entstaatlichung des Strafvollzugs

Jeder zehnte Berliner hat im vergangenen Jahr die Wohnung gewechselt

Christian Linde

Der Satz „My home ist my Castle“ verliert immer mehr an Bedeutung. Zumindest, wenn man damit die Vorstellung verbindet, dass Menschen dauerhaft an einem Ort ansässig bleiben. In Berlin sind im vergangenen Jahr von den knapp 3,4 Millionen Einwohner/innen rund 350.000 innerhalb der Stadt in eine andere Wohnung gezogen. Das ist mehr als jeder zehnte der in der Hauptstadt gemeldeten Bürger/innen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Statistischen Landesamt erstellte Untersuchung mit dem Titel „Binnenwanderung 2007“.

Einen radikalen Wechsel ihres Lebensumfelds vollzogen jedoch die wenigsten Haushalte. Demnach wechselten 206.000 Menschen innerhalb des Bezirks ihren Wohnort. Weniger als ein Drittel, nämlich rund 146.000 Menschen, wechselten in einen anderen Bezirk. Auffälligstes Ergebnis ist, dass es aus den Innenstadtbezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln mehr Fort- als Zuzüge gegeben hat. Am deutlichsten haben sich Wanderungsbewegungen aus Friedrichshain-Kreuzberg vollzogen. Dort wohnen nun 3398 weniger. Gefolgt von Mitte, dort sind es 3027 mehr Fortzügler als Neubewohner. Die häufigsten Zuzüge verzeichnete der Bezirk Steglitz-Zehlendorf mit 2167 Menschen. An zweiter Stelle steht Treptow-Köpenick mit einem Zuwachs von 1718 Bürgern. Die Attraktivität des Bezirks speist sich insbesondere durch die zahlreichen Grünflächen. Für die Ostberliner scheint Treptow-Köpenick die innerstädtische Alternative zum Wohnen in Stadtrandlage. Zu den Gewinnern des Zuzugs gehören laut Landesamt für Statistik auch die Bezirke Reinickendorf und Pankow.

Wanderung nach Nord-Neukölln

Auch im häufig als Problembezirk bezeichneten Neukölln hat sich eine spürbare Veränderung vollzogen. Der über Jahre diagnostizierte Bevölkerungsverlust ist zwar nicht gestoppt, hat sich aber erheblich verlangsamt. Während der Bezirk 2006 noch knapp 1200 Menschen verloren hat, waren es 2007 nur noch 167 Haushalte. Allerdings ist dieser Rückgang in erster Linie auf gestiegene Zuzüge aus den Nachbarbezirken zurückzuführen, vor allem aus Friedrichshain-Kreuzberg nach Nord-Neukölln. Insgesamt 3847 Menschen haben sich im vergangenen Jahr in dem Stadtteil angesiedelt. Die Hauptursache hierfür sieht das Finanz-, Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen Jones Lang LaSalle in der Mietpreisentwicklung. „Wenn die Mieten steigen, ziehen die Menschen dorthin, wo es günstig ist“, zitiert die Berliner Zeitung das Unternehmen. Viele der sogenannten jungen Kreativen, die in den letzten Jahren zugezogen sind, könnten sich die Mieten in Prenzlauer Berg, Friedrichshain oder Kreuzberg nicht mehr leisten. Auch im Bezirksamt bewertet man die Magnetwirkung Neuköllns nicht uneingeschränkt positiv. Eine Entwicklung wie in den 80er Jahren, als der Bezirk mit einem erheblichen Zuzug einkommensschwacher Haushalte aus Kreuzberg konfrontiert war, würde die Wohnquartiere zusätzlich belasten. Auswirkungen auf die Mietpreise dürfte die Mobilität bei Neuvermietung ohnehin bereits haben.

„Renaissance der Innenstädte“ in Untersuchung nicht sichtbar

Von der vielbeschworenen „Renaissance der Innenstädte“ kann jedoch aufgrund der Wanderungsbewegungen nicht die Rede sein. Bereits zwischen 1994 und 2004 hatte Berlin 197.000 Menschen an das Umland verloren. Das darauf folgende verzeichnete Bevölkerungswachstum resultiert nach einer kürzlich vom Potsdamer Institut für Soziale Stadtentwicklung (IfSS) vorgelegten Studie ausschließlich durch Zuwanderung. Allein zwischen 2004 und 2006 haben sich demzufolge in Berlin 62.500 Menschen aus dem Ausland und 22.500 Personen aus den übrigen Bundesländern an der Spree angesiedelt.

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