MieterEcho 327/April 2008: Aus der Geschichte der Berliner Müllentsorgung

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MieterEcho 327/April 2008

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Aus der Geschichte der Berliner Müllentsorgung

Hermann Werle

Um 1900 produzierte die Berliner Bevölkerung täglich rund 1000 Tonnen Müll, dessen Beseitigung neue technische Verfahren notwendig werden ließ. Erste Versuche mit der Verbrennung, aber auch mit der Trennung verschiedener Müllsorten wurden erprobt. Erst Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts entstand eine flächendeckende Entsorgung unter städtischer Kontrolle.

Abfälle gehören zur Menschheitsgeschichte. In den mittelalterlichen Städten wurden Abfälle und Fäkalien schlichtweg vor den Türen oder in Flüssen und Bächen entsorgt. Straßen und Gassen waren stinkende Kloaken, in denen Schweine nach Fressbarem wühlten. Mitte des 17. Jahrhunderts setzte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm die ersten Gassenmeister in Berlin ein, die, ausgerüstet mit einfachen Karren, den Unrat auf den Straßen zu entfernen hatten. Außerdem waren die Bürger angehalten, vor ihren Häusern Bürgersteige zu errichten und diese auch sauber zu halten. Trotz empfindlicher Geldstrafen besserte sich die Situation jedoch nur unwesentlich.

Mit dem rasanten Wachstum, das Berlin um 1875 zur Millionenstadt werden ließ, mehrten sich die sozialen und hygienischen Probleme. Aber nicht nur die Müllmenge änderte sich, sondern auch deren Zusammensetzung, da nach der Erfindung der Konserve der Anteil von Dosen und Gläsern im Hausmüll wuchs.

Berliner Müll brennt nicht

Zunächst wurden die häuslichen Abfälle noch in Müllgruben am Haus aufbewahrt. Fuhrunternehmer holten den Müll ab und transportierten ihn zu einer der drei von der Stadt angelegten Müllabladeplätze. Nach einem Erlass des Polizeipräsidenten setzten sich Anfang des 20. Jahrhunderts viereckige Müllkästen zur Sammlung der Hausabfälle durch, die von speziellen Fahrzeugen abgeholt wurden. Damit wurden Müllsammlung und Abholung miteinander verbunden und von Fuhrunternehmern gewährleistet.

Intensive Debatten entstanden in dieser Zeit sowohl um die sinnvolle Nutzung der Abfälle als auch um deren Beseitigung. In England war schon seit 1870 mit der Verbrennung des Mülls experimentiert worden und 1900 waren dort 121 in Betrieb. Infolge der Cholera-Epidemie von 1892 wurde in Hamburg die erste Verbrennungsanlage nach englischem Vorbild errichtet. Diese Anlage wurde schnell zum Mekka für Fachkommissionen aus ganz Deutschland, wie Jinhee Park in ihrer Dissertation zur „Entwicklung der Hausmüllentsorgung in Berlin" schreibt. Entgegen den Erwartungen fielen die Ergebnisse allerdings schlecht aus, da sich herausstellte, dass der Müll aus den Regionen, wo mit Braunkohle geheizt wurde, nicht brannte. Die Verbrennungsöfen, die in England entwickelt worden waren, wo überwiegend Steinkohle verheizt wurde, erwiesen sich als uneffizient für den Berliner Müll mit seinem hohen Anteil an Braunkohleasche.

Die erste Mülltrennung

Noch ohne Grünen Punkt, aber mit der gleichen Intention, beauftragte der Charlottenburger Magistrat 1906 die Charlottenburger Abfuhrgesellschaft (CHA) für 15 Jahre mit der Müllabfuhr nach dem Dreiteilungssystem. Dieses trennte den Müll nach Speiseresten und Küchenabfällen, Abfälle, die einen gewissen Verkaufswert hatten, wie Lumpen, alte Kleidung, Schuhe, Geschirr oder alte Möbel sowie als dritte Müllsorte Feuerungsrückstände wie Asche. Für die Trennung stellte die CHA entsprechende Behältnisse zur Verfügung. Das System scheiterte 1917 unter anderem an den hohen Kosten, da drei verschiedene Fahrzeuge mit entsprechendem Personal eingesetzt werden mussten. Schwierigkeiten machte aber auch die säuberliche Trennung in den Haushalten. In den Küchenabfällen, die für die Schweinemast aufbereitet wurden, befanden sich häufig unverdauliche Gegenstände oder Scherben, wodurch viele Schweine starben. Dennoch war das Dreiteilungssystem bedeutsam, da hiermit die Müllentsorgung erstmals unter städtischer Regie stattfand.

Die endgültige Kommunalisierung sollte noch zehn Jahre auf sich warten lassen. Quasi als öffentlich-private Partnerschaft wurde mit zwei Berliner Fuhrunternehmen 1922 die „Berliner Müllabfuhr-Aktiengesellschaft" (BEMAG) gegründet, an der die Stadt mit 25% beteiligt war. Mit der Übernahme der Aktienmehrheit 1927 und mit der Eingliederung der bezirklichen Müllbetriebe in Spandau, Wilmersdorf und Schöneberg am 1. April 1931 war die Müllabfuhr unter einheitlicher, kommunaler Verwaltung und Organisation.

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