MieterEcho 329/August 2008: Wohnen wird immer teurer

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MieterEcho 329/August 2008

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Wohnen wird immer teurer

Öl- und Gaspreise könnten sich in Zukunft nochmals verdoppeln

Hermann Werle

Während sich die Preisspirale für Energierohstoffe munter weiter dreht, sorgen bereits die zurückliegenden Preiserhöhungen in Form der aktuellen Betriebskostenabrechnungen für „sozialen Sprengstoff“, wie der Dachverband Deutscher Immobilienverwalter feststellt. Wegen der zu erwartenden hohen Nachzahlungen, die für Mieter/innen „oft ein Schock“ sein werden, befürchtet der Verband eine Klagewelle. Die Betriebskostenabrechnungen der kommenden Jahre dürften nicht weniger dramatisch ausfallen, folgt man den Szenarien des Verbraucherportals Verivox und den Ankündigungen der Energiebranche. Massive Preiserhöhungen sind demnach zu erwarten, was bei den Verbraucher/innen weitere Schocks auslösen und bei den Energiekonzernen die Kassen klingeln lassen wird.

Für Privathaushalte als Endverbraucher von Heizöl und Erdgas stellen sich die Energiemärkte als äußerst nachteilig dar. Zur vieldiskutierten Verknappung der Rohstoffe kommt hinzu, dass der Wettbewerb, der die Preise nach wirtschaftsliberaler Lesart verbraucherfreundlich gestalten sollte, gegen die Macht einiger Großkonzerne nicht durchsetzbar ist.

Kaum ein anderer Markt ist derart monopolistisch strukturiert wie der Markt der Primärenergierohstoffe. Für Gaskunden in der BRD stellt sich die Situation so dar, dass die größte Abhängigkeit gegenüber den russischen Gaskonzernen besteht und hierbei insbesondere Gazprom. Der Staatskonzern bemüht sich zwar emsig, sein schlechtes Image, das er als Preistreiber und Erpressungsinstrument der russischen Politik hat, mit Sponsoring à la „Gazprom-Schalke 04“ und „Gib Gas gegen Gewalt“ aufzupolieren, was allerdings nichts an der faktischen Abhängigkeit vom russischen Erdgas ändert. Knapp 40% der deutschen Gasimporte, mit denen die hiesigen Privathaushalte versorgt werden, stammt von russischen Gasfeldern. Die Ankündigung von Gazprom-Chef Alexej Miller, dass der Gaspreis in diesem Jahr möglicherweise auf über 500 Dollar je 1000 Kubikmeter ansteigen und im nächsten Jahr die 1000-Dollar-Marke erreichen könnte – wenn der Ölpreis auf 250 Dollar pro Barrel ansteigt – scheint angesichts der aktuellen Konjunktur nicht aus der Luft gegriffen. Anfang Juli zeichnete der OPEC-Vorsitzende Tschakib Chelil laut dem Verbraucherportal Verivox ein düsteres Bild: „Die täglich neuen Rekordpreise für Rohöl könnten durch eine Verschärfung des Konfliktes um das iranische Atomprogramm eine neue Dimension erreichen. Sollte das Land kein Öl mehr liefern können, seien Preise von 200, 300 oder 400 Dollar für ein Barrel Rohöl (159 Liter) vorstellbar.“ Sollte dieses Szenario Realität werden, würde sich das ganz unmittelbar auch auf die Gaspreise auswirken. Gegenüber 250 Dollar im Jahr 2006 und rund 410 Dollar, die derzeit für 1000 Kubikmeter Erdgas aus Russland zu zahlen sind, könnte es zu einer Vervierfachung der Gasimportpreise binnen drei Jahren kommen.

Szenarien Gaspreiserhöhungen

Da die Preise für Erdgas an den Ölpreis gekoppelt sind, lassen sich die Konsequenzen für Gaskunden recht genau beziffern. Das Verbraucherportal Verivox hat dafür einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden Erdgas zur Grundlage genommen. Der Musterhaushalt zahlt für sein Erdgas derzeit 1375 Euro im Jahr. Dieser Wert basiert auf Ölpreisen von etwa 100 Dollar zu Beginn dieses Jahres. Der Rohölpreis von derzeit etwa 145 Dollar wird sich zeitlich versetzt in Erdgaspreisen von durchschnittlich 1721 Euro niederschlagen, eine Preissteigerung von 20%.

