MieterEcho 324/Oktober 2007: US-Immobilienkrise trifft die Unterschicht

MieterEcho

MieterEcho 324/Oktober 2007

Quadrat WOHNUNGSMARKT

US-Immobilienkrise trifft die Unterschicht

Hermann Werle

Die Immobilienkrise in den USA, die sich zu einer Krise der globalen Finanzmärkte ausweitete, bestimmte im August die Schlagzeilen. Der Focus machte sich Sorgen über den "Imageschaden für deutsche Banken", das Handelsblatt sieht in der Krise ein "Schlechtes Omen für den DAX" und der Berliner Finanzsenator Sarrazin warnte vor Auswirkungen der US-Immobilienkrise auf den Berliner Landeshaushalt. Die unmittelbar Betroffenen finden indes kaum Beachtung.

Millionen von Haushalten in den USA droht, dass sie in den nächsten Jahren ihre Eigenheime durch Zwangsversteigerungen verlieren. Denn hinter den Turbulenzen auf den globalen Finanzmärkten steckt eine gewaltige Verschuldungskrise der privaten Haushalte. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten reagierten die Währungshüter der staatlichen Notenbank nach den Anschlägen vom 11. September 2001 mit diversen Zinssenkungen, um einen größeren Einbruch der Wirtschaft zu verhindern. Niedrige Leitzinsen bedeuteten billige Kredite, die nun auch für Menschen mit niedrigen Einkommen unbegrenzte Möglichkeiten des Konsums zu ermöglichen schienen. Zwischen 2001 und 2005 wuchs die Verschuldung der US-Haushalte von 7,5 auf 12 Billionen Dollar (eine Zahl mit 12 Nullen). Ein großer Teil dieser Verschuldung lastet auf jenen, die eigentlich als nicht-kreditwürdig galten, die aber von Banken gezielt mit günstig erscheinenden Kreditangeboten angesprochen wurden: einfache Leute, deren Traum von den eigenen vier Wänden mit einem Mal zum Greifen nah war und deren hohe Mietbelastung ein Ende haben sollte. Doch die Kredite entwickelten sich mit wachsendem Zinsniveau bei gleichzeitig sinkenden Immobilienpreisen zu einem Stolperstein in die völlige Pleite, an deren Ende die Zwangsversteigerung und soziale Not steht. Bruce Marks, ein Aktivist aus Boston, wird in der Frankfurter Rundschau mit folgender Beschreibung zitiert: "Da sind die respektiertesten Finanzunternehmen des Landes gekommen und haben den Putzfrauen gesagt, macht euch keine Sorgen, das mit der Hypothek wird schon gehen. Sie haben gezielt Leute ohne jede Erfahrung in die Schuldenfalle gelockt. Sie haben sich wie habgierige Raubtiere auf das Geld und die Träume hart arbeitender Familien gestürzt. Die Leute an der Wall Street wussten genau, was da läuft."

Unbegrenzte Möglichkeiten sind nichts für "kleine Leute"

Dass sich ganz individuelle Schicksale in massenhaften Auftreten zu einer globalen Finanzkrise ausweiten konnten, liegt an den Geschäftspraktiken, die die Finanzmärkte in den letzten Jahren entwickelt haben. Die Verbindlichkeiten aus den einzelnen Krediten der Eigenheimerwerber werden von den Banken gebündelt und dann auf den Finanzmärkten als Wertpapiere, wie z.B. "Mortgage Backed Securities" (durch Hypotheken gesicherte Anleihen) gehandelt. Insgesamt beläuft sich das Volumen dieser Wertpapiere auf über acht Billionen Dollar. Und die einzige Sicherheit, die dieses hochspekulative Geschäft bietet, sind die dahinter verborgenen Immobilien und die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer. Deren Probleme mit steigenden Zins- und Tilgungsbelastungen bei gleichzeitigem Absinken der US-Immobilienwerte ließen immer mehr Kredite platzen. Schon zu Beginn des Jahres gerieten die ersten kleineren US-Kreditinstitute in Schwierigkeiten und Finanzexperten warnten vor einer größeren Krise, die seither ihren Lauf nahm. Während jedoch schwerwiegendere Krisenerscheinungen der Finanzmärkte und der globalen Ökonomie mit gigantischen Geldmengen der US-amerikanischen und europäischen Zentralbanken eingedämmt wurden, wird die soziale Krise ignoriert.

Zwar kündigte Präsident Bush Ende August an, Hausbesitzern mit "guter Kreditgeschichte" mit einem Hypotheken-Hilfsprogramm unter die Arme greifen zu wollen. Allerdings sei es nicht die Aufgabe der Regierung, Menschen aus der Klemme zu helfen, die sich bewusst gewesen seien, dass sie ihr Haus nicht würden finanzieren können. Dieser Zynismus eines Präsidenten macht eines sehr deutlich: Die "unbegrenzten Möglichkeiten" sind heute - wie in vergangenen Zeiten - nicht die Sache der "kleinen Leute".

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 324