MieterEcho 326/Februar 2008: Stadterneuerung lohnt sich vor allem für Investoren

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MieterEcho 326/Februar 2008

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Stadterneuerung lohnt sich vor allem für Investoren

Erkenntnisse aus dem 25. Berliner Stadterneuerungsbericht

Andrej Holm

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung veröffentlicht alle zwei Jahre ihren sogenannten Stadterneuerungsbericht. In diesen Berichten legt die Senatsverwaltung Rechenschaft über die Verwendung öffentlicher Mittel im Bereich der Stadterneuerung ab und gibt Auskunft über den Durchführungsstand in den Sanierungsgebieten. Der kürzlich publizierte 25. Stadterneuerungsbericht dient dem MieterEcho als willkommener Anlass für eine Zwischenbilanz in Sachen Stadterneuerung.

An zentraler Stelle der Stadterneuerung stehen die Sanierungsgebiete. Seit Anfang der 90er Jahre wurden 22 Areale mit insgesamt fast 80.000 Wohnungen als Sanierungsgebiete förmlich festgelegt. Dort gibt ein besonderes Städtebaurecht den bezirklichen Bauverwaltungen weitreichende Handhabe bei der Genehmigung und Steuerung von Modernisierungsmaßnahmen. Den Eigentümern gewährt der Status eines Sanierungsgebiets Steuererleichterungen und den Zugang zu Fördermitteln. Auch wenn die Sanierungssatzungen lange Zeit von sozialen Sanierungszielen geprägt waren, ist die vorrangige Aufgabe der Sanierungsgebiete die bauliche Erneuerung des Wohnungsbestands, die Aufwertung des Wohnumfelds sowie die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur. Für Ende 2005 weist der aktuelle Stadterneuerungsbericht einen Erneuerungsstand von 50.000 sanierten Wohnungen aus - das entspricht knapp zwei Dritteln der ursprünglichen Planung.

Trotz des noch erheblichen Erneuerungsbedarfs in den Sanierungsgebieten hält die Senatsverwaltung an ihren Plänen zur Aufhebung der Sanierungsgebiete fest. So liefen Ende 2007 die Sanierungssatzungen in den Sanierungsgebieten Spandauer Vorstadt (Mitte), Samariterviertel (Friedrichshain) und Kaskelstraße (Lichtenberg) aus. Ende 2008 werden auch die Sanierungssatzungen für den Kollwitzplatz (Prenzlauer Berg), die Rosenthaler Vorstadt (Mitte), Weitlingstraße (Lichtenberg) und Niederschöneweide (Treptow) aufgehoben. Die Aufhebung der anderen Sanierungsgebiete soll spätestens in den Jahren 2009/2010 folgen.

Aufhebung der Sanierungssatzungen beschlossen

Die Aufhebung der Sanierungsatzungen ist insofern konsequent, als dass mit der Aussetzung der Förderprogramme und der juristischen Aufhebung der Mietobergrenzen schon jetzt nur noch wenige Steuerungspotenziale zur sozialen Gestaltung der Erneuerung zur Verfügung stehen. Bereits 2005 vollzog die Senatsverwaltung auch auf programmatischer Ebene eine Wende in der Sanierungspolitik und formulierte neue Leitsätze der Stadterneuerung. Dort heißt es unter anderem: "Die erforderliche Erneuerung der Altbausubstanz kann nur durchgeführt werden, wenn Eigentümerinvestitionen aktiviert und die Maßnahmen verstärkt durch privates Kapital finanziert werden." Konkret bedeutet dies, dass "die Finanzierung der Baumaßnahmen (...) allein Sache der privaten Investoren" ist. Die Aufgabe der Stadterneuerung besteht demnach darin, Modernisierungsinvestitionen zu unterstützen, die Eigentümer zu beraten und "ein positives Investitionsklima" zu fördern. Entsprechend weich werden die sozialen Sanierungsziele bestimmt. Zwar soll die Stadterneuerung auch weiterhin gewährleisten, dass "die angestammte Wohnbevölkerung (...) im Gebiet ansässig bleiben kann", doch wie dies durchzusetzen sei, wird bewusst offen gehalten. Mehr noch: Die Stadterneuerung zieht sich aus der Verantwortung für das soziale Sanierungsziel zurück und beschränkt sich auf die moderierende Begleitung durch Sozialplanverfahren. Die sozialen Ziele, so die neuen Leitsätze, "sind allein durch die Anwendung öffentlich-rechtlicher Genehmigungsvorbehalte (§§ 144, 145 BauGB) nicht lösbar".

Millionengeschäft Sanierung

Dass sich private Investitionen in Sanierungsgebieten auch ohne Sonderabschreibungsbedingungen lohnen, zeigt ein Blick auf die besondere steuerliche Förderung in Sanierungsgebieten. Nach § 7 h Einkommensteuergesetz können in den ersten acht Jahren 9% und in den folgenden vier Jahren bis zu 7% der Kosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen abgesetzt werden. Die dafür von den Bezirken ausgestellten Bescheinigungen nach § 7 h des Einkommensteuergesetz geben Einblick in den finanziellen Aufwand der Sanierungsarbeiten. Allein im Zeitraum 2000 bis 2003 wurden solche § 7 h-Bescheinigungen für 10.683 Wohnungen und einen Gesamtaufwand von über 850 Millionen Euro beantragt. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor, jedoch zeigen die angemeldeten Herstellungskosten, dass knapp 80.000 Euro je Wohnung für Modernisierung und Instandsetzung ausgegeben werden. Dieser Betrag kann von den Investoren als Steuerabschreibung in das Finanzierungskonzept der Erneuerungsmaßnahmen einberechnet werden. Auch ohne Fördermittel - die Modernisierung in Sanierungsgebieten bleibt ein lohnendes Geschäft.

