MieterEcho 320/Februar 2007: Frankreich: Wohnungsproteste in Paris

MieterEcho

MieterEcho 320/Februar 2007

Quadrat WOHNEN INTERNATIONAL

Frankreich: Wohnungsproteste in Paris

Die Party-Guerilla namens Schwarzer Donnerstag sorgt für Schlagzeilen

Überall dort, wo der Wohnungsmarkt oder der Staat eine gerechte Wohnungsversorgung nicht sicherzustellen vermag, regt sich der Protest. In Paris schaffte es eine Gruppe junger Leute, mit spektakulären Aktionen das Thema der Wohnraumspekulation in die Öffentlichkeit zu katapultieren. Jeweils am Donnerstag, wenn die Anzeigenblätter mit den Wohnungsangeboten erscheinen, verabredeten sich bis zu 30 Aktivist/innen und zogen mit tragbaren Musikanlagen, Sektflaschen und schwarzen Luftballons zu Wohnungsbesichtigungen mit besonders dreisten Angeboten. Mit einer spontanen Party in den Wohnungen wurden die Besichtigungstermine verhindert. Die Gruppe "Jeudi-Noir" (Schwarzer Donnerstag) macht mit ihren Aktionen erfolgreich auf die astronomisch hohen Mietpreise aufmerksam, die es vor allem jungen Leuten erschwert, eine eigene Wohnung zu finden. Mietpreise von 500 bis 800 Euro für Zimmer von 10 bis 15 qm sind keine Seltenheit. Einen direkten Erfolg im Sinne niedrigerer Mietpreise hatten die Aktionen bisher nicht, aber das Thema Wohnungsspekulation wird nun endlich öffentlich debattiert. Zahlreiche Fernsehstationen berichteten über die wöchentlichen Aktionen und auch auf den Seiten der deutschen Feuilletons wurde die Kreativität der "Party-Guerilla" (Der Spiegel) gefeiert.

Weitere Informationen: www.jeudi-noir.org

Neue "Behörde" in Paris: Das Ministerium der Wohnungskrise
Zum Jahreswechsel 2007 wurde das Wohnungsproblem mit einer spektakulären Besetzungsaktion im Zentrum von Paris noch deutlicher gemacht. Die Initiative "Droit au Logement" (DAL) besetzte das seit drei Jahren leer stehende Gebäude der Lyonnaise de Banque gegenüber der Pariser Börse. Zehn Familien wurden von DAL dort einquartiert und ein Ministère de la Crise du Logement ("Ministerium der Wohnungskrise") eingerichtet. Nun werden täglich Presseerklärungen versandt, Kampagnen organisiert und ein 'ministerielles' Radioprogramm gesendet. Die zentrale Forderung ist ein einklagbares Recht auf Wohnen und eine Beschränkung der Wohnraumspekulation. Die Proteste zeigen erste Wirkung, denn die Wohnungspolitik scheint sich zu einem zentralen Wahlkampfthema zu entwickeln. Die aktuelle Regierung unter Premierminister Dominique Villepin hat angekündigt, ein Gesetz für ein einklagbares Recht auf Wohnen bis 2008 auf den Weg zu bringen. Die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Segolene Royal stellte für den Fall ihrer Wahl den Bau von 120.000 Sozialwohnungen in Aussicht. Darüber hinaus soll es Strafsteuern für Hausbesitzer geben, die ihre Immobilien mehr als zwei Jahre leer stehen lassen, und die Möglichkeit für Kommunen, Wohnraum zu beschlagnahmen. Bis dahin gilt es für Madame Royal aber erst einmal ausreichend Stimmen zu sammeln. Am 19. Januar diesen Jahres fing sie damit schon einmal an und besuchte die Aktivist/innen im "Ministerium der Wohnungskrise".

Weitere Informationen: www.globenet.org/dal und www.ministeredelacrisedulogement.org

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 320