MieterEcho 320/Februar 2007: Das Ende des Eigenheims

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MieterEcho 320/Februar 2007

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Das Ende des Eigenheims

Innerstädtisches Wohnen im Visier des Immobilienmarktes

Andrej Holm

Großstädte wie Berlin galten lange Zeit als Hochburgen des Mietwohnungsmarkts und die Vorstellung vom Wohneigentum blieb auf das Eigenheim im Grünen beschränkt. Doch aktuelle Trends der Immobilienwirtschaft wenden sich zunehmend innerstädtischen Eigentumswohnungen zu. Auch wenn sich die spektakulären Projekte auf Neubauten konzentrieren - der Immobilienmarkt setzt seit jeher auf Mitnahmeeffekte, und Investoren hoffen auf die Etablierung eines Luxuswohnsegments in den Innenstädten. Im Schatten solcher Investitionen können auch Mietpreise und das bisher schleppende Umwandlungsgeschehen unter Druck geraten.

Die klassischen Begründungen für das Wohnen im Eigentum (statt zur Miete) wurden traditionell immer mit familienpolitischen Zielsetzungen verbunden. Paul Lücke (CDU), Wohnungsbauminister von 1957 bis 1965, gilt als zentraler Vertreter der Eigentumsorientierung in der damaligen Wohnungspolitik. Bereits als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen setzte er das Wohnungseigentumsgesetz durch, mit dem durch Teilungserklärungen die Schaffung von Einzeleigentum in Wohngebäuden mit mehreren Wohnungen möglich wurde.

Eigenheim als Familienheim

Sein Herz galt jedoch dem Eigenheim in Form des freistehenden Einfamilienhauses mit Garten, das er für "familiengerecht" hielt. Mietwohnungen in städtischen Etagenhäusern hingegen würden "den Willen zum Kind töten" und zu "Empfängnisverhütung, Abtreibung und Entsittlichung und damit zum biologischen Volkstod" führen. Die Formulierung entstammt nicht aus den Reihen der konservativen Großstadtkritik Ende des 19. Jahrhunderts, sondern wurde 1960 von Paul Lücke ins Feld geführt.

Tatsächlich stieg die Anzahl der Eigenheime seit den 60er Jahren deutlich an - nicht zuletzt durch die staatlichen Subventionen des sozialen Wohnungsbaus.

Seit 1990 stagniert die Eigentumsquote bundesweit bei etwa 42%, und der Zuwachs an Eigenheimen war trotz enormer Neubauinvestitionen in diesem Zeitraum mit 162.000 nur noch minimal. Die Zahl der neugebauten Eigenheime ist fast ebenso hoch wie die Anzahl der durch Leerstand oder Abriss vom Markt genommenen. Die Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern können nun mit einer Zunahme von 700.000 die höchsten Wachstumsraten innerhalb des Eigentumsmarkts verzeichnen. Gründe dafür sind neben dem Neubau von Eigentumswohnungen vor allem die Umwandlungen von Mietwohnungen. Vor allem in den 90er Jahren dominierte jedoch der Mietwohnungsbau - die Zahl der Mietwohnungen stieg seit der Wende um fast 1,8 Millionen.

Erst seit 2000 wurde der Mietwohnungsbau auf deutlich unter 100.000 Wohnungen pro Jahr reduziert. Der Bundesverband Deutscher Wohnungsunternehmen (GdW) bestätigt diesen Trend: "Der Wohnungszugang wird derzeit wesentlich stärker als in den 90er Jahren durch die Bildung von Wohneigentum geprägt. Dazu tragen nicht nur der Eigenheimbau, sondern auch die Eigentumswohnungen im Geschosswohnungsbau bei. Gegenwärtig werden etwa 60% der fertig gestellten Wohnungen in mehrgeschossigen Wohngebäuden als Eigentumswohnungen übergeben."


Tabelle Wohnungsbestände BRD nach 1990
Eigentümliche Widersprüche

Die Gründe für diesen Bruch sind in gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu suchen. Insbesondere der Rückgang der klassischen Familienstrukturen hat das Ende des Eigenheims eingeläutet. Noch in den 60er Jahren lag der Anteil von Haushalten mit drei und mehr Personen bei deutlich über 50% - heute sind es nur noch etwa 30%. Dieser demografische Umbruch vollzieht sich in den Großstädten deutlicher als in ländlich geprägten Gegenden. Die Anteile der 1- und 2-Personen-Haushalte in Berlin sind von 1996 bis 2005 von 77,4 auf 80,7% gestiegen - die klassische Kleinfamilie mit einem Anteil von unter 20% hat ihre gesellschaftliche Prägekraft verloren