Ein Blick zurück ...

Angesichts der bevorstehenden Aufhebung der Sanierungsgebiete erscheint es sinnvoll, mit den Stadterneuerungsberichten auf das Sanierungsgeschehen der letzten Jahren zurückzublicken. Im Durchschnitt wurden in den Sanierungsgebieten jährlich knapp 4000 Wohnungen erneuert. Das entspricht etwa 5% des Wohnungsbestands in den Gebieten. Doch ein Blick auf die Chronologie der Sanierung zeigt, dass gerade in den 90ern das Sanierungstempo höher war. Von Fördergeldern und Sonderabschreibungsbedingungen angefeuert, wurden jährliche Modernisierungsraten von 7% erreicht - die Vergleichswerte für die Zeit seit 2002 liegen bei lediglich 3% des Gesamtbestands.

Doch nicht nur bei der zeitlichen, sondern auch bei der räumlichen Verteilung der Sanierungen zeichnen sich Schwerpunkte ab. So konzentrierte sich die Stadterneuerung zu Beginn der 90er Jahre auf die Sanierungsgebiete in Mitte. Dort wurde in nur fünf Jahren (1993 - 97) ein Erneuerungsstand von fast 40% erreicht. In der Spandauer Vorstadt, dem Gebiet am Hackeschen Markt, betrug der Durchführungsstand nach nur fünf Jahren Sanierungsgebiet sogar schon über 50%. Die Vergleichswerte für die großen Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg und Friedrichshain lagen zu diesem Zeitpunkt überwiegend zwischen 20 und 30%.

Um die Jahrtausendwende konzentrierte sich das Sanierungsgeschehen vor allem auf die Sanierungsgebiete in Prenzlauer Berg und Friedrichshain sowie die kleineren Erneuerungsgebiete in Treptow und Köpenick. Mit Erneuerungsraten von 10% des Wohnungsbestands wurde dort ein hohes Sanierungstempo angeschlagen. Das höchste Sanierungstempo in den letzten Jahren - bei einer insgesamt festzustellenden Verlangsamung der Sanierungsprozesse - verzeichnete das Sanierungsgebiet Wollankstraße in Pankow.

... und ein Blick in die Zukunft

In den nächsten Jahren werden sich die Erneuerungsmaßnahmen auf die Nachzügler der bisherigen Sanierungsdynamik konzentrieren. Vor allem in den Sanierungsgebieten Beusselstraße und Stephankiez in Tiergarten und im Komponistenviertel in Weißensee besteht noch ein erheblicher und umfassender Erneuerungsbedarf von knapp 25% des Wohnungsbestands. Der durchschnittliche Erneuerungsbedarf für umfassende Maßnahmen liegt für alle Sanierungsgebiete bei unter 15% - das entspricht knapp 12.000 Wohnungen. Darüber hinaus weist der Stadterneuerungsbericht fast 17.000 Wohnungen mit einem geringen und mittleren Sanierungsbedarf aus. Die größte Anzahl noch unsanierter Wohnungen findet sich in den Sanierungsgebieten in Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Lichtenberg. Auch knapp 15 Jahre nach Festlegung und kurz vor der geplanten Aufhebung der Sanierungsgebiete gibt es ein enormes Modernisierungspotenzial in diesen Gebieten. Insbesondere in den attraktiven Lagen droht nun eine weitgehend ungeschützte Sanierung. Allein in den innerstädtischen Sanierungsgebieten von Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain betrifft dies etwa 20.000 Wohnungen oder ein Drittel des Bestands. Wo sich bereits in den letzten Jahren die Aufwertung durchgesetzt hat, wird auch nach Aufhebung der Sanierungsatzungen ein erheblicher Veränderungsdruck von Modernisierungsarbeiten ausgehen. Ob die von den Bezirken angekündigte Fortsetzung der Mieterberatungstätigkeit - über die Fristen der Sanierungssatzungen hinaus - ausreichenden Schutz vor Verdrängung bieten wird, darf bezweifelt werden. Schon jetzt gewinnen die Auseinandersetzungen zwischen modernisierungswilligen Investoren und Mieter/innen an Schärfe. Die Praktiken der Profi Partner AG in Prenzlauer Berg sind hierfür nur ein Beispiel.

Stadterneuerungsberichte im Internet:

www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/stadterneuerung/de/berichte.shtml


Tabelle: Sanierung 1993 bis 2005

Sanierungsgebiet

Ein Sanierungsgebiet ist ein abgegrenztes Gebiet, in welchem durch die Gemeinde städtebauliche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Die Rechtsgrundlage hierfür ist das Baugesetzbuch (BauGB). § 136 Abs. 2 BauGB definiert: "Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird. Städtebauliche Missstände liegen vor, wenn

1. das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht oder

2. das Gebiet in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen."

Das Sanierungsrecht gilt als das schärfste Schwert des Baugesetzbuchs, da es zu erheblichen Eingriffen in das Grundeigentum führt. In die Grundbücher aller Gebäude innerhalb eines förmlich festgelegten Sanierungsgebiets wird ein Sanierungsvermerk eingetragen. Die Genehmigungspflicht für bauliche und auch rechtliche Veränderungen an Gebäuden und Grundstücken wird stark ausgeweitet. Auch können Modernisierungs- und Instandsetzungsgebote (auf Kosten des Hauseigentümers) verhängt werden.

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