MieterEcho 330/Oktober 2008: Luftschlösser am Gasometer

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MieterEcho 330/Oktober 2008

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Luftschlösser am Gasometer

Das ehemalige Gasag-Areal in Schöneberg soll zum „Energieforum“ entwickelt werden

Benedict Ugarte Chacón

Das Areal um den Gasometer in Schöneberg ist rund 40.000 qm groß. Lange lag es brach, immer wieder gab es Versuche einer Neugestaltung. Doch alle Pläne verliefen im Sande.

Als 2007 die Firma DenkmalPlus das Areal erwarb, kam Bewegung in die Sache. Die DenkmalPlus gehört zum Firmengeflecht des Berliner Architektur-Unternehmers Reinhard Müller. Dessen Firma Rem+tec ist nun mit der Entwicklung beauftragt. Auftraggeberin der Rem+tec ist die Firma EUREF. Im Vorstand der EUREF sitzen wiederum Müller sowie der Berliner Baulöwe Klaus Groth. Dieser galt einst als einer der größten Akteure im „Berliner Sumpf“. Müller selbst gehört zu den dicken Fischen in der Berliner Projektentwicklerszene. So ist er auch bei „Mediaspree“ mit mehreren Bauten beteiligt. Außerdem ist er Gründer und Vorstandsmitglied der schlagzeilenträchtigen Stiftung Denkmalschutz Berlin. Im Vorstand sitzen auch der ausrangierte Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) und der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann (SPD).

120.000 qm Nutzfläche geplant

Auf dem Gasometer-Areal will die EUREF bis 2013 ein „Europäisches Forum für Energie“ entstehen lassen. Das 500 Millionen Euro teure Projekt soll mit 120.000 qm Nutzfläche in mehreren neuen und denkmalgeschützten Gebäuden Gestalt annehmen. Cafés, Hotels und „Gewerbeflächen mit hohem Imagewert“ neben Unternehmensrepräsentanzen und einer Privatuniversität sollen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft vernetzen. Angeblich sollen 6000 Arbeitsplätze entstehen. „Markenzeichen“ des Areals soll der Gasometer bleiben, in den ein mehrstöckiger Glaszylinder eingebaut werden soll.

Ob es wirklich zur Umsetzung der großen Pläne kommen wird, ist unklar. Die geplante Höhe der Neubauten stellt dem Landesdenkmalamt zufolge eine „unerträgliche Beeinträchtigung für die historische Stadttopographie“ dar. Die Höhe soll nun von 65 auf 45 m gesenkt werden. Auch andere Einwände wurden ins Bebauungsplanverfahren eingebracht. Anwohner/innen befürchten eine zunehmende Verkehrsbelastung, denn immerhin sollen auf dem Gelände bis zu 2000 Parkplätze entstehen. Manche sehen die „Verdrängung großer Teile der Bevölkerung“ kommen, da eine Aufwertung der Gebiete um das Areal zu Mietsteigerungen führen würde. Andere befürchten eine „Verschlechterung der Wohnqualität“ im Kiez, die solvente Mieter zum Wegzug bewegen könnte. Besitzer von Eigentumswohnungen sehen die Gefahr, dass ihre Wohnungen durch Verschattung an Wert verlieren. Viele dieser Bedenken werden von der „Bürgerinitiative Gasometer Schöneberg“ formuliert.

Die maßgeblich von der Zeit-Stiftung konzipierte Privatuniversität soll „Global Energy Institute“ heißen und von einer privaten Stiftung sowie von Automobil- und Energiekonzernen getragen werden. Bislang handelt es sich bei dem Projekt wohl noch um einen Papiertiger. So antwortete der Senat auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Claudia Hämmerling, dass es lediglich „unverbindliche Gespräche“ über die Einrichtung dieser Universität gegeben habe. Es lägen „keine Unterlagen, die eine zuverlässige Einschätzung erlauben würden“, vor. Die für den Universitätsbetrieb notwendige staatliche Anerkennung sei nicht vorhanden und Stiftungsgelder müssten erst noch gesammelt werden. Ob die Universität tatsächlich einmal auf dem Gasometer-Areal entstehen wird, ist ohnehin fraglich. Laut Medienberichten sehen sich die Betreiber aus Kostengründen bereits nach anderen Standorten um.

Großprojekt realistisch?

Die gesamte Planung scheint überdimensioniert und allzu ehrgeizig. Einige Vorhaben werden entweder nicht wie geplant oder gar nicht umgesetzt werden. Dieser Vorgang ist typisch für Großprojekte, die von altgedienten (West-)Berliner Bauunternehmern erdacht werden. Mit Blick auf andere Berliner Großprojekte bleibt abzuwarten, ob das Areal tatsächlich wie von Müller versprochen gänzlich ohne öffentliche Mittel entwickelt werden kann – oder ob sich Berlin irgendwann mit der einen oder anderen Bauruine zu befassen hat.

Schöneberger Gasometer

Der Gasometer Schöneberg wurde durch die Berlin-Anhaltischen Maschinenbau AG (BAMAG) nach einem Entwurf des Berliner Architekten Alfred Messel zwischen 1908 und 1910 montiert und war damals einer der drei größten Gasbehälter Europas. Der Gasbehälter konnte maximal 160.000 cbm Gas speichern, das für private Haushalte und für die Beleuchtung der Straßen genutzt wurde. Die Gasag beschreibt seine Funktionsweise wie folgt: „Das Gas drang durch ein Rohr von unten in den Gasbehälter ein und drückte, da es leichter ist als Luft, die nach dem Teleskop-Prinzip ausfahrbaren, mit einem Deckel versehenen Stahlwände nach oben.“ Mit der berlinweiten Umstellung von Stadt- auf Erdgas wurde der Gasbehälter im Januar 1995 endgültig außer Betrieb genommen. Der Zylinder wurde demontiert, das äußere Gerüst ist noch erhalten.

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