MieterEcho 329/August 2008: Ein Badestrand von Spandau bis Köpenick

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MieterEcho 329/August 2008

Quadrat BERLIN

Ein Badestrand von Spandau bis Köpenick

Kann man ab 2011 wieder in der Spree schwimmen? Im Herbst startet am Osthafen eine Pilotanlage zur Abwasser-Reinigung der Berliner Kanalisation

Christoph Villinger

So könnte es im Jahr 2011 in Berlin aussehen: Von Spandau bis Köpenick zieht sich ein breiter grüner Uferstreifen durch die Stadt, bestehend aus Parks, Gartenanlagen mit bunten Blumen, Cafés und Bars, Spielplätzen und kleinen Theaterrondellen. Kein weiterer Büropalast drängt sich ans Ufer, sondern einzelne Strände öffnen den Blick aufs Wasser. Menschen sonnen sich auf den Liegewiesen, gehen auf künstlichen Inseln spazieren und baden in der Spree. Die gefühlte Ost-West-Achse Berlins hat sich von der Frankfurter Allee und der Straße des 17. Juni zurück zu den Ufern der Spree verschoben. Warum sollte in Berlin nicht möglich sein, was in München normal ist?

Angefangen hatte alles im Jahr 2001, als die beiden Landschaftsarchitekten Cathrin Berger und Ralf Steeg zum ersten Mal ihren Lösungsvorschlag für das Hauptverschmutzungsproblem der Spree in Berlin – die Einleitung von ungeklärten Abwässern bei starkem Regen – vorstellten. Etliche Jahre später sind viele Details ausreichend erforscht und genügend Unterstützer wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Berliner Wasserbetriebe gefunden. Mit der LURI.watersystems.GmbH ist auch eine eigene Firma gegründet.

Problem Mischkanalisation

„Inzwischen ist das Wasser der Spree bis zur Elsenbrücke durch den starken Rückgang der Industrie im Osten schon wieder relativ sauber“, berichtet Sally Below, Sprecherin des Projekts. Doch ab dieser Stelle führen die Überlaufrohre der Berliner Kanalisation direkt in die Spree. An diese Abwasserrohre sollen nun riesige, im Wasser fest verankerte Auffangbehälter angeschlossen werden, um das überschüssige Regenwasser ein bis zwei Tage zwischenzulagern. Dies wäre zurzeit an etwa zehn bis 30 Tagen pro Jahr notwendig. Danach kann das Wasser entweder in die Kanalisation zurückgepumpt und im Klärwerk oder direkt vor Ort in den Modulen gereinigt werden. Beide Varianten werden in der Pilotanlage getestet.

„Diese Testanlage bauen wir ab Herbst diesen Jahres in der Nähe des Osthafens auf“, sagt Sally Below. Im Frühjahr 2009 soll sie dann für zunächst zwei Jahre in Betrieb genommen werden. Dabei gehe es nicht mehr um die Frage, ob die Anlage funktioniere, denn das sei der Fall, sondern nur noch darum, sie „kostengünstiger und effektiver zu gestalten“. Sollten sich die Berliner Wasserbetriebe letztlich entscheiden, die pro Stück etwa eine Million Euro teuren Module einzusetzen, bräuchte man allein zwischen Elsen- und Oberbaumbrücke drei, bis zur Mündung der Spree in die Havel insgesamt 63 dieser Plattformen. Auch wäre die Technik nicht überall einsetzbar, weil der Fluss an einigen Stellen zu eng ist, dort müssten konventionelle Auffangbehälter aus Beton gebaut werden.

Pro Abwasserrohr ein Modul

Jede dieser künstlichen Inseln in der Größe eines Frachtschiffs wäre fest in der Spree verankert. Ihr Geheimnis verbergen sie für den Betrachter unsichtbar unter der Wasseroberfläche. Doch bei Bedarf ragen die Oberflächen der Module aus dem Wasser und könnten „durch deren Vermarktung die Kosten noch erheblich senken“, schreibt die Betreiberfirma auf ihrer Internetseite. Und dies beflügelt seitdem die Phantasien der Planer: Was ließe sich nicht von einer Badeinsel mit Campingplatz, Gartenanlagen, Freilichtkinos und Cafés bis hin zur Wohnbebauung alles darauf realisieren? Desweiteren schlagen die Brüder Jan und Tim Edler vor, entlang der Berliner Museumsinsel einen Badestrand mitten in Berlin zu eröffnen. Der „Kupfergraben“, ein Seitenarm der Spree zwischen Deutschen Historischen Museum und Pergamonmuseum, bräuchte nur durch eine Schilfkläranlage am oberen Ende zusätzlich gereinigt werden.

Ebenso wird nun in den historischen Unterlagen der Stadt gekramt und zum Beispiel entdeckt, dass an der Nordwestecke der Jannowitzbrücke sich vor 100 Jahren eine öffentliche Flussbadeanstalt befand. Dort befindet sich zur Zeit eine Anlegestelle für Tourismusdampfer, doch selbst Ephraim Gothe (SPD), Baustadtrat von Mitte, findet die Idee, eines Tages wieder in der Spree baden zu können, „großartig“. Gleichzeitig warnt er allerdings vor einer „Verringerung der Wasseroberfläche“.

„Nur an den Symptomen rumgedoktert“

Am deutlichsten erhebt mitten in der allgemeinen Euphorie Carmen Schultze vom BUND Berlin ihre mahnende Stimme. Für sie führen die Pläne „zu einer weiteren Verfestigung und Bebauung der Uferbereiche“. Statt die Kanalisation grundsätzlich zu modernisieren und zum Beispiel die vielen betonierten Flächen zu entsiegeln, um bei Regen die Sturzbäche auf natürliche Weise aufzunehmen, „wird nur an den Symptomen rumgedoktert“. Außerdem fragt sich die Pressereferentin des BUND, ob die Flächen auf den Plattformen auch bei einer kommerziellen Nutzung noch öffentlich zugänglich seien. „Da gibt es noch eine Menge ungelöster Fragen ...!“

Weitere Infos unter www.spree2011.de

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