MieterEcho 320/Februar 2007: Das Denken der Eigentümer/innen

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MieterEcho 320/Februar 2007

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Das Denken der Eigentümer/innen

"Wie denkt man in einer Eigentumswohnung?", fragt Hermann Gremliza in der Januarausgabe der Zeitschrift "konkret". "Brigitte" die hausbackene Schwester von "Emma" unterhält auf ihrer Internetseite ein Forum und gestattet dort einen Einblick in die Gedankenwelt der Wohnungseigentümer/innen.

Über die Gründe, Wohnungseigentümer/in zu werden, wird gern Auskunft gegeben.

"Ich z.B. habe dieses Bedürfnis mir etwas aufzubauen, auch wenn ich auf 20/30 Jahre ,verschuldet' bin, ich nehme das gern in Kauf. Für mich muss es im Zuge dieser Entscheidung eben nicht jedes Jahr ein großer Urlaub sein oder das schickste Auto oder die neuesten Klamotten, das ist aber etwas, worüber man sich klar werden sollte, sonst bereut man diese Entscheidung, denn sie kann normalerweise nur mit Verlust rückgängig gemacht werden."

Dass Wohneigentum mit Konsumverzicht einhergeht, ist eine Erfahrung, welche - anders als in gängigen Werbungen vorgegaukelt - Eigentümer/innen sehr schnell machen, wie mehrfach bestätigt wird.

"Finanziell fährt man mit Miete besser, der Vermieter muss die Anlage in Schuss halten, das kommt den Mieter natürlich günstiger, andererseits gibst du lebenslänglich dein Geld an andere, ohne etwas für dich aufzubauen oder zu erwirtschaften."

Ist das nicht eine Milchmädchenrechnung? Wenn nämlich Mieter/innen das mit der Miete Ersparte günstig anlegen, erwirtschaften sie sich vielleicht noch viel mehr. Allerdings wird entgegengehalten:

"Bei 40% Eigenkapital ist die Wohnung oft im Eigentum günstiger als eine entsprechende Mietwohnung. Ich habe auch eine Eigentumswohnung. Und die hat mir in Zeiten der Arbeitslosigkeit den Hals gerettet. Aber auf jeden Fall kann es nicht schaden, in guten Zeiten so oft wie möglich Sondertilgungen zu leisten. In einer abgezahlten Eigentumswohnung lebt es sich wunderbar entspannt - ich spreche da aus Erfahrung."

Bei 40% Anzahlung lebt es sich entspannt! Aber wäre die Eigentumswohnung mit 100% Anzahlung nicht noch viel günstiger und die Entspannung geradezu grenzenlos? Getrübt wird die Freude an einer Eigentumswohnung durch die Eigentümerversammlung:

"Mir gefällt das Gefühl ein richtiges Zuhause zu haben, aus dem mich keiner rausschmeißen kann. Einmal im Jahr ist allerdings Eigentümerversammlung, da kannst du wildgewordene Groschenpetzer beleidigend herumkeifen sehen, während Klein-Estrella denkt, sie sei in einer Art Eigentumspsychiatrie gelandet. Eine sinnbefreite Diskussion jagt die andere, es werden unglaubliche Ausgaben durchdiskutiert, z.B. ob mein 4-jähriger Nachbar während des Sommers einmal die Woche frisches Wasser in sein Planschbecken bekommen darf, diese enormen Kosten (von geschätzten 10 Euro über den Sommer) müssen schließlich von der Eigentümergemeinschaft getragen werden."

Dieses Unbehagen wird auch von anderen Eigentümer/innen geteilt.

"Nach diesen Versammlungen frage ich mich immer, ob das wirklich eine gute Entscheidung war, allerdings metamorphieren die Eigentümer (die meisten wohnen im Haus) zum Glück nach der Versammlung wieder zurück, dann fühle ich mich nach ein paar Tagen auch wieder wohl".

Erlebnisse dieser Art scheinen eher die Regel als die Ausnahme zu sein:

"Die Eigentümerversammlung war eigentlich eine Realsatire. Ich habe vorher nicht gewusst, dass erwachsene, teils studierte Leute sich wegschmeißen vor Groll, wenn eine Terrakottafliese auf Balkon 44 auf Gemeinschaftskosten, also umgelegt auf jeden Eigentümer mit einer horrenden Beteiligung von 30 Cent, erneuert werden soll. Das war noch vergleichsweise harmlos! Ich habe dort unter den weisheitstriefenden ,Miteigentümern' u.a. Gespräche anhören müssen, die mich an die Grenzen meines Weltbildes und meiner humanistisch-positiven Auffassung von der menschlichen Vernunft gebracht haben. Einfacher ausgedrückt: Irresein rulez."

Doch die Eigentümerversammlung findet nur in größeren Abständen statt, wichtiger ist das Miteinander im Haus und auch das wird überwiegend als nicht nur ungetrübt positiv bewertet.

