MieterEcho 325/Dezember 2007: "Stadtumbau Ost" für die neue Mitte

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MieterEcho 325/Dezember 2007

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"Stadtumbau Ost" für die neue Mitte

Die wohnungswirtschaftlichen Effekte eines Stadtentwicklungsprogramms: Entsorgung der Platte und Aufwertung im Zentrum

Andrej Holm

Unter dem Titel "Stadtumbau Ost" verbirgt sich eines der größten staatlich organisierten Abrissprogramme in der Geschichte der Wohnungspolitik. Zwischen 2002 und 2009 sollen in Ostdeutschland bis zu 350.000 Wohnungen abgerissen werden. Was von der Wohnungswirtschaft als Marktbereinigung verstanden wird, ist aus der Perspektive der Bewohner/innen und der Stadtplanung oftmals eine Katastrophe. In Berlin wird zwar weniger abgerissen als in anderen ostdeutschen Städten, doch das Stadtumbauprogramm führt auch hier vor allem zu steigenden Mieten.

Das Bund-Länder-Programm "Stadtumbau Ost" wurde 2002 als Teil der Städtebauförderung eingeführt. Mit dem Stadtentwicklungsprogramm sollen die mit den Schrumpfungsprozessen einhergehenden Herausforderungen in den Städten Ostdeutschlands bewältigt werden. So sind insbesondere für die Alterung und den Rückgang der Bevölkerung sowie für die veränderten Bedarfs- und Angebotslagen in allen möglichen Lebensbereichen städtebauliche Lösungen zu finden. Als zentrale Instrumente des Programms wurden direkte Fördermittel, Darlehen und fachliche Unterstützung für den Rückbau und die Aufwertung von Wohngebieten bereitgestellt. Doch trotz der umfassenden stadtentwicklungspolitischen Orientierung an einer "integrierten Stadtentwicklung" konzentrierte sich die Praxis des Stadtumbaus vor allem auf Abrissmaßnahmen.

Aus einer vom Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung herausgegebenen Zwischenbilanz geht hervor, dass in den ersten fünf Jahren der Programmlaufzeit fast 200.000 Wohnungen abgerissen wurden. Der Großteil dieser Abrisse erfolgte in den Großsiedlungsbeständen.

Die aus dem Programm finanzierten Aufwertungsmaßnahmen hingegen wurden überwiegend in den Altbauvierteln der Städte realisiert. In diesen Gebieten lag der Schwerpunkt auf der Sanierung des Gebäudebestands und in der Verbesserung des Wohnumfelds, während sich in den Großsiedlungen die Aufwertungsmaßnahmen vor allem auf die Nachnutzung der Abrissflächen konzentrierten.

Gespaltenes Förderprogramm

Aus einer wohnungswirtschaftlichen Perspektive muss der Stadtumbau also als ein gespaltenes Programm von Abrissmaßnahmen in den Großsiedlungen und der Aufwertung der innerstädtischen Altbaubestände beschrieben werden. Diese stadträumliche Disparität des Umbaus spiegelt zugleich die unterschiedliche Ausrichtung des Programms für öffentliche und private Eigentümer wider. Während sich die Wohnungsbestände des DDR-Wohnungsbaus überwiegend im Eigentum von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften befinden, dominiert in den Altbauvierteln der private Immobilienbesitz. Mithin sind durch das Stadtumbau-Programm überwiegend öffentliche Wohnungsbaugesellschaften vom Abriss ihrer Siedlungsbestände betroffen, während mehrheitlich private Eigentümer von der Aufwertungsförderung der Altbauten profitieren. Dieses Missverhältnis von Aufwertung und Rückbau ist jedoch nicht nur ein Ausdruck für die innenstadtorientierten Fantasien der Stadtplanung, sondern eine Auswirkung des besonderen Fördersystems des Rückbaus.

"Altlastentsorgung" des DDR-Wohnungsbaus

Mit bis zu 60 Euro/qm Wohnfläche werden im Programm Wohnungsrückbauten gefördert. Dies entspricht einer Fördersumme von weniger als 2500 Euro je Wohnung und somit in etwa den technischen Kosten und logistischen Aufwendungen für den Abriss von Wohnungen. Aus der Perspektive einer Wohnungsbaugesellschaft also kein wirklicher Anreiz. Auch die prognostizierte Verringerung des Leerstands würde eher für eine abwartende Haltung in Sachen Rückbau sprechen, denn wohnungswirtschaftlich rational wäre das Warten auf Mitnahmeeffekte: Statt die eigenen Wohnungen abzureißen, würde man auf die Abrissmaßnahmen der Konkurrenz setzen und darauf hoffen, die dann steigende Nachfrage mit einem möglichst großen Wohnungsbestand bedienen zu können. Die intensive Inanspruchnahme der Rückbauförderung ist also wohnungswirtschaftlich kaum zu erklären, sondern auf die speziellen Bedingungen ostdeutscher Wohnungsunternehmen zurückzuführen. Insbesondere die kommunalen Wohnungsbaugenossenschaften und auch die ehemaligen Arbeiterwohngenossenschaften (AWG) sind noch immer mit sogenannten Altschulden belastet, die auf die Übertragung der DDR-Wohnungsbau-Ausgaben zurückgehen. Mit dem Abriss von Wohnungen wird im Rahmen des Förderprogramms eine entsprechende Reduzierung dieser Altschulden gewährt. Damit haben die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften und auch die altschuldenbelasteten Genossenschaften einen zusätzlichen Anreiz für den Abriss. Die wohnungswirtschaftlich wenig attraktiven Maßnahmen des Stadtumbaus konzentrieren sich daher auf die öffentlichen und genossenschaftlichen Bestände, während die Vorteile einer gewünschten Marktbereinigung vor allem privaten Wohnungsanbietern zugutekommt.

