MieterEcho 328/Juni 2008: Nach der Mietrechtsreform

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MieterEcho 328/Juni 2008

Quadrat MIETRECHT AKTUELL

Nach der Mietrechtsreform

Die Rechtsprechung des BGH verschlechtert tendenziell die Position von Mieter/innen

Frank Fitzner

Früher gab es in Mietsachen in der Regel zwei gerichtliche Instanzen: das Amtsgericht und das Landgericht als Berufungsinstanz. Nur in seltenen Ausnahmefällen kam es zu Rechtsentscheiden der Oberlandesgerichte in mietrechtlichen Angelegenheiten. Deshalb gab es auch keine einheitliche Rechtsprechung, sondern viele regionale Unterschiede und sogar abweichende Entscheidungen der verschiedenen Kammern eines Landgerichtsbezirks.

Dies hat sich mit der seit dem 1. Januar 2002 wirksamen Reform der Zivilprozessordnung gründlich geändert. Seitdem ist auch bei Mietstreitigkeiten die Revision zum BGH möglich, sofern die Sache „grundsätzliche Bedeutung hat“ oder „die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.“ Die Revision muss zwar vom Berufungs- oder Revisionsgericht ausdrücklich zugelassen werden, aber von dieser Möglichkeit machen die Gerichte regen Gebrauch, sodass es mittlerweile eine Vielzahl von Urteilen des für Mietsachen zuständigen achten Senats des BGH gibt. Diese Entscheidungen haben das Mietrecht stärker geprägt als die letzte große Mietrechtsreform unter der früheren Justizministerin Herta Däubler-Gmelin.

Kündigung durch den Vermieter wird erleichtert

Eindeutig vermieterfreundlich ist die Rechtsprechung des BGH zur Kündigung des Mietvertrags wegen verspäteter Zahlung der Miete oder der Betriebskosten. So entschied das Gericht etwa am 16. Februar 2005 (Aktenzeichen VIII ZR 6/04), dass bei Zahlungsverzug eine Nachzahlung der Rückstände innerhalb der Schonfrist des § 569 BGB zwar eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB unwirksam macht, eine gleichzeitig ausgesprochene fristgemäße Kündigung nach § 573 BGB jedoch wirksam bleiben kann. Letztere setzt voraus, dass Mieter/innen ihre Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt haben. Damit hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Berlin auf. Dieses hatte argumentiert, der § 569 BGB solle Mieter/innen bei vollständigem Ausgleich der Mietschulden nicht nur zu der längeren ordentlichen Kündigungsfrist verhelfen, sondern die Beendigung des Mietverhältnisses insgesamt verhindern.

Am 11. Januar 2006 erklärte der BGH eine fristlose Kündigung nach § 543 BGB wegen einer verspäteten Mietzahlung nach vorangegangener Abmahnung für rechtmäßig (VIII ZR 364/04). Der Mieter hatte zuvor wiederholt unpünktlich gezahlt und war deshalb abgemahnt worden.

Auch mit Urteil vom 28. November 2007 (siehe Kommentar) erklärte der BGH eine ordentliche Kündigung trotz Nachzahlung des geforderten Betriebskostenvorschusses für wirksam (VIII ZR 145/07). Diese Entscheidung ist angesichts des zugrunde liegenden Sachverhalts erstaunlich, denn die Höhe der Betriebskosten war streitig. Diese hatten sich nach einer Modernisierung verdreifacht. Die Mieter/innen hatten der Abrechnung widersprochen und weiterhin den bisherigen Vorschuss bezahlt. Daraufhin kündigte der Vermieter fristlos und hilfsweise fristgemäß, worauf die Mieter/innen die geforderten Beträge unter Vorbehalt bezahlten. Diese Zahlung beseitigte laut BGH zwar die Wirkung der außerordentlichen Kündigung, nicht aber die der ordentlichen nach § 543 BGB, zumal sie unter Vorbehalt erfolgte. Entscheidend sei, dass die Betriebskostenabrechnung formal wirksam gewesen sei, selbst wenn sie inhaltliche Fehler aufgewiesen habe. Die ordentliche Kündigung setze auch keine vorherige Abmahnung voraus.

Betriebskostenabrechnung für Mieter/innen ungünstiger

Auch bei Verfahren über Betriebskosten mussten die Mieter/innen einige Kröten schlucken. Mit den Urteilen vom 17. November 2004 und vom 19. Januar 2005 (VIII ZR 115/04 und VIII ZR 116/04) hat der BGH entschieden, dass eine formell ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung ausreicht, um die Jahresfrist des § 556 BGB zu wahren. Inhaltliche Fehler – wie die Angabe von Quadratmetern statt Miteigentumsanteilen als Umlageschlüssel in den zugrundeliegenden Fällen – kann der Vermieter nachträglich noch berichtigen. Allerdings darf er keinen höheren Betrag fordern als in der ersten Abrechnung.

Einigermaßen absurd mutet die Entscheidung vom 20. September 2006 (VIII ZR 103/06) an, nach der auch die Mieter/innen einer Erdgeschosswohnung an Aufzugskosten beteiligt werden dürfen. Dies gilt auch dann, wenn mit dem Aufzug weder ein Keller noch ein Dachboden erreicht werden kann. Hierin sieht der BGH keine unangemessene Benachteiligung der Bewohner/innen einer Parterre-Wohnung. Eine differenzierte Abrechnung der Kosten nach tatsächlicher Nutzung sei demgegenüber oft unpraktikabel und unübersichtlich.

