MieterEcho 321/April 2007: Mit 1-Euro-Jobs Geld gespart

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MieterEcho 321/April 2007

Quadrat PRIVATISIERUNG

Mit 1-Euro-Jobs Geld gespart

Nach der GSW möchte der Finanzinvestor Cerberus nun auch die Berliner Sparkasse übernehmen und zieht nebenher alle Register, um Kosten zu senken

Hermann Werle

Dass Private-Equity-Fonds an keine bestimmte Branche gebunden sind, zeigt sich derzeit ganz konkret in Berlin. Während die GSW 1-Euro-Jobber beschäftigt und Wohnungen gewinnbringend in Wohneigentum verwandeln möchte, beteiligt sich Cerberus an aussichtsreicher Position an dem Bieterverfahren der Berliner Sparkasse. Da es an den nötigen Geldmitteln offensichtlich nicht mangelt, möchte der Finanzdienstleister aus New York gleichzeitig den Autobauer Chrysler übernehmen.

Um die Chancen zur Übernahme der angeschlagenen Daimler-Tochter zu erhöhen, soll der ehemalige VW-Manager Wolfgang Bernhard in beratender Funktion bei Cerberus tätig werden. Vor dem kurzen Gastspiel bei VW war Bernhard bei DaimlerChrysler beschäftigt, um die US-amerikanische Tochter Chrysler auf Profitkurs zu trimmen. Mit Bernhard und seinen Insiderkenntnissen dürften die Chancen zur Übernahme von Chrysler für Cerberus nicht schlecht stehen. Ebenso gute Erfolgsaussichten hat Cerberus in dem Bieterverfahren zum Kauf der Berliner Sparkasse. (Zum Verkauf der Sparkasse siehe auch das Interview in diesem Heft, die Red.) Das Cerberus-Management hat sich im Rahmen des Aufkaufs der GSW-Wohnungen in einer Reihe von Veranstaltungen und Treffen bestens auf die Berliner Verhältnisse eingestellt und verfügt über gute Kontakte in die hiesige Wirtschaft und Politik.

"Stimmungsmache" zum Wohnungskauf

Mit Thomas Zinnöcker hatte Cerberus gleich nach dem Kauf der GSW einen ausgewiesenen Immobilienprofi eingekauft, um die Geschäftsprozesse der Wohnungsbaugesellschaft im Sinne der Renditeerwartungen der Anleger zu optimieren. Zu dem Geschäft mit den Wohnungen gehört unter anderem die Umwandlung in Wohneigentum, was die GSW derzeit forcieren möchte. Diesem Ansinnen dient der sogenannte "Erste Berliner Wohnungsmarktreport", den die GSW Mitte März in Kooperation mit dem Maklerbüro Jones Lang LaSalle veröffentlichte. "Wohin gehen die Preise und Mieten Berliner Wohnungen?", fragt der Report, weil diese Frage nicht nur Mieter und Eigentümer berühre, sondern auch Investoren aus aller Welt, die sich in der deutschen Hauptstadt eingekauft haben. Und für diese Investoren haben GSW und Jones Lang LaSalle eine beruhigende Aussicht parat: "Renditen und Werte werden bei den meisten Häusern steigen." Denn laut Report würden sich die Mieten zumindest teilweise erhöhen, der Leerstand zurückgehen und die Kaufpreise für Wohnungen "auf breiter Front" steigen, weshalb das Management um Thomas Zinnöcker zu dem Schluss kommt: "Wer in besserer oder mittlerer Berliner Lage Wohneigentum erwerben will", solle dies bald tun, denn "zu den heutigen Preisen bekommt man es wahrscheinlich nie wieder." Laut Ralf Schönball vom Tagesspiegel wurde der Report von Immobilienexperten mit "verwundertem Kopfschütteln" zur Kenntnis genommen und "als ‚Stimmungsmache' - um Mieter zum Wohnungskauf zu bewegen" bezeichnet. Diese Einschätzung dürfte der Realität recht nahe kommen, da in der Mieterstadt Berlin die Nachfrage nach Eigentumswohnungen weiterhin nahezu stagniert (siehe MieterEcho Nr. 317: Berlin bleibt Mieterstadt).

