MieterEcho 326/Februar 2008: Strom teurer - Gas teurer - Wasser teurer

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MieterEcho 326/Februar 2008

Quadrat PRIVATISIERUNG

Strom teurer - Gas teurer - Wasser teurer

Forderung nach Enteignung wird lauter

Hermann Werle

Nachdem Vattenfall bereits Mitte letzten Jahres die Strompreise in Berlin um 6,5% angehoben hat, folgten zum Jahresbeginn erneute Preissteigerungen beim Berliner Wasser und Erdgas. Berliner Haushalte müssen bei den Kosten für Energie und Wasser im Vergleich mit anderen Großstädten wesentlich tiefer in die Tasche greifen. Inzwischen fordert sogar die Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) die Zerschlagung der Energie-Monopole.

Während die Berliner Wasserbetriebe die Tarife beim Trinkwasser zum 1. Januar minimalst absenkten, erhöhten sie das Schmutzwasserentgelt umso kräftiger, sodass mit einem Aufschlag von fast 2% als Resultat die fünfte Preiserhöhung seit 2003 herauskam. Die nächste Betriebskostenabrechnung könnte aber auch noch eine andere Überraschung bereithalten.

Aufspaltung des Wasserpreises in Mengen- und Grundpreis

Denn nach der Aufspaltung der Tarifkalkulation in Mengen- und Grundpreise im Juli 2007 (MieterEcho berichtete) werden letztere erstmals in den kommenden Abrechnungen zu Buche schlagen. Da sich der Grundpreis aus dem Wasserverbrauch und der Zählergröße ergibt, wird die Überprüfung der Betriebskostenabrechnung und das Erkennen der Preiserhöhungen entsprechend schwieriger. Um die Wasserabrechnung dennoch einer kritischen Betrachtung unterziehen zu können, müssen Mieter/innen einen Blick auf die Wasseruhr in ihrer Wohnung oder im Keller werfen. Auf dem Zifferblatt entdecken Sie die Einheit Qn und eine Zahlenangabe, z.B. 2,5 oder 6, die den maximalen Durchfluss von Kubikmetern pro Stunde (m3/h) angibt. Mit Hilfe der aktuellen Tariftabellen der Wasserbetriebe, die den Qn-Wert ausweisen, können Sie sich nun an die Prüfung der Abrechnung machen. Bedacht werden sollte zudem, ob der Zähler möglicherweise zu groß ausgelegt ist, da sich in diesem Fall der Grundpreis kräftig erhöhen kann.

Ähnlich wie beim Wasser steigen in schöner Regelmäßigkeit auch die Preise für Gas. Angelehnt an die Ölpreise bescheren sie den Verbrauchern saftige Rechnungen und den Konzernen kräftige Gewinne. Nach Berechnungen des Bunds der Energieverbraucher sind die Gewinne der Gaswirtschaft bei den Haushaltskunden allein in 2007 um drei Milliarden Euro gestiegen. Um die Quelle üppiger Gewinne für die Zukunft abzusichern, hat die GASAG, deren Anteile die Konzerne Vattenfall (31,575%), Gaz de France (31,575%) und Thüga (36,85%) halten, die Preise um durchschnittlich 7,5% angehoben. Begründet wurde das Drehen an der Preisschraube mit steigenden Bezugskosten für das Erdgas. Dies ist wenig glaubhaft, wie der Bund der Energieverbraucher bemerkt, schließlich seien gegenüber 2006 die Importpreise gesunken. Zudem versichern Gaskonzerne wie E.ON-Ruhrgas immer wieder, dass ihre langfristigen Lieferverträge mit Förderunternehmen wie Gazprom eine gewisse Preisstabilität gewährleisten würden.

Scheinwettbewerb

Private Haushalte haben, trotz der versprochenen Vorzüge des liberalisierten Markts und Wettbewerbs, kaum Möglichkeiten, auf preisgünstigere Angebote zurückzugreifen. Als Mitte 2006 mit Klickgas der erste Wettbewerber in Berlin gegen die GASAG antrat, schien sich an der Monopolsituation etwas zu ändern. Dies war jedoch ein Trugschluss, da sich hinter dem Anbieter Klickgas die Deutsche Erdgashandels GmbH verbirgt. Diese ist jedoch eine Tochtergesellschaft der Thüga, die ihrerseits den größten Anteil an der GASAG hält. Da die Thüga eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von E.ON-Ruhrgas ist, wird der Berliner Gasmarkt weitestgehend von Europas größtem Energiekonzern beherrscht. Bei dem propagierten Wettbewerb handelt es sich schlicht um einen Scheinwettbewerb.

