MieterEcho 328/Juni 2008: Anpassung statt Anhebung

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MieterEcho 328/Juni 2008

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Anpassung statt Anhebung

Das Wohngeld soll steigen – aber nur auf den ersten Blick stellt dies eine deutliche Verbesserung dar

Christian Linde

Mit Beginn des kommenden Jahres soll das Wohngeld für einkommensschwache Haushalte erhöht werden. Das hat der Bundestag beschlossen und dieser Schritt war überfällig. Denn von einer sozialen Absicherung des Wohnens kann schon lange keine Rede mehr sein.

Seit 2001 sind die Mieten ohne Nebenkosten um 6,5% gestiegen. Die Gebühren für Wasser, Abwasser und Müll haben sich in diesem Zeitraum um über 10%, die Kosten für Strom um 23,8%, für Gas um 30,3% und für Öl um 53,3% verteuert – nachzulesen im Wohngeld- und Mietenbericht 2006 der Bundesregierung. Für diese Preissteigerungen existiert bis heute kein Ausgleich zum Wohngeld. Die letzte Erhöhung fand vor mehr als sieben Jahren statt. Wohngeldbeziehende müssen deshalb nach Berechnungen inzwischen durchschnittlich 31,6% ihres Nettoeinkommens allein für die Miete aufbringen. Das sind 6% mehr als ein Durchschnittsmieter ohne staatliche Unterstützung. Zum 1. Januar 2009 soll die Leistung nun von durchschnittlich 90 Euro auf 142 Euro angehoben werden. Davon würden bis zu 850.000 Menschen profitieren, darunter 300.000 Rentner-Haushalte.

Dem Bezug von Wohngeld liegt ein Rechtsanspruch zugrunde. Dieser und die konkrete Höhe des Wohngelds hängt neben der Miethöhe von der Zahl der zum Haushalt zu rechnenden Familienmitglieder, deren Gesamteinkommen und der Höhe der zuschussfähigen Miete ab. Anspruch auf Wohngeld hat zurzeit, wer nicht mehr als 830 Euro netto verdient und allein wohnt. Für einen 2-Personen-Haushalt liegt die Höchstgrenze bei 1140 Euro, für drei Personen bei 1390 Euro und für vier Personen bei 1830 Euro. Für die Wohngeldberechnung wird die tatsächlich gezahlte Miete nur bis zu einer Höchstgrenze berücksichtigt. Diese Höchstgrenzen sind nach dem Alter des Wohnhauses gestaffelt. Sie richten sich außerdem nach den regionalen Durchschnittsmieten. Das Wohngeld wird in der Regel für zwölf Monate bewilligt, und zwar ab dem 1. des Monats, in dem der Antrag gestellt wird. Danach ist ein neuer Antrag erforderlich.

Heizen wird Bestandteil des Wohnens

Zu den Kernstücken der „Reform“ gehört die Berücksichtigung der Heiz- und Warmwasserkosten für die Bemessung des Wohngelds. Bisher bildete die Bruttokaltmiete den Orientierungsrahmen. Zukünftig sollen die Heizkosten mit einer Pauschalsumme von 50 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche in die Berechnung einfließen. Darüber hinaus steigen die Wohngeld-Tabellenwerte der Miethöchstbeträge und die Einkommensgrenze um jeweils 10%. Der Bund rechnet dadurch mit rund einem Drittel zusätzlicher Anspruchsberechtigter. Nach der Arbeitsmarktreform hatte sich die Zahl der Bezieher von seinerzeit 3,5 Millionen Menschen auf 680.000 reduziert. Mindestens um die Zahl der zurzeit rund 274.000 sogenannten Aufstocker dürfte sich diese wieder erhöhen. Darüber hinaus ist von rund einer halben Millionen Geringverdienenden auszugehen, die leistungsberechtigt für Arbeitslosengeld II sind. Spürbar zunehmen wird die Zahl der Antragsteller in den neuen Bundesländern, weil dort der Anteil der Erwerbstätigen im Niedriglohnsektor doppelt so hoch ist wie im Westen. Insgesamt wird es jedoch mehr Wohngeldbeziehende in den alten Bundesländern geben. Hier ist die Anzahl der ALG-II-Beziehenden, der in den Wohngeld-Bezug wechseln wird, aufgrund der durchschnittlich höheren Kinderzahl größer. Auch die Anzahl der Wohngeldbeziehenden, die jetzt über den Miethöchstbeträgen liegen und von der Anhebung profitieren werden, ist in den alten Ländern deutlich höher. Die Mehrkosten für die öffentliche Hand bewegen sich bei insgesamt etwa 520 Millionen Euro. Die Ausgaben für das Wohngeld erhöhen sich damit auf 1,36 Milliarden Euro im Jahr. Deren Aufkommen wird je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern getragen.

Mangel an Nachhaltigkeit

Ob Wohnen durch die Neuregelung des Mietzuschusses „für jedermann in Deutschland erschwinglich und sicher“ wird, wie von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) behauptet, ist allerdings mehr als fraglich. Zwar bedeutet die Erhöhung um fast zwei Drittel des bisherigen Betrags eine Entlastung, doch allein angesichts der Verdoppelung der Energiekosten seit der letzten Leistungsverbesserung findet tatsächlich nur eine Anpassung an die Preisentwicklung der zurückliegenden Jahre statt. Damit das Wohngeld einen wirksamen Beitrag zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte leisten kann, wäre die vollständige Anerkennung der Kosten für Heizung und Warmwasser als Bestandteil der Miete und somit deren Berücksichtigung bei der Berechnung des Wohngelds nötig. Um die vorgelagerte Leistung zum Sozialgesetzbuch II zu einem nachhaltigen Instrument zu entwickeln, wäre darüber hinaus ein dynamischer Anpassungsmodus als integraler Bestandteil des neuen Gesetzes erforderlich gewesen. Umso mehr, als durch die rückläufigen Wohnungsbauaktivitäten und die fortschreitende Privatisierung von Wohnraum, eine neue Wohnarmut bereits programmiert ist.

Streit um Wohngeldnovelle

Ende Mai verweigerte der Bundesrat die Zustimmung zum Gesetzentwurf für die Wohngeldnovelle. Die Länder fordern, dass sich der Bund an den Nettoausgaben der Grundsicherungskosten in Höhe von 20% anstatt mit einem Festbetrag beteiligt. Bei rascher Einigung im Vermittlungsausschuss kann die Wohngelderhöhung trotzdem noch wie geplant zum 1. Januar 2009 in Kraft treten.

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