MieterEcho 325/Dezember 2007: Privatisierung am Mariannenplatz gestoppt

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MieterEcho 325/Dezember 2007

Quadrat PRIVATISIERUNG

Privatisierung am Mariannenplatz gestoppt

Wenn die DEGEWO von der WBM rund 1000 Wohnungen am Kreuzberger Mariannenplatz übernimmt, bleiben diese in öffentlicher Hand

Christoph Villinger

Große Aufregung am Kreuzberger Mariannenplatz! Seit im Sommer bekannt wurde, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBM mitten im zweitärmsten Quartier der Stadt weitere 1000 Wohnungen privatisieren wollte, schauten die Mieter/innen misstrauisch auf alle Krawattenträger, die mit Fotoapparaten durch die Höfe der drei Wohnblöcke zogen. Doch nach kurzer heftiger Gegenwehr scheint Entwarnung angesagt.

Seit die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBM und ihre Tochtergesellschaft Bewoge in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, müssen sie einen Teil ihres Bestands verkaufen. Grund dafür waren Managementfehler, aber auch der Druck aus der Politik, wirtschaftlich unsinnige Projekte wie die Rathauspassagen am Alexanderplatz zu realisieren. Schlagzeilen machten in den letzten Jahren bereits die Verkäufe im Kreuzberger Waldekiez an einzelne Investoren. Dort konnten dieses Jahr in letzter Minute noch etwa 200 Wohnungen von einer Genossenschaft vor dem Verkauf an private Großinvestoren gerettet werden.

Nun stehen die in den 70er Jahren im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus errichteten drei Neubaublöcke mit den Nummern 77, 79 und 100 rund um den Mariannenplatz zum Verkauf. Damals herrschte in Kreuzberg die Abrissbirne, die Altbauten wurden straßenweise abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Heute wohnen in den drei Häuserblöcken zu fast 80% Menschen, die von staatlichen Transferleistungen leben. Laut dem Sozialstrukturatlas von 2005 belegt das Gebiet rund um den Mariannenplatz den vorletzten Platz von ganz Berlin, fast nirgends ist die Arbeitslosenquote höher und das Durchschnittseinkommen niedriger. Trotzdem sind die Sozialmieten aufgrund des Förderabbaus schon recht hoch. Deshalb forderte der Mieterrat in einem Schreiben an verschiedene Politiker, dass bei einem Verkauf zumindest ein umfassender Kündigungsschutz, der Ausschluss von Luxusmodernisierungen und Eigenbedarfskündigungen sowie eine Mietpreisentwicklung gemäß dem Berliner Mietspiegel festgelegt wird. Für Ende November ruft nun der Mieterrat zu einer großen Versammlung ins Ballhaus Naunynstraße. Eingeladen sind neben Bezirksbürgermeister Franz Schulz (B 90/Grüne) auch Vertreter des Senats und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften WBM und DEGEWO.

Dass auch die DEGEWO eingeladen wurde, bestätigt die Informationen, die das MieterEcho auch von anderer Seite erhalten hat. Die etwa 1000 Wohnungen rund um den Mariannenplatz sollen nun doch nicht privatisiert, sondern von der DEGEWO übernommen werden. Mit etwas wohlwollender Fantasie konnte man dies auch Ende September aus der Antwort von Ingeborg Junge-Reyer (SPD), Senatorin für Stadtentwicklung, auf eine kleine Anfrage des grünen Abgeordneten Andreas Otto herauslesen. Darin deutete Junge-Reyer den Verkauf "an eine Schwestergesellschaft" an, bei der sich "für die Mieter und Mieterinnen nichts verändern würde". Die Sprecherin der DEGEWO, Erika Kröger, wollte dies allerdings gegenüber dem MieterEcho "nicht kommentieren". Auch Steffi Pianka, Sprecherin der WBM, berichtete nur von "sehr positiv verlaufenden Verkaufsverhandlungen, mit wem auch immer". Mehr wollte sie noch nicht sagen.

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