Überzogene Mieterhöhung formell wirksam

Auch bei einer Mieterhöhung reicht nach dem Urteil vom 12.11.2003 (VIII ZR 52/03) eine formelle Wirksamkeit aus. Diese ist laut BGH gegeben, wenn die Wohnung in das richtige Feld des Mietspiegels eingeordnet, die dortige Mietspanne genannt und die erhöhte Miete angegeben wird. Liegt die verlangte Miete über der nach dem Mietspiegel zulässigen Miethöhe, ist die Erhöhung nur bis zur Obergrenze des Mietspiegels wirksam. Diese Entscheidung lädt den Vermieter geradezu dazu ein, mehr als die höchst zulässige Miete zu fordern. Denn entweder akzeptieren die Mieter/innen diese oder aber die Mieterhöhung ist zumindest bis zum möglichen Höchstbetrag wirksam.

Bei Untervermietung kann Lebensmittelpunkt woanders sein

Der BGH hat durchaus auch Urteile zugunsten von Mietern gefällt. So hat er am 23. November 2005 entschieden, dass eine Untervermietung nach § 553 BGB auch dann zulässig ist, wenn der Mieter seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr in der Wohnung hat (VIII ZR 4/05). Begründet wird dies mit der heutzutage üblichen beruflichen Mobilität und Flexibilität.

Auch Nebenkosten dürfen gemindert werden

Als positiv ist die Entscheidung des BGH vom 6. April 2005 zu bewerten, nach der die Bemessungsgrundlage einer Mietminderung die Bruttomiete, also die Miete inklusive der Nebenkosten ist (XII ZR 225/03). Diese Frage wurde vor dieser Klarstellung je nach Art des Mangels, der Grundlage der Minderung ist, unterschiedlich beurteilt.

Schönheitsreparaturen bleiben Vermietersache

Die wahrscheinlich bekanntesten Urteile des BGH zugunsten von Mieter/innen betreffen Schönheitsreparaturen. Bereits am 14. Mai 2003 (VIII ZR 308/02) erklärte das Gericht eine Klausel im Mietvertrag, nach der die Mieter/innen die Schönheitsreparaturen sowohl nach Ablauf bestimmter Fristen als auch bei Ende des Vertrags vornehmen müssen, wegen dieser Summierung für unwirksam.

Mit Urteil vom 23. Juni 2004 (VIII ZR 361/03) entschied der BGH darüber hinaus gehend, dass eine starre Fristenregelung, die die Durchführung der Schönheitsreparaturen unabhängig vom Zustand der Wohnung verlangt, unwirksam ist.

Am 18. Oktober 2006 (VIII ZR 52/06) bestätigte das Gericht diese Rechtsprechung. Zusätzlich erklärte es auch eine sogenannte „starre“ Abgeltungsklausel, nach der Mieter bei Vertragsende die Kosten für Schönheitsreparaturen anteilig übernehmen müssen, wenn diese noch nicht fällig sind, ebenfalls für unwirksam. Weitere Abgeltungsklauseln wurden vom BGH für unwirksam erklärt, weil sie nicht hinreichend verständlich seien (Urteil vom 26. September 2007 – VIII ZR 143/06 und Urteil vom 5. März 2008 – VIII ZR 95/07).

Unzulässig sind auch Klauseln, die den Mieter/innen die Art der Renovierung vorschreiben (Urteil vom 28.03.2007 – VIII ZR 199/06). Dies betrifft sehr viele Standardmietverträge der großen Berliner Wohnungsbaugesellschaften. Diese enthalten oft die Formularklausel, dass der Mieter „nur mit Zustimmung des Wohnungsunternehmens von der bisherigen Ausführungsart abweichen“ darf. Diese Entscheidungen können sich für die Mieter/innen aber zumindest teilweise als Pyrrhussieg erweisen. Denn viele Vermieter versuchen, einen Renovierungszuschlag durchzusetzen, wenn die Mieter/innen die Schönheitsreparaturen nicht selbst durchführen müssen. Die Gerichte (untere Instanzen) urteilen dazu unterschiedlich. Der BGH wird zu dieser Frage noch diesen Sommer verhandeln.

Gerichtlichen Instanzen

In erster Instanz ist auch nach der ZPO-Reform unabhängig vom Streitwert das Amtsgericht, in dessen Bezirk die gemietete Wohnung liegt, zuständig (§ 23 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG). Eine Berufung zum Landgericht ist möglich, wenn „der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt“ (§ 72 GVG, § 511 ZPO). Letzterer errechnet sich aus der Differenz zwischen dem, was die jeweilige Partei des Rechtsstreits beantragt hat und dem, was das Amtsgericht ihr zuerkannt hat. Ausnahmsweise erfolgt die Berufung nach § 119 GVG zum Oberlandesgericht, wenn der Vermieter seinen Gerichtsstand im Ausland hat. Revisionsgericht ist gemäß § 133 GVG der Bundesgerichtshof. Eine Revision wird vom Berufungsgericht oder vom BGH nur unter den in § 543 ZPO genannten Voraussetzungen zugelassen. Eine weitere Ausnahme stellt die Sprungrevision vom Amtsgericht direkt zum BGH dar. Diese muss vom BGH zugelassen werden und setzt das Einverständnis beider Parteien voraus (§ 566 ZPO).

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