MieterEcho 325/Dezember 2007: Editorial

MieterEcho

MieterEcho 325/Dezember 2007

Quadrat EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

mit Wohnungsleerstand wird Politik gemacht, doch weniger mit tatsächlich leer stehenden Wohnungen als mit Leerstandsmeldungen. 156.000 leere Wohnungen sollen es sein, lässt uns der Senat wissen und so verkündet es auch der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) und die Medien. Das klingt dramatisch und wen kümmert es daher, dass diese Zahl nur an einem bestimmten Stichtag für Stromzähler ohne Stromlieferungsvertrag zutrifft. Mit solchen Zahlen lassen sich Abrisse rechtfertigen. Das bereinigt den Markt und darüber freuen sich die Investoren.

Wohnungen werden in Berlin schon seit Jahren nicht mehr gebaut. Der soziale Wohnungsbau, der nie wirklich sozial war, ist passé und folglich sind die Weichen gestellt für ein eigentümerfreundliches Klima. Der Handel mit Wohnungen, die einzige nennenswerte Aktivität auf dem Wohnungsmarkt, geht dennoch nicht so glatt, wie es vor wenigen Jahren den Anschein hatte. Schuld daran sind steigende Zinsen. Sie verhindern den Leverage-Effekt, der im Überschuss aus den Mieteinnahmen gegenüber den Kosten für das eingesetzte Fremdkapital besteht. Doch das lässt sich womöglich politisch ändern.

Seitdem das erste Hochhaus in der Marchwitzastraße im Jahr 2002 der Spitzhacke zum Opfer fiel, sind ihm weitere gefolgt. 4300 Wohnungen sollen insgesamt abgerissen werden. Empört hat es kaum, denn noch immer werden die "Leerstände" als unantastbarer Handlungsauftrag vorgeschoben und 'irgendwie müssen sich die Mieten schließlich in die Höhe treiben lassen'.

Politik in dieser Stadt orientiert sich schon seit Langem nur an kurzfristigen Kapitalinteressen. Die Folgen der Entscheidungen erreichen den Horizont der politischen Dienstleister im Senat und im Abgeordnetenhaus nicht mehr. Der ist versperrt durch den Blick auf den Erhalt der Mandate und die Pflege der Koalitionsfähigkeit möglichst aller Parteien mit allen anderen und da stören verbindliche Positionen entgegen dem alle einigenden neoliberalen Zeitgeist.

So wurden in den Ostberliner Innenstadtbezirken vor wenigen Jahren die Schulen stillgelegt, die Gebäude verkauft und jetzt fehlen den zugezogenen neuen Mittelschichten Schulplätze für ihre Sprösslinge. Wären es Kinder aus der Unterschicht, ließe sich das Problem 'übersehen', aber Mittelklasse-Kids haben artikulationsfähige Eltern und die gründen Bürgerinitiativen. Die MieterEcho-Redaktion neidet ihnen den Erfolg nicht, wünscht sich und den Leser/innen aber, dass sich im nächsten Jahr weniger besitzständische Eigeninteressen im Bildungsbereich formulieren und verspricht einen engagierten Beitrag dazu.

Doch zuvor wünschen wir allen Leser/innen ein frohes und gesundes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in das neue Jahr.

Ihr MieterEcho

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