- Ölpreis von 200 Dollar: Die durchschnittlichen Kosten für Erdgas steigen auf 2100 Euro. Das sind 725 Euro mehr als heute – oder ein Plus von 53%.

- Ölpreis von 300 Dollar: Der Musterhaushalt muss 2804 Euro pro Jahr zahlen. Im Vergleich zu heute bedeutet dies Mehrkosten von 1425 Euro, die Gasrechnung erhöht sich um 104%.

- Ölpreis von 400 Dollar: Die Jahresrechnung für Erdgas beläuft sich auf 3508 Euro – das sind 2133 Euro mehr als heute. Die Steigerung: 155%.


Deutsche Konzerne verdienen kräftig mit

Von den monopolistisch geprägten Gasförderunternehmen verkauft, gelangt das Erdgas über Pipelinesysteme (wie die MEGAL, die Mittel-Europäische-Gasleitungsgesellschaft), die von E.on, Gaz de France und der österreichischen OMV betrieben wird, zu den Ferngasgesellschaften, also den Aufkäufern des Rohstoffs. Auf dem deutschen Markt wird dieses Geschäft von E.on-Ruhrgas und zu einem kleineren Teil von der BASF-Tochter Wintershall beherrscht. E.on und Gazprom ergänzen sich auf ideale Art und Weise bei der Realisierung optimaler Profite. Dafür sorgen langfristige Verträge und die Verflechtung der beiden Konzerne. Letzteres findet seinen deutlichsten Ausdruck in der Person des E.on-Managers Burckhard Bergmann, der als einziger Ausländer im Direktorenrat des russischen Energiegiganten Aufnahme gefunden hat und als solcher im letzten Jahr in Moskau zum Direktor des Jahres gekürt wurde. E.on ist zudem mit einem Anteil von 6,5% der größte ausländische Aktionär bei Gazprom. Weitere direkte Kooperationen zwischen E.on und Gazprom gibt es beim Bau von Gaskraftwerken, beim geplanten Ausbau eines Gas-Tankstellennetzes, bei der Beteiligung von E.on an der Gasförderung und bei der Ostseepipeline Nord Stream (an der Spitze der Nord Stream AG verdient Altbundeskanzler Gerhard Schröder seine Brötchen). An der umstrittenen Pipeline sind neben Gazprom (51%) und E.on (20%) auch die BASF-Tochter Wintershall (20%) und die niederländische Gasunie (9%) beteiligt. Wie lohnend das Geschäft mit dem Erdgas ist, zeigen die aktuellen Gewinnmeldungen der Großkonzerne. Im vergangenen Jahr konnte Gazprom seinen Gewinn um 9% auf 18,8 Milliarden Euro steigern, während E.on mit Strom und Gas rund 5,1 Milliarden verdiente, was einer Gewinnsteigerung von über 9% entspricht.

Preiserhöhung bei der Gasag

Mitte Juli kündigte die Gasag ihre nächste Preiserhöhung zum 1. September 2008 an. Um 0,8 Cent/Kilowattstunde sollen die Preise in Berlin steigen. Je nach Verbrauch bedeutet das eine Steigerung von 12,5 bis 14%. Damit fällt die Preiserhöhung zunächst weniger stark aus als befürchtet. Zur Begründung verwies das Unternehmen auf einen dramatischen Anstieg der Rohstoffpreise. Jedoch betonte die Gasag, sie gebe „nicht die gesamte Preissteigerung im Einkauf an ihre Kunden weiter“. Nach Angaben der Gasag bedeutet das eine monatliche Mehrbelastung von rund 7 Euro für einen durchschnittlichen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 9000 Kilowattstunden (2- bis 3-Zimmer-Wohnung).

Dass sich das Geschäft mit dem Erdgas trotz laufender Verfahren auch weiterhin äußerst lohnend für E.on und Co. entwickeln wird, ist absehbar. In den letzten neun Jahren stieg in Deutschland der Anteil der Wohnungen, die mit Gas beheizt werden, von 14,6 Millionen in 1997 auf 18,2 Millionen in 2006, was einer Steigerung von 40,6 auf 48% entspricht.


