MieterEcho 323/August 2007: Shoppen in Moabit

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MieterEcho 323/August 2007

Quadrat BERLIN

Shoppen in Moabit

Auf dem Grundstück der früheren Paechbrot-Bäckerei soll ein Einkaufszentrum entstehen

Benno Kirsch

2002 war es mit dem Dornröschenschlaf für die verlassene Paechbrot-Bäckerei in Moabit vorbei: Ein Dutzend junger Leute enterte das Gelände und erklärte es für besetzt. Doch die Freude über den neuen Freiraum währte nicht lang: Binnen kürzester Zeit beendete die Polizei die Aktion. Der Bezirk war wenig erbaut und fand das vorgelegte Nutzungskonzept dürftig, während "die Szene" monierte, dass die Besetzer/innen im Vorfeld zu wenig diskutiert und um Unterstützung geworben hätten. Bald darauf wurden alle Gebäude abgerissen und das Gelände eingeebnet.

Nun soll es zu neuem Leben erweckt werden. Die Investoren - fünf Einzelpersonen aus dem Umfeld der Wendeln-Familie - wollen ein Einkaufszentrum mit 6000 qm Verkaufsfläche errichten. Eigentlich hätten die Investoren bereits das Handtuch werfen wollen, berichtet Projektentwickler Alexander Wiedemann, weil seitens des Bezirks auch nach vielen Jahren des Stillstands noch keine Klarheit geherrscht hätte. Doch dann habe der Sozialreport enthüllt, dass der Stephankiez mit Ärzten unterversorgt sei. Deshalb habe man nun auch ein Ärztezentrum eingeplant. Die Baugenehmigung hatte sich immer wieder verzögert, weil die Behörden bestehende Einkaufszentren - wie die Moabiter Turmstraße - schützen wollten. Man beabsichtigte beim Paechbrot-Gelände zuerst nur Geschäfte dulden, die nicht Waren des täglichen Bedarfs anbieten wie Möbel oder Gartenbedarf. In Verhandlungen einigte man sich schließlich darauf, dass auf 2000 qm kleinflächig Güter der Grundversorgung wie Lebensmittel angeboten werden dürfen.

Die Anwohner/innen unterstützen die Pläne, wie Markus Barow vom "Bürgerverein für den Stephankiez" erklärt. Auf ihre Wünsche bezüglich der Fassaden- und Platzgestaltung sei eingegangen und auch das Problem der Lärm- und Verkehrsbelästigung sei zufriedenstellend gelöst. Darüber hinaus solle ein Bürgertreffpunkt errichtet werden, der vom Verein betrieben werden könne. Diese Kooperationsbereitschaft sei nicht selbstverständlich, betont Barow.

Über die Frage, ob durch das neue Center Konkurrenz für die Geschäfte in der Turmstraße droht, besteht in der Interessengemeinschaft der Gewerbetreibenden "Wir für die Turmstraße" keine Einigkeit. Vor allem alteingesessene kleine Läden machen sich Sorgen, bestätigt der Vorsitzende, Herbert Rabe. Insgesamt aber kann er der Idee, das Paechbrot-Gelände zu entwickeln, etwas Positives abgewinnen. "Im Großen und Ganzen kann es zu einer Belebung der Turmstraße führen", der es nach Jahren der Stagnation und des Niedergangs aber ohnehin wieder besser gehe. Konkurrenz belebe das Geschäft, und einen richtigen Fleischer oder ein Fischgeschäft in der Nähe zu haben, bedeute einen Zugewinn.

Dieser Einschätzung will Barow nicht widersprechen. Kaufkraft sei in Moabit vorhanden, sie wandere aber ab, weil es kein entsprechendes Warenangebot vor Ort gebe. Er schätzt, dass lediglich 20% des Geldes im Stadtteil selbst ausgegeben wird.

Was ebenfalls zu der Verzögerung beigetragen hat, ist der Umstand, dass es in Moabit insgesamt drei Örtlichkeiten gibt, bei denen Entwicklungspotenzial gesehen wird: Neben dem Paechbrot-Gelände geht es um Hertie, das sehr verkehrsgünstig am U-Bahnhof Turmstraße liegt. Hinter dem in den 60er Jahren errichteten Gebäude befindet sich ein Gelände, das zur Zeit als Parkplatz genutzt wird. Und ganz in der Nähe liegt das Schultheiss-Areal, das die Firma Remtec zu einem Shopping-Center mit einer Bruttogeschossfläche von 85.000 qm ausbauen möchte - allerdings sperrt sich der Denkmalschutz. Ob, wann und in welcher Form sich auf diesen beiden Flächen etwas tut, ist noch völlig unklar. Remtec hat auf seiner Homepage den Baubeginn für 2008 annonciert. Was Hertie-Eigentümer Dawnay Day plant, wenn die Schutzbestimmungen für die Mitarbeiter auslaufen, darüber kursieren bislang nur Spekulationen.

Allein die Errichtung des Centers auf dem Paechbrot-Gelände scheint gewiss: Zwar haben sich die Vorbereitungen erneut verzögert, aber die Trägerbeteiligung wird gerade beendet. Im Frühjahr 2008, versichert Wiedemann, soll mit dem Bau begonnen werden.

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