Geschäftsziel: Effizientes Management

Stimmungsmache und das Umwandlungsgeschäft sind bei Weitem nicht die einzigen Geschäftsbereiche, die der GSW-Bilanz zu Glanz verhelfen sollen. Den bilanzierten Einnahmen, unter anderem durch Wohnungsverkäufe, steht die ebenso wichtige Kostenseite gegenüber. Und aus der Perspektive des Managements eines Wohnungsunternehmens, das seinen Kapitalanlegern verpflichtet ist, stellen insbesondere Löhne und Gehälter ein Kostensenkungspotenzial dar. Das heißt, Beschäftigte werden als Kostenfaktor mit zwei Ohren angesehen. Um diesen zu verringern, wurde bei der GSW im letzten Jahr ein leistungsorientiertes Tarifsystem eingeführt. Sowohl die Arbeitszeiten als auch die Löhne wurden flexibilisiert. Beschäftigte erhalten seit Anfang des Jahres nur noch eine Grundvergütung, die bei überdurchschnittlichen Leistungen oder der Erreichung vorgegebener Ziele aufgestockt werden kann - Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurden dafür gestrichen.

1-Euro-Jobs sparen Lohnzahlungen

Dass mit diesem Lohnsenkungsprogramm die Grenzen der Flexibilität immer noch nicht erreicht sind, wurde von der Handwerkskammer Berlin aufgedeckt und von der Sendung "Klartext" im Januar öffentlich gemacht. Über einen Kreuzberger Beschäftigungsträger haben ALG-II-Beziehende und Straftäter, die Geldstrafen abarbeiten müssen, "Renovierungsarbeiten in erheblichem Umfang für verschiedene Wohnungsbaugesellschaften durchgeführt", wie die Handwerkskammer berichtet. Von dem Verlegen von Laminatböden, dem Tapezieren von Treppenhäusern bis zum Streichen von Türen, Fenstern und Heizkörpern sowie Fliesenarbeiten reicht die Palette der Billigstlohntätigkeiten, die unter anderem von der GSW in Anspruch genommen wurden. Der Bericht der "Klartext"-Sendung (nachzulesen und zu sehen unter: www.rbb-online.de) beginnt dementsprechend: "Berlin-Reinickendorf, eine Wohnsiedlung der früher städtischen, jetzt privatisierten Wohnungsbaugesellschaft GSW. Hier stehen viele Wohnungen leer. Folgende Bilder werden uns zugespielt, eine ganz normale Wohnungsrenovierung, erledigt nicht von einem Handwerksbetrieb, sondern von 1-Euro-Jobbern." Und zum Ende heißt es: "Straftäter und 1-Euro-Jobber als Handwerker. Den Nutzen hatten das Projekt Big Steps und große Wohnungsbaugesellschaften. Die Dummen sind die 1-Euro-Jobber und Malerbetriebe."

Kostenfaktor Rudi Dutschke

Kosten können aber auch ganz unvorhergesehen drohen. Seit Kurzem muss sich die Geschäftsführung der GSW mit ihrer eigenen Adresse in der Kochstraße beschäftigen. Nachdem der Bürgerentscheid der CDU gegen die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße im Januar 2007 gescheitert war, gehört die GSW neben dem Springer-Verlagshaus zu den 27 Klägern, die vor dem Verwaltungsgericht die Kochstraße gegen den erklärten Willen der Bürger/innen erhalten wollen. Dabei argumentiert die GSW gar nicht gegen den Wortführer der 68er-Studentenbewegung, sondern völlig unideologisch mit Umstellungskosten. Die Position der GSW-Pressesprecherin wird im Tagesspiegel vom 23. Januar 2007 mit den Worten wiedergegeben, dass man bereit sei, "den gesamten gerichtlichen Instanzenweg auszuschöpfen, denn die Kosten für den Neudruck von Prospekten und Briefköpfen würde in die Millionen Euro gehen." Ob dem Kostenmanagement der Privatwirtschaft oder dem demokratischen Willen der Bürger/innen ein höherer Stellenwert beizumessen ist, soll am 9. Mai 2007 vor dem Berliner Verwaltungsgericht entschieden werden.

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