Ermittlungen wegen Wettbewerbsverstößen

Kooperationen verschiedenster Intensität bestehen jedoch nicht nur auf deutsch-russischer Ebene. Nach Untersuchungen der EU-Kommission soll es zwischen E.on und Gaz de France zu Absprachen gekommen sein, „nach denen sich die Konkurrenten auch nach der Liberalisierung der europäischen Erdgasmärkte jeweils dem Heimatmarkt des anderen fernhalten würden“, wie es in einer Mitteilung vom Juni heißt. E.on und Gaz de France seien „im Wege von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen überein gekommen“, keine größeren Mengen Erdgas auf dem Heimatmarkt des jeweils anderen zu verkaufen. Betroffen seien dabei „vor allem Lieferungen von Erdgas über die MEGAL-Pipeline“, durch die Erdgas von Tschechien durch Süddeutschland nach Österreich bzw. Frankreich befördert wird.

Doch dies ist nicht der einzige Vorwurf, der gegen den deutschen Energiegiganten erhoben wird. Im Rahmen von Ermittlungen der EU wegen Wettbewerbsverstößen auf dem deutschen Energiemarkt wurde E.on im Januar mit einer Geldstrafe von 38 Millionen Euro belegt. Bei einer Durchsuchung von Geschäftsräumen des Konzerns im Mai 2006 wurden von der EU-Wettbewerbskommission in einem der Räume Unterlagen zusammengetragen und der Raum versiegelt. E.on soll diesen versiegelten Raum anschließend geöffnet haben. Dies ist der erste Fall eines Siegelbruchs überhaupt, der von den Brüsseler Wettbewerbshütern geahndet wird.

Mieter/innen sollten sich in den kalten Monaten also warm anziehen. Zur Überprüfung der Betriebskostenabrechnungen stehen die Beratungsstellen der Berliner MieterGemeinschaft zur Verfügung.

Energieausweis seit 1. Juli 2008 auch für Altbauten Pflicht

Was für Neubauten bereits seit 2002 Pflicht ist, gilt seit dem 1. Juli 2008 auch für Altbauten: Eigentümer müssen bei Vermietung ihrer Wohnungen potenziellen Mieter/innen einen Energieausweis vorlegen. Dies gilt nun für Wohngebäude, die bis Ende 1965 fertig gestellt worden sind. Bei später errichteten Wohngebäuden gilt diese Vorschrift erst ab dem 1. Januar 2009.

Energieausweise gibt es in zwei Varianten: Bedarfs- oder Verbrauchsausweis. Einen Bedarfsausweis braucht man für Wohngebäude mit weniger als fünf Wohnungen, für die der Bauantrag vor dem 1. November 1977 gestellt wurde (Ausnahme: Es wurde – z. B. durch spätere Modernisierung – mindestens das Niveau der 1. Wärmeschutzverordnung von 1977 erreicht). Für alle anderen Bestandsgebäude besteht Wahlfreiheit, d. h. die Vermieter können zwischen Bedarfs- oder Verbrauchsausweis frei wählen.

Dem Bedarfsausweis liegt eine technische Analyse des Gebäudes zugrunde (Dach, Wände, Bauweise, Fenster und Heizung). Ob Mieter/innen viel oder wenig heizen, fließt bei einem Bedarfsausweis nicht ein. Im Unterschied dazu bilden die Heizkostenabrechnungen der letzen drei Jahren die Grundlage für den Verbrauchsausweis. Der Verbrauchsausweis ist somit vom individuellen Heizverhalten der Mieter/innen abhängig. Zwar ist der bedarfsorientierte Energieausweis genauer, da er auf objektiven Kriterien beruht, jedoch ist er teurer in der Erstellung als der Verbrauchsausweis.

Ähnlich wie das Energieeffizienzlabel beim Kühlschrank informiert der Energieausweis über die energetische Qualität eines Gebäudes und zeigt, wie viel Energie man für das Heizen und die Warmwasserbereitung in dem Gebäude benötigt. Eine Skala mit einem Farbverlauf von „grün“ (gut) bis „rot“ (schlecht) stellt die energetische Qualität dar.

Eine genaue Auskunft über eine einzelne Wohnung geben beide Varianten nicht, denn ein Energieausweis bewertet immer nur das gesamte Gebäude. Bei der Wohnungssuche können Mieter/innen sich so meist nur einen groben Überblick verschaffen.

In der Betriebskostenabrechnung sind die Kosten für die Erstellung eines Energieausweises übrigens nicht umlegbar. (Weitere Infos z. B. unter www.dena.de)

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