"Beim Kauf einer Eigentumswohnung ist es wichtig, die Teilungserklärung (wer was wann wo und wie bezahlt und machen darf) genau zu studieren und (im Idealfall) herauszufinden, wie die Eigentümer so ticken (das kann man bei einer bereits bestehenden Anlage sehr gut aus den Protokollen der oben erwähnten Eigentümerversammlung herauslesen), eine Eigentumswohnung birgt aber ein definitiv größeres Risiko für Popolochnachbarn als ein Haus. Bei einem Hauskauf würde ich wahrscheinlich die Nachbarn mit abklappern, mich vorstellen und erzählen, dass ich das Haus kaufen möchte und mich nach den Nachbarn erkundigen, da hört man meist auch schon einiges heraus."

"Ich kann nur noch mal wiederholen, eine Eigentumswohnung birgt dieselben Risiken, Nachbarn zu haben, die man nicht ab kann oder Umstände, von denen man vorher nichts geahnt hat, genau wie bei einer Mietwohnung. Auch muss (man sich) in mancherlei Hinsicht Mehrheitsverhältnissen unterwerfen, die einem u.U. nicht passen. Aus einer Mietwohnung bist du schneller draußen, Wohneigentum lässt sich je nach Lage teilweise schwer erneut verkaufen."

Das scheint eine Überlegung, die unbedingt vor dem Kauf angestellt werden sollte. Ein konkretes Beispiel bestätigt das:

"Ich bekam einen Job an der Uni und zog mit meinem neuen Freund in eine größere Wohnung, die wir auch kauften (mittlerweile ist sie wieder verkauft und wir haben einen Sekt darauf getrunken, sie loszusein). Der Clou dieser Wohnung war, dass unsere Nachbarin, eine getrennt lebende Dauerarbeitslose mit Ambitionen die Kosmetikerprüfung zu bestehen, jeden Abend besinnungslos trank und lautstark herumschrie und auf freundliche Ermahnung hin die Türen knallte und Beleidigungen murmelte."

Hier klingt die Verbindung von Arbeitslosigkeit und Wohneigentum an. Wie verträgt sich das nach Meinung der Wohnungseigentümer/innen?

"Gerade im Hinblick auf Hartz IV würde ich zum Kauf der Wohnung raten. Eine angemessene Wohnung darf behalten werden und die Zinsen werden vom Amt übernommen. Vorhandenes Vermögen muss im Gegensatz dazu bis auf einen Freibetrag aufgebraucht werden. Wohneigentum rettet das Vermögen bei Hartz IV!"

Diese etwas riskante Einstellung wird nicht von allen geteilt:

"Ich würde ohne unbefristeten Arbeitsvertrag keinerlei finanzielle Verpflichtung eingehen. Angenommen (was ich nicht hoffe) man bezieht eines Tages Hartz IV, dann gibt es möglicherweise Probleme wegen vorhandenen Vermögens! Solange ich keine sichere Stelle hätte, würde ich nur zur Miete in einer sozial- und wohngeldrechtlich angemessenen Wohnung leben wollen. Nur so ist man gegen schlechte Eventualitäten gewappnet und muss nicht sein geliebtes Zuhause verlassen, wenn man arbeitslos wird."

Eine Sichtweise, die Zustimmung erhält:

"Also, ich kann den Beitrag über mir nur allerwärmstens empfehlen, alles andere wäre finanzieller Wahnsinn heutzutage. Was ich (oben) noch vergessen hatte, (man) beachte etwa noch die zuzüglichen Kosten durch einen Makler, die Grundbuchkosten, den unvermeidbaren Notar, die Grunderwerbssteuer und die anteilige Grundsteuer und die Bereitstellungskosten für den Kredit - und wenn alles schief geht, kommt noch 'ne Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank dazu."

Tatsächlich werden Wohnungseigentümer sozialrechtlich bevorzugt behandelt (siehe nachfolgenden Beitrag). Vergessen wird dabei aber, was geschieht, wenn sich ALG-II-Beziehende z.B. nicht an den Kosten für eine Modernisierung beteiligen können. Bisher hätten sie ohne Zustimmung keine Verpflichtungen gehabt. Doch genau das wird sich mit der WEG-Reform ändern. Es können nicht nur ohne Zustimmung Kosten entstehen, sondern die Zwangsversteigerung durch die Eigentümergemeinschaft bringt auch für die verwertenden Ex-Nachbarn auf jeden Fall einen Gewinn. Die Entscheidung für eine Eigentumswohnung ist ein Produkt aus Dummheit und Angst. Sie verbindet die Nachteile einer Mietwohnung mit den Kosten für ein Eigenheim. Einen wirklichen Vorteil bietet sie noch bis zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes für ALG-II-Beziehendende.

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