MieterEcho 321/April 2007: Proteste gegen den angespannten Wohnungsmarkt in Spanien

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MieterEcho 321/April 2007

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Proteste gegen den angespannten Wohnungsmarkt in Spanien

Die Wut über steigende Wohnungspreise und die Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden, haben in den letzten Monaten massive Proteste gegen die Immobilienspekulation und die unsoziale Wohnungspolitik ausgelöst.

Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die bei der Suche nach einer eigenen Wohnung die größten Schwierigkeiten haben, bilden das Zentrum der Proteste. Unabhängig von Gewerkschaften und traditionellen Parteien wurden seit vergangenem Sommer in vielen spanischen Großstädten Dutzende Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmer/innen organisiert und Themen wie Wohnungsnot und Immobilienspekulation in die Öffentlichkeit gebracht. Die Anlässe für die Protestaktionen sind vielfältig - in Barcelona gab es beispielsweise während der Auslosung von Sozialwohnungen Demonstrationen gegen eine Immobilienmesse. Eine weitere Demonstration gab es als Reaktion auf die Räumung eines besetzten Hauses und gegen das Verbot einer Campingaktion der französischen Gruppe "Les enfants de Don Quichotte", die die Situation der Wohnungslosen in Europa anklagten. Im Oktober 2006 musste die spanische Regierung sogar ein informelles Treffen der Europäischen Wohnungsbauminister absagen, weil wegen der angekündigten Proteste die Sicherheit nicht gewährleistet werden konnte.

Kampf um menschenwürdiges Wohnen

Als ein Kern der Protestbewegungen hat sich die Bewegung "Vivienda Digna" (menschenwürdiges Wohnen) entwickelt. "Vivienda Digna" besteht aus Gruppen in allen größeren Städten und hat gemeinsam mit vielen anderen Organisationen eine gemeinsame Plattform für den Kampf um bessere Wohnbedingungen aufgebaut. Im Zentrum der Forderungen steht die Umsetzung des Artikels 47 der spanischen Verfassung, der ein menschenwürdiges Wohnen garantiert und soziale Eingriffe in den Bodenmarkt ermöglicht.

Unterstützung durch die UNO

Unterstützung fanden die Forderungen auch durch Miloon Kothari aus Indien, dem UNO-Sonderberichterstatter zum Thema Wohnen, der in seinem Bericht die katastrophalen Bedingungen des Wohnungsmarkts bestätigt und die spanische Regierung für ihre Wohnungspolitik kritisiert. Die Schlussfolgerungen in Kotharis Bericht decken sich weitgehend mit den Forderungen der Protestbewegungen: stärkere Bestrafung von Korruption und Diskriminierung im Bereich des Wohnungsmarkts, Aufbau eines öffentlichen Wohnungsbestands mit erschwinglichen Sozialwohnungen, Ausbau des Mietrechts und ein Ende der staatlichen Subventionen für den Bau von Eigentumswohnungen. Dieser Mix von Aktionen auf der Straße und politisch inhaltlichen Vorschlägen zeigt nun erste Erfolge. Das Wohnungsministerium diskutiert über einen Strategiewechsel der sozialen Wohnungspolitik - weg von der Förderung von Eigentumswohnungen hin zum Ausbau eines sozialen Mietwohnsektors. Einzelne Städte, wie etwa Madrid, versuchen mit lokalpolitischen Richtlinien die Grundsätze des Verfassungsartikels 47 nun auch praktisch umzusetzen. Die baskische Regionalregierung hat massive steuerliche Sanktionen für Eigentümer angekündigt, die sich weigern, leer stehenden Wohnraum zu vermieten und die katalanische Regierung will künftig leer stehende Wohnungen sogar fünf Jahre lang beschlagnahmen und eigenständig vermieten.

Dass diese Ankündigungen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt zu hoffen. Die Protestbewegung gegen Wohnungsnot und Spekulation wird die Situation weiter verfolgen und hat bereits weitere Aktionen angekündigt. Ein langes Aufschieben werden sich die Regierenden in Spanien also nicht leisten können.

 

Weitere Informationen:

www.viviendadigna.org

www.vdevivienda.net

Report of the Special Rapporteur on adequate housing as a component of the right to an adequate standard of living, Miloon Kothari

Informe del Relator Especial sobre una vivienda adecuada como elemento integrante del derecho a un nivel de vida adecuado, Sr. Miloon Kothari

 

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