Auf dem Strommarkt findet sich nahezu die gleiche Situation: Vier Großkonzerne (E.ON, RWE, EnBW, Vattenfall) beherrschen den Markt und bestimmen die Preise. So haben zum 1. Dezember 2007 bundesweit mehr als 300 Versorger unter Verweis auf steigende Bezugskosten und die Entwicklung an der Leipziger Strombörse ihre Tarife erhöht. Dass diese Begründungen nicht plausibel seien, kritisiert unter anderem der Präsident des Bundeskartellamts Bernhard Heitzer. Zum einen würden die Beschaffungskosten allenfalls ein Drittel der Verbraucherpreise ausmachen, zum anderen seien die Notierungen an der Strombörse von den Versorgern selbst beeinflusst, weil diese dort gleichzeitig als Käufer und Verkäufer auftreten würden.

IHK und Bundeskartellamt fordern Enteignung

Daneben gebe es Hinweise auf Preisabsprachen, wie Bernhard Heitzer im November 2007 in einem Interview gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung bemerkte: "Wir haben im Rahmen einer Durchsuchung mit der EU-Kommission im Mai 2006 Belege für Absprachen zwischen insbesondere E.ON und RWE gefunden. Diese haben wir für das Fusionsverfahren E.ON/Eschwege vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verwendet. Es konnte klar belegt werden, dass E.ON und RWE ein marktbeherrschendes Duopol innehaben." In Einklang mit Vorschlägen der EU-Kommission (s.o.), drohte Heitzer gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung die Möglichkeit an, die Energiekonzerne zu zwingen, ihre milliardenschweren Beteiligungen an den Stadtwerken zu verringern. "Wir brauchen eine Obergrenze für den zulässigen Verflechtungsgrad. Der hohe Beteiligungsbesitz der Energiekonzerne ist eines der größten Hindernisse für mehr Wettbewerb auf den Endkundenmärkten."

Von der durch die "großen Vier" dominierten Struktur des Energiemarkts ist auch das Handwerk und die lokale Industrie betroffen. Die Lobbyverbände haben sich aus diesem Grund ungewöhnlich klar gegen die Konzernmacht in positioniert. In einer gemeinsam herausgegebenen Studie fordern die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer "Eingriff in das Eigentum der Oligopolisten", wie ihn Artikel 14 des Grundgesetzes (s. u.) vorsieht. Der Berliner Senat wird deshalb aufgefordert, "sich auf Bundesebene für einen Zwangsverkauf von Kraftwerkskapazitäten und einen Baustopp für die ‚großen Vier'" einzusetzen. Mit diesen Maßnahmen sollten nach Ansicht der IHK private Investoren in die Lage versetzt werden, sich gegen die übermächtige Konkurrenz zu behaupten.

Kommunale statt private Lösung

Vor dem gleichen Hintergrund kommen die Stadtwerke München allerdings zu einem ganz anderen Ergebnis. Entgegen der Vorstellung des Kartellamts und der Industrie argumentieren die Stadtwerke, dass nicht die private Wirtschaft das Problem steigender Preise beseitigen könne, sondern nur die kommunalen Unternehmen. Denn es sei interessant, in welchen Städten die Verbraucher am tiefsten in die Tasche greifen müssten. In einer Vergleichsstudie zu den Preisen für Strom, Gas und Wasser in Großstädten stellen die Münchener Stadtwerke fest, dass der Durchschnittshaushalt in Düsseldorf wie auch in Berlin rund 130 Euro pro Jahr mehr zu zahlen hat als in München. In Essen sind es rund 136 Euro und in Stuttgart sogar 184 Euro mehr. Zu den teuersten Städten gehören laut der Studie eben jene, wo die Stadtwerke vor einigen Jahren an große Energiekonzerne verkauft wurden. Der Großstadtvergleich beweist also: "Der kommunale Einfluss sichert eine preisgünstige und sichere Versorgung mit Strom, Erdgas und Trinkwasser. Die Zeche für den Verkauf von kommunalen Unternehmen zahlen die Bürger in Form von wesentlich höheren Preisen." Die Berliner/innen können ein Lied davon singen.

Die EU-Kommission zwischen Wettbewerb und Global Playern

Eine Betrachtung der EU-Energiepolitik offenbart einen fundamentalen Widerspruch. Denn die EU-Politik fördert das Entstehen transnationaler europäischer Großkonzerne, damit sich diese auf dem Weltmarkt durchsetzen können. Der frühere EU-Kommissar für Industrie und Unternehmen, Günter Verheugen (SPD), sprach in dieser Funktion davon, dass Europa "supranationale Weltmarktführer" brauche, da Europa "nicht um den Aufstieg in die zweite Bundesliga" spiele, sondern um die Weltmeisterschaft. Die Macht der "großen Vier" ist also ein Resultat der europäischen Großmachtbestrebungen.

Da Deutschland inzwischen Europameister bei den Energiepreisen ist, betrachtet die EU-Kommission insbesondere den deutschen Energiemarkt mittlerweile mit großer Skepsis und will die Macht der Konzerne brechen. Es sei an der Zeit, "dass Privathaushalte und Unternehmen endlich in den Genuss der Vorteile eines wettbewerbsorientierten Energiemarkts mit freier Auswahl des Versorgers und faireren Preise kommen", so die EU-Wettbewerbskommissarin Kroes. Die Europäische Kommission schlägt deshalb die Trennung der Erzeugung und Versorgung vor. "Das Eigentum und der Betrieb der Netze sollten ‚entflochten' werden. Hier geht es um die Trennung des Betriebs der Strom- und Gasnetze von den Versorgungs- und Erzeugungstätigkeiten. Wie aus den Vorschlägen klar hervorgeht, favorisiert die Kommission die Option der eigentumsrechtlichen Entflechtung, bei der ein Unternehmen nicht mehr gleichzeitig sowohl Eigentümer der Übertragungsnetze als auch Energieerzeuger oder Energieversorger sein darf."

Die zur Expansion auf den Weltmärkten geförderte Macht der Monopole zeitigt überdeutlich ihre negativen Folgen - und das vor der eigenen Haustür. Diese Macht soll nun wieder beschnitten werden, und die neoliberalen Generalstäbe der EU zieren sich nicht, hierfür sogar das heilige Sakrileg des Eigentums in Frage zu stellen.

Grundgesetz

Artikel 14

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Artikel 15

Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.

Attac-Kampagne gegen die "groSSen Vier"

Im Januar startete Attac eine bundesweite Kampagne gegen die vier großen Energiekonzerne. Ziel der Kampagne ist "die Enteignung, Zerlegung und Überführung in kleinere Einheiten unter demokratischer Kontrolle", wie es in einer Presseerklärung heißt. Mit den vier Energieriesen sei weder wirksamer Klimaschutz noch eine sozialen Kriterien entsprechende Stromversorgung möglich. So würden jährlich 800.000 Haushalten Strom und Gas abgestellt, weil die hohen Energiekosten nicht mehr zu bezahlen seien.

Im Rahmen der Kampagne sollen die Möglichkeiten der Enteignung bzw. der Vergesellschaftung, wie es Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes (siehe oben) vorsehen, geprüft werden. Eine andere Welt und auch Enteignungen sind nämlich durchaus möglich.

Eine an die Konzerne zu zahlende Entschädigung sei dabei kein unlösbares Problem, wie der Rechtsanwalt und Attac-Aktivist Roman Denter bei einer Informationsveranstaltung im Januar erläuterte. Eine Vergesellschaftung nach Artikel 15 bietet dem Gesetzgeber die Möglichkeit, die Wertermittlungsmethode frei zu wählen, sodass die Entschädigung nicht an den Verkehrswert gebunden ist. Schlussendlich komme es aber vor allem auf den politischen Willen an und diesem soll mit der Kampagne nachgeholfen werden.

Informationen zur Kampagne unter: www.attac.de/energiekonzerne/cms

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