MieterEcho 329/August 2008: Investoren zieht es in den Knast

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MieterEcho 329/August 2008

Quadrat BERLIN

Investoren zieht es in den Knast

„BerlinCampus“ am Rummelsburger Ufer lädt zum Vergessen ein

Jutta Blume

Luxuswohnen, wo einst Zwangsarbeiter interniert wurden, von wo als „asozial“ Stigmatisierte von den Nazis in Konzentrationslager deportiert wurden und wo die DDR-Staatsmacht unerwünschte Personen einsperrte. So wie die Geschichte des Ortes „vergessen“ werden soll, soll man sich auch nicht an die Geschichte der Investoren erinnern. Denn diese wurden durch ein rabiates Vorgehen gegenüber Altmieter/innen in verschiedenen Häusern in Prenzlauer Berg bekannt.

Die Rummelsburger Bucht ist eines von fünf Entwicklungsgebieten, die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Anfang der 90er Jahre ausgewiesen hat. Zunächst verlief die Entwicklung schleppend, die Nachfrage nach Wohnungen und Büroflächen entwickelte sich in Berlin nach der Wende längst nicht so wie prognostiziert. Doch mittlerweile ist Wohnen an der Spree schick geworden, Investoren verweisen gern auf die Nähe zu „Mediaspree“, wo Aufwertung durch die Ansiedlung „Kreativer“ Programm ist. Die Entwicklungsgesellschaft Wasserstadt GmbH hat derweil ihre Pflicht erfüllt – nur wenige Grundstücke konnten noch nicht verkauft werden. Die Verwaltungsgebäude des ehemaligen Arbeitshauses Rummelsburg an der Hauptstraße sind noch im Landesbesitz und werden bald an den Liegenschaftsfonds zurückfallen. Die neuen Wohngebiete an der Spree grenzen im Osten an den Gewerbepark Klingenberg, einst Produktionsstandort der IG Farben, sowie an das alte Kraftwerk Klingenberg.

Neue Eigentumswohnungen im früheren Knast

Ein Banner mit dem Wort „Ausverkauft“ ziert die Internetseite von „BerlinCampus“. Sechs der ehemaligen Arbeitshäuser und späteren Gefängnisgebäude hat die Firma Maruhn Immobilien GmbH in ihren Grundrissen komplett verändert und zu Wohnungen mit 45 bis 125 qm umgewandelt. Maruhn Immobilien ist der größte Investor, der sich seit 2006 auf dem noch von der Wasserstadt GmbH als „BerlinCampus“ benannten Areal angesiedelt hat. Gut 100.000 Euro war das Mindeste, was bei Maruhn Immobilien bzw. ihrer Vermarktungsgesellschaft Profi Partner AG für eine Eigentumswohnung gezahlt werden musste. Profi Partner verkauft nicht nur, sondern organisiert den neuen Eigentümern auch die zukünftigen Mieter. Sie garantiert den Anlegern dabei Mindestmieten von 6,95 Euro/qm, was bedeutet, dass die tatsächlichen Mieten sich darüber bewegen werden, denn in der Mindestmiete sind Ausfälle durch Leerstand einkalkuliert.

Wer hier einzieht, weiß zumindest, dass er sich für das Leben in einem ehemaligen Knast entschieden hat. Inwieweit die zukünftigen Bewohner/innen jedoch tiefgreifend über die Geschichte informiert sind, ist fraglich. Im Prospekt heißt es: „BerlinCampus als einzigartiges Baudenkmal repräsentiert traditionelle preußische Backsteinarchitektur, erbaut in den Jahren 1877 bis 1879 von Baumeister Hermann Blankenstein.“ Der ehemalige Zweck des Gebäudes wird nicht erklärt: In der Weimarer Zeit war das „Städtische Arbeitshaus Rummelsburg“ eine Besserungs- und Erziehungsanstalt. Der Druck auf Obdachlose und als „Asoziale“ oder „psychisch abwegig“ Stigmatisierte wuchs nach der Machtübernahme der Nazis. Schon 1938 wurden von hier aus Menschen, die nicht für den Arbeitseinsatz gebraucht wurden, in Konzentrationslager, vor allem nach Sachsenhausen, deportiert. „Die Namen und Schicksale sind heute weitgehend unbekannt und vergessen“, sagte die Kulturstadträtin von Lichtenberg, Katrin Framke, auf einer Gedenkveranstaltung im Juni. Der Standort Rummelsburg war dabei ein Schauplatz sowohl der Deportation als auch der Verwertung von Menschen. Das benachbarte Aceta-Werk der IG Farben beschäftigte Zwangsarbeiter/innen und ab 1943 wurden jüdische Zwangsarbeiter/innen von dort nach Auschwitz deportiert.

„Vergessene“ NS-Geschichte

An all dies erinnert wenig und auf dem Gelände von „BerlinCampus“ gar nichts. Der Bezirk möchte dort gern eine Gedenktafel anbringen, über die genaue Form und den Standort wird aber noch diskutiert. Die Anregung des Arbeitskreises Marginalisierte, eines der noch leer stehenden Verwaltungsgebäude u. a. als Museum zu nutzen, dürfte wenig Chancen haben. „Der Verkauf der Gebäude liegt nicht mehr in der Hand des Bezirks“, so Thomas Thiele vom Bezirksamt Lichtenberg. Im Museum Lichtenberg sei aber durchaus Raum für Ausstellungen, die die NS-Geschichte in Rummelsburg thematisieren.

Werbewirksam ist die Vergangenheit des Orts nicht gerade. Daher prognostiziert die Firma Profi Partner lieber ein „gigantisches Zukunftspotenzial und hohe Lebensqualität“ und wirbt mit dem „trendigen Treiben im jungen Friedrichshain“.

Den Firmen Maruhn Immobilien und Profi Partner gereicht zum Standortvorteil, dass es im Gefängnis keine missliebigen Altmieter/innen gibt. Die Profi Partner AG vertreibt hauptsächlich modernisierte Eigentumswohnungen im Bezirk Prenzlauer Berg. Altmieter/innen wurden dabei des öfteren mit fragwürdigen Methoden zum vorzeitigen Auszug gedrängt (MieterEcho berichtete). Die Mieter/innen in der Göhrener Straße 1/Senefelder Straße 30 wollten sich jedoch nicht einfach unter Druck setzen lassen. Sie beschlossen vielmehr, zunächst Informationen über die Methoden der Firma Profi Partner zu sammeln, um zu wissen, auf was sie sich einstellen müssen. Rückmeldung erhielten sie sowohl von Mieter/innen als auch von Eigentümer/innen und so konnten Beschwerden über Baumängel, wie etwa durch Konstruktionsfehler an Balkonen verursachten Schimmel oder auch Risse in den Wänden, gesammelt werden. Bekannt wurde auch ein Fall, bei dem einem Käufer die Existenz eines Altmietvertrags für die Wohnung verschwiegen wurde. Problematisch sei in solchen Fällen die Hausverwaltung ProImmobilia, die eher im Interesse der Profi Partner als der Einzeleigentümer/innen handle. Der Wohnungskauf bei Profi Partner sei oftmals verbunden mit einem mehrjährigen Vertrag mit der Hausverwaltung. Diese bemühe sich dann, Regressforderungen an den Verkäufer zu verschleppen. Im Fall von „BerlinCampus“ ist im Kaufvertrag ein Vertrag mit der Hausverwaltung Martina Maruhn inbegriffen. Eine ähnliche Kooperation gab es in der Dresdener Postsiedlung, wo ebenfalls Maruhn Immobilien der Bauträger war. Hierzu hieß es im Prospekt: „Die für die Verwaltung der Objekte vorgesehene Hausverwaltung Martina Maruhn ist mit der Verkäuferin wirtschaftlich und personell verflochten, wodurch einerseits eine reibungslose Zusammenarbeit und Kommunikation möglich ist, andererseits jedoch auch Interessenkollisionen nicht ausgeschlossen werden können.“ Personelle Verflechtungen kennzeichnen die Firmenkooperation zwischen Profi Partner AG, Maruhn Immobilien GmbH und Grundstein Bauträgergesellschaft. Geschäftsführer der Profi Partner AG sind Dirk Germandi und Martin Rasch. Detlef Maruhn, Geschäftsführer der Maruhn Immobilien Gmbh, sitzt im Aufsichtsrat. Dirk Germandi ist außerdem Geschäftsführer der Grundstein Bauträgergesellschaft, die ebenfalls an „BerlinCampus“ beteiligt ist. Gemeinschaftliche Projekte gab es schon viele, vor allem im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, aber auch in Dresden. Spezialität sind denkmalgeschützte Immobilien, bevorzugt in Sanierungsgebieten. Die Wohnungskäufer werden über die erhöhte Steuerabschreibung für denkmalgeschützte Immobilien angelockt.

Projektentwickler Profi Partner

„Alle Partner eint eine gemeinsame Geschäftsethik, deren Ziel es ist, höchste Qualität, Vertrauenswürdigkeit und Kundenzufriedenheit zu erreichen“, heißt es im Prospekt zu „BerlinCampus“. Einige Altmieter/innen ha-ben bereits recht fragwürdige Erfahrungen mit der Geschäftsethik der Firma Profi Partner gemacht. Sie berichten von einer Mischung aus Drohungen und Geldangeboten, damit sie rechtzeitig die Wohnungen räumen. Abgesehen davon, dass ProImmobilia seit einigen Monaten die Gebäudereinigung und Hausmeisterpflichten vernachlässigt, ist es in der Göhrener Straße 1/Senefelder Straße 30 zunächst wieder ruhig geworden. Das Mieterkollektiv ist jedoch für neue Konfrontationen gewappnet.

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