MieterEcho 324/Oktober 2007: Ist die Wohnungsrenovierung doch Vermietersache?

MieterEcho

MieterEcho 324/Oktober 2007

Quadrat MIETRECHT AKTUELL

Ist die Wohnungsrenovierung doch Vermietersache?

Der Bundesgerichtshof schlägt sich bei Schönheitsreparaturen auf die Seite der Mieter/innen

Henrik Solf

Geht man nur nach dem Wortlaut des Gesetzes, so gehört die Erhaltung der Mietwohnung zu den zentralen Aufgaben des Vermieters. Er hat die Wasserhähne zu reparieren, die Graffiti im Treppenhaus zu beseitigen und - wenn nötig - die Wände zu tapezieren und zu streichen. Da das Gesetz aber auch durchaus Abweichungen zulässt und die Vermieter gemeinhin am längeren Hebel sitzen, wälzen letztere schon seit Jahrzehnten die Renovierungslast auf ihre Mieter ab.

Zunächst begnügten sie sich noch mit der einfachen Verpflichtung des Mieters zur Übernahme der Schönheitsreparaturen, wie die Juristen diese Renovierungsarbeiten nennen. Wegen des angespannten Wohnungsmarkts ließen sich seit Ende der 80er Jahre weitgehende Veränderungen zulasten der Mieter/innen recht einfach durchsetzen. In zunehmender Detailversessenheit feilten die Vermieter an ihren Klauseln und machten diese immer umfangreicher. Die Mieter/innen sollten nun unbedingt bestimmte Fristen einhalten, hatten sich an die Gestaltungsvorgaben des Vermieters zu halten (Raufaser, weiß!) oder mussten in jedem Fall bei Auszug die Wohnung nochmals renovieren. Sehr beliebt wurde auch die sogenannte Quotenklausel. Danach hat der Mieter bei Auszug - je nachdem wie lange nicht mehr renoviert wurde - anteilig die Kosten der nächsten noch nicht fälligen Renovierung zu übernehmen. Dabei spielte der tatsächliche Zustand der Wohnung keine Rolle. Die Vermieter wussten offenbar ihre Machtposition am Markt weidlich zu nutzen.

Das führte bei Mietern und Vermietern zu einem der beliebtesten Mietrechtsirrtümer überhaupt: Der Glaube, der Mieter habe die Wohnung bei Auszug in jedem Fall zu renovieren.

Viele Mietervertragsklauseln unwirksam

Doch in den letzten vier Jahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das Recht der Schönheitsreparaturen einer kompletten Revision unterzogen. Nur wenige der ausführlichen Klauseln in Mietvertragsformularen hielten dem kritischen Blick der obersten Zivilrichter stand. Mittlerweile ist die Zahl der Urteile allein zu diesem Problemkreis auch für Spezialisten kaum noch überschaubar. Sogar Klauseln, die der BGH noch vor zwei Jahren als wirksam durchgewinkt hatte, werden neuerdings als rechtswidrig angesehen. Derzeit darf daher wohl jede/r zweite Leser/in dieser Zeilen davon ausgehen, dass entgegen dem Wortlaut des eigenen Mietvertrags der Vermieter für die Renovierung seiner Wohnung zuständig ist. Denn wo es an einer wirksamen Vereinbarung fehlt, greift einfach wieder die gesetzliche Regelung.

Entsprechend laut war das Jammern im Vermieterlager. Hatte man gerade ein Urteil des BGH verarbeitet, kam schon die nächste Hiobsbotschaft aus Karlsruhe. Selbstverständlich beschäftigte man sich daraufhin intensiv mit der Frage, wie denn der erhebliche und unerwartete Rückschlag für die Vermieter auszugleichen sei. Ein mittlerweile recht verbreiteter Ansatz will den Verlust durch einen Zuschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete kompensieren. Dazu muss der Vermieter zunächst die Vereinbarung einer wirksamen Renovierungsklausel anbieten. Lehnt der Mieter dieses Angebot ab, erhält der Vermieter zusätzlichen Spielraum zur Mieterhöhung. Der für die Wohnung im einschlägigen Mietspiegel ausgewiesene Wert soll sich um einen Betrag X erhöhen. Dieser Zuschlag ist natürlich nur mit der Mieterhöhung durchsetzbar, wenn die gesetzliche Kappungsgrenze von 20% der Nettokaltmiete in drei Jahren nicht erreicht wird. Solche Überlegungen klingen durchaus plausibel. Denn der Vermieter bliebe gleichzeitig zur Renovierung der Wohnung verpflichtet.

Mieterhöhung, weil der Vermieter die Schönheitsreparaturen nicht abwälzen kann?

Diese Ansicht ignoriert jedoch einige wesentliche Punkte. Die allgemeinen Vertragsbestimmungen wurden von den Vermietern einseitig in die Vertragsverhandlungen eingebracht, ohne dass die Mieter/innen tatsächlich darüber verhandeln konnten. Die Vermieter müssen sich daher auch allein der Gefahr der Unwirksamkeit dieser Vertragsbestimmungen aussetzen. Die oben dargestellte Vorgehensweise reduziert aber das Risiko des Vermieters auf Null: Entweder ist die Klausel wirksam oder er kann eine kompensierende Vertragsanpassung verlangen. Dies widerspräche allerdings dem Grundsatz, dass das Risiko einer allgemeinen Vertragsbestimmung allein bei dem liegt, der sie in die Vertragsverhandlungen einbringt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie man den Zuschlag überhaupt berechnen will. Eine Ermittlung auf Basis der zu erwartenden Kosten der regelmäßigen Schönheitsreparaturen ist ebenso ausgeschlossen wie der Rückgriff auf kostenorientierte Pauschalen aus dem sozialen Wohnungsbau. Denn die ortsübliche Vergleichsmiete stellt ja keine Kostenmiete, sondern eine Marktmiete dar. Angesichts der derzeitigen chaotischen Vertragssituation wird sich zudem am Markt kein belastbarer Wert ermitteln lassen. Bei der Erhebung der Daten zum Berliner Mietspiegel 2007 konnte dieses Problem jedenfalls keine Rolle spielen.

Genossenschaft macht Vorstoß

Aus diesen Gründen ist die Verunsicherung bei den Vermietern auch weiterhin recht groß und man wartet gespannt auf einen neuen Urteilsspruch aus Karlsruhe. Doch einzelne Vermieter wagen sich aus der Deckung. Pikanterweise macht eine Genossenschaft dabei als eine der Ersten von sich reden. Die Berliner Baugenossenschaft bbg schrieb im Juli 2007 ihre Mieter/innen an. In dem Schreiben wurde zunächst behauptet, die Berliner Baugenossenschaft bbg sei durch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz zur Verwendung einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel verpflichtet gewesen. Was nicht ganz stimmt: Dieses Gesetz wurde 1990 aufgehoben, betrifft also die meisten aktuellen Mietverhältnisse nicht mehr. Der Genossenschaft sei es völlig unverständlich, dass die vorgefertigte Verpflichtung ihrer Mieter/innen, von der bisherigen Ausführungsart der Schönheitsreparaturen nicht abzuweichen, unwirksam sei. "Raufaser, weiß" erscheint diesen Herrschaften offenbar noch immer als alternativlos. Die Genossenschaft bat ihre Mieter/innen unter Hinweis auf drohende Ausfälle bei den Dividendenzahlungen und angebliche Verzögerungen bei Instandsetzung und Modernisierung des Wohnungsbestands um Zustimmung zur Änderung der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel. Anderenfalls sei mit einer zusätzlichen Mieterhöhung von etwa 0,74 Euro/qm zu rechnen. Unerwähnt blieb, dass diese Vorgehensweise derzeit höchst umstritten ist. Eine Erklärung, wie sie diesen Wert ermittelt habe, blieb die Genossenschaft gleichfalls schuldig. Zudem hätten entgegen der Darstellung der bbg die meisten Mieter/innen eine solche zusätzliche Mieterhöhung kaum zu befürchten.

Das dreiste Vorgehen der Berliner Baugenossenschaft bbg wie auch anderer Berliner Vermieter zielt jedoch weniger auf rechtliche Ansprüche, sondern soll offensichtlich der Einschüchterung ihrer Mieter/innen dienen. Das von der Berliner Baugenossenschaft bbg beschriebene Szenario lässt den betroffenen Mieter/innen die Übernahme der Schönheitsreparaturen als das kleinere Übel erscheinen.

Mieter/innen können Renovierung ihrer Wohnung fordern

Tatsächlich erleben wir derzeit einen kurzen Sommer der Machtverschiebung zugunsten der Mieter/innen. Diese folgte der Maßlosigkeit auf Vermieterseite. Neue Mietverträge weisen denn auch wieder bescheidenere Regelungen aus. Es wird sich zeigen, ob die Mieter/innen ihre unverhofft gewonnenen Rechte zu nutzen vermögen. Jedenfalls besteht kein Anlass, diese Ansprüche ohne Not aufzugeben. Der eine oder die andere wird sogar darüber nachdenken, ob die nächste Renovierung der Wohnung vom Vermieter erledigt werden kann …

Schönheitsreparaturklauseln vom BGH gekippt

Folgende Klauseln sieht der BGH mittlerweile als unwirksam an:

Rechtsanwalt Henrik Solf berät Mitglieder der Berliner MieterGemeinschaft in der Beratungsstelle in der Oderberger Straße 50, Prenzlauer Berg. Weitere Infos zu Henrik Solf unter www.hoelz-maschke-solf.de

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 324