MieterEcho 327/April 2008: Umkämpfter Müll

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MieterEcho 327/April 2008

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Umkämpfter Müll

Mit Abfällen lässt sich viel Geld verdienen und durch den Grünen Punkt wurde das Geschäft erst richtig lukrativ

Hermann Werle

Jährlich fallen in Deutschland über 40 Millionen Tonnen Hausmüll an. Um das Sammeln und Weiterverwerten des Mülls hat sich in den letzten Jahren ein harter Kampf entwickelt. Konkurrenten im Geschäft mit dem Müll sind kommunale Unternehmen, private Konzerne und auch Private-Equity-Fonds, was andeutet, dass es um viel Geld geht.

In der deutschen Abfallwirtschaft sind nach Angaben des Bundesumweltministeriums (BMU) über 250.000 Menschen, vom Ingenieur über den Müllwerker bis zum Verwaltungsangestellten, beschäftigt. Der Umsatz der Entsorgungswirtschaft beläuft sich laut BMU derzeit auf über 50 Milliarden Euro gegenüber rund 40 Milliarden Euro vor zehn Jahren. Bei sinkendem Müllaufkommen verwundert der Anstieg des Umsatzes, aber dies hat seine Ursache darin, dass seit knapp drei Jahren Müll nicht mehr deponiert werden darf.

Verbot der Deponierung

Seit dem 1. Juni 2005 gilt, dass unvorbehandelte Siedlungsabfälle nicht mehr auf Deponien gelagert werden dürfen. Das bedeutet, dass der Abfall vor der Deponierung den aufwendigen und teuren Weg der mechanisch-biologischen oder thermischen Vorbehandlung (Verbrennung) gehen muss. Diese gesetzliche Regelung soll die umweltbelastende Deponierung einschränken. Durch Müllvermeidung und Verwertung konnte seit den 70er Jahren die Anzahl der Müllkippen von rund 50.000 auf 160 heute noch in Betrieb befindliche Deponien reduziert werden.

Marktöffnung durch Mülltrennung

Grundlagen der umfassenden Mülltrennung sind die Verpackungsverordnung und das am 7. Oktober 1996 verabschiedete Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Nach § 1 ist der Zweck des Gesetzes die Schonung der natürlichen Ressourcen sowie die umweltverträgliche Beseitigung von Abfällen. Oberste Priorität hat dabei die Vermeidung von Müll. Abfälle sollen möglichst stofflich oder energetisch verwertet werden, was der Beseitigung durch Verbrennung oder Deponierung vorzuziehen ist. Zu diesem Zweck unterscheidet das Gesetz zum einen zwischen „Abfällen zur Beseitigung“ und "Abfällen zur Verwertung“ und zum anderen zwischen Abfällen unterschiedlicher Herkunftsbereiche. Einschneidend in Hinsicht auf die Beteiligung privater Entsorgungsunternehmen ist die Regelung, dass diese mit der Verwertung von Abfällen aus Gewerbe- und Industriebetrieben beauftragt werden können. Nach Ansicht von Professor Michael Hüther vom industrienahen "Institut der Deutschen Wirtschaft“ wurde mit dem Gesetz "der entscheidende Schritt zur Marktöffnung gemacht, indem das Abfallentsorgungsmonopol der Gebietskörperschaften gelockert wurde.“

Wegbereiter des Grünen Punkts, sprich der Trennung der Abfälle zur Beseitigung und zur Verwertung, ist die seit 1992 geltende Verpackungsordnung, nach der jeder der eine Verpackung in den Verkehr bringt, diese auch zurücknehmen muss (siehe vorangehenden Beitrag).

Non-Profit-Unternehmen als Goldesel

Das Duale System Deutschland (DSD) sammelt, transportiert und sortiert die Verpackungsabfälle nicht selbst, sondern beauftragt Entsorgungsunternehmen. Für diese entwickelte sich daraus ein überaus lukratives Geschäft. "Die Entsorger bedienten sich ungeniert an den Lizenzgebühren, sodass das DSD bereits nach kurzer Zeit pleite ging“, schreibt Dr. Michael Weltzin in seiner Studie "Abfallpolitik in Deutschland“. Dort heißt es weiter, dass nun die Entsorgungsbranche selbst als Teilhaber am DSD einsprang, um die Quelle des Profits nicht versiegen zu lassen – "ein Goldesel für die Entsorgungsbranche“. Von Beginn an kennzeichneten Skandale und undurchsichtige Geschäfte den Weg des Mülls mit dem Grünen Punkt. So tauchten DSD-Materialien unter anderem auf wilden Kippen in Bayern, aber auch in Frankreich, Lettland und sogar in Indonesien auf. Offensichtlich gab es gar nicht genügend Kapazitäten, den gesammelten Abfall einer adäquaten Verwertung zuzuführen. Das Ende der undurchsichtigen Geschäfte des DSD wurde 2001 vom Bundeskartellamt eingeläutet. Ursachen waren die Monopolstellung der Gesellschaft und der "Verdacht des Aufrufs zu Liefer- und Bezugssperren“. Wie es in einer Mitteilung des Amts hieß, hätten Durchsuchungen der Geschäftsräume des DSD und anderer Unternehmen und Wirtschaftsverbände den Verdacht erhärtet, "dass DSD gemeinsam mit der Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände, dem Markenverband, der Metro AG bzw. dem Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft zum Boykott von Anbietern alternativer Entsorgungslösungen aufgerufen hat.“ Um dieses Kartell zu zerschlagen, wurde das DSD aufgefordert, die Gesellschafterstruktur zu ändern. Daraufhin entschied eine außerordentliche Hauptversammlung der DSD im Dezember 2004 die Öffnung des Aktionärskreises und dass die Gesellschaft zukünftig Gewinne machen dürfe. Was dann geschah, betitelte das Handelsblatt mit "Duales System: Entsorgt und verramscht“ und die Financial Times Deutschland mit "Jäger des verpackten Schatzes“. Für 260 Millionen Euro ging das Duale System Deutschland an die US-Beteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts (KKR). Bei den rund 600 Anteilseignern aus Handel und Industrie knallten die Sektkorken, so das Handelsblatt. Ihre Einlagen beim DSD wurden durch den Deal mit KKR vergoldet: "Schließlich erzielen sie durch den Verkauf ihrer Aktien den 180-fachen Einzahlungswert.“ Dass es bei einer realistischen Bewertung des DSD noch viel mehr hätte sein müssen, ergibt sich aus späteren Bewertungen der Ertragssituation und der Rücklagen. Demnach wäre das DSD weit über eine Milliarde Euro wert gewesen.

Privatisierung durch die Hintertür

Mit knapp zwei Cent für den Grünen Punkt auf dem Joghurtbecher haben Verbraucher seit der Einführung des Punkts ein Kartell der Handels-, Verpackungs- und Entsorgungswirtschaft finanziert, dessen Dreh- und Angelpunkt das DSD war. Dessen Millionenschätze wurden schließlich zwischen KKR und den Kartellbeteiligten aufgeteilt. Mit dem Einstieg von KKR in das bisherige Non-Profit-Unternehmen wurde offenkundig, was insbesondere die FDP als Lobbyist der Privatwirtschaft mit der Einführung des DSD immer beabsichtigt hatte: das Aufbrechen der kommunalen Hoheit über den Abfallmarkt. Denn der Begriff des Dualen Systems beinhaltete nicht nur die Einführung einer zweiten Farbe in der Tonnenlandschaft, sondern die Etablierung einer privaten Abfallwirtschaft, die parallel zur öffentlich-rechtlichen existiert. Das DSD war von vornherein als privatrechtliche Gesellschaft gegründet worden und das Duale System entpuppte sich als Privatisierungsmotor durch die Hintertür, da der wachsende Markt der verwertbaren Abfälle von privaten Entsorgungskonzernen beherrscht wird. Diese Entwicklung bezahlen nicht nur die Verbraucher sehr teuer, sondern auch die Beschäftigten in der Branche.

"Schlimme Lohndrücker“

Nach einer Untersuchung von David Hall von der Greenwich Universität findet in der Müllbranche auf europäischer Ebene ein gewaltiger Konzentrationsprozess statt. Von Anfang 2006 bis Mitte 2007 gab es 16 große Übernahmen, wobei sich besonders in Deutschland die Markt- und Machtverhältnisse in der Branche veränderten. Vor wenigen Wochen übernahm der französische Entsorgungskonzern Veolia – in Berlin eher bekannt als Anteilseigner der Wasserbetriebe – den zweitgrößten deutschen Müllkonzern Sulo von den Private Equity Fonds Blackstone und Apax für über eine Milliarde Euro. Damit beherrschen die vier größten Entsorgungskonzerne – Remondis, Veolia, Suez und Alba – mit einem Gesamtumsatz von über vier Milliarden Euro einen Großteil des Entsorgungsmarkts und dabei vor allem den Müll mit dem Grünen Punkt. In Konkurrenz zum DSD unterhalten inzwischen unter anderem auch Remondis mit der Tochtergesellschaft Eco-Punkt und ALBA mit Interseroh eigenständige ,duale Systeme’. Die Konkurrenz unter den Müllkonzernen belebt das Geschäft insbesondere in Hinsicht auf sinkende Qualitätsstandards und das Lohnniveau, wie die Gewerkschaft ver.di feststellt. In Berlin seien laut ver.di die Alba-Eigentümer Axel und Eric Schweizer als "schlimme Lohndrücker“ bekannt. "Mobbing, willkürliche Kündigungen, Tarifflucht, ja sogar einen Polizeieinsatz, das habe ich alles bei Alba schon erlebt“, zitiert der ver.di Müll-Report einen dort Beschäftigten. Aber die Bedingungen für die Arbeitnehmer sind nicht nur in der privaten Entsorgungswirtschaft schwierig. Auch die landeseigenen Berliner Stadtreinigungsbetriebe tun sich schwer mit den Lohnforderungen der Beschäftigten. Und auch bei der BSR gingen in den letzten zehn Jahren rund 1500 Arbeitsplätze verloren und trotz positiver Geschäftsentwicklung wurde ein "Effizienzsteigerungsprogramm“ mit dem Senat von Berlin vereinbart, das weiteren Stellenabbau vorsieht.

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