Abrisse auch in Berlin

Die Zahl der in Berlin bewilligten Rückbaumaßnahmen liegt bei 4300 Wohnungen. Allein für die Förderjahre 2004 und 2005 wurden Fördermittel in der Höhe von 8,88 Millionen Euro für den Abriss von 3600 Wohnungen genehmigt. Obwohl dies im Vergleich zu den Rückbauquoten der anderen ostdeutschen Bundesländer gering erscheint, spiegeln sich auch in Berlin die wohnungspolitischen Auswirkungen des Programms wider. Der Großteil der etwa 2850 bisher in Berlin abgerissenen Wohnungen gehörte zu den Beständen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Die WBG Marzahn hat bisher an vier Standorten insgesamt 2230 Wohnungen abgerissen. An der Marchwitzastraße, Oberweisbacher Straße, Karl-Holtz-Straße und Havemannstraße wurden zwei Doppelhochhäuser und drei Elfgeschosser komplett abgerissen. In der Havemannstraße in Marzahn-Nord-West wurde ein sogenannter Teilrückbau durchgeführt - die "Ahrensfelder Terrassen" gelten dabei als Vorzeigeprojekt des Stadtumbauprogramms (siehe nachfolgenden Beitrag). Durch den Abriss von über 1200 Wohnungen entstanden 409 hochwertige Miet- und 38 Eigentumswohnungen. Die Eigentumsquote im Stadtumbauprojekt "Ahrensfelder Terrassen" liegt mit knapp 10% deutlich über dem bezirklichen Durchschnitt. Der Stadtumbau ist damit auch ein Motor für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Die Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf hat in der Klausdorfer Straße, Mittenwalder Straße und Zossener Straße insgesamt 613 Wohnungen im Rahmen des Stadtumbauprogramms abgerissen.

Die wohnungswirtschaftlichen Effekte des Abrisses dieser nicht einmal 3000 Wohnungen auf den gesamtstädtischen Wohnungsmarkt sind nur gering - für die Leerstandsquote in Marzahn-Hellersdorf bedeuten diese Abrisse eine Verringerung um etwa 1%. Der aktuelle Leerstandsanteil liegt bei knapp 7,5% aller Wohnungen im Bezirk. Die Mieten in den Großsiedlungen haben sich auf ein Berliner Durchschnittsniveau erhöht. Die Gründe für diese Mietsteigerungen sind jedoch weniger auf den Rückbau als auf die inzwischen weitgehend erfolgten Sanierungsmaßnahmen in den Plattenbauten zurückzuführen, denn wie alle Modernisierungsmaßnahmen sind auch die Stadtumbausanierungen mit Mieterhöhungen verbunden.

Aufwertungsmaßnahmen für die westdeutsche Mittelklasse

Die in 2004 und 2005 im Rahmen des Stadtumbauprogramms für die Aufwertungsmaßnahmen freigestellten Mittel übertreffen mit 20 Millionen Euro die Fördersummen für den Rückbau (8,8 Millionen Euro) deutlich. Doch anders als bei den Abrissmaßnahmen fließt fast die Hälfte dieser Gelder in die innerstädtischen Sanierungsgebiete und das Innenstadtrandgebiet Ostkreuz. Mit den Stadtumbaumitteln sollten die Stadterneuerungsziele in den Sanierungsgebieten verstärkt und unterstützt werden. Aus der Perspektive der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sind dies "Synergieeffekte durch die Bündelung von Fördermitteln". Im aktuellen Sanierungsbericht heißt es dazu: "Aufgrund des Zuzugs von jungen Haushalten mit Kindern und der Tendenz zur Etablierung jüngerer, aktiverer und sozial stärkerer Bewohnergruppen in diesen Quartieren (insb. in Prenzlauer Berg, Mitte, Friedrichshain) unterstützt Berlin mit Mitteln des Stadtumbaus die Verbesserung der kinder- und jugendbezogenen Infrastruktur in diesen Gebieten".

Die eigentlichen Ziele des Stadtumbauprogramms werden damit auf den Kopf gestellt. Statt städtebauliche Lösungen für die Alterung und Schrumpfung der städtischen Bevölkerung zu fördern, werden Aufwertungsmaßnahmen in Gebieten mit steigenden Einwohnerzahlen und einer zunehmend jungen Bevölkerungsstruktur durchgeführt. Die Gelder des Stadtumbaus werden so zur Ergänzungsfinanzierung für die Verbesserung der Infrastruktur und des Wohnumfelds in den Ostberliner Gentrifizierungsgebieten. Dass dabei die Fördergelder für den "Stadtumbau Ost" überwiegend Westdeutschen zugutekommen, ist nur eine weitere Absurdität der Förderpraxis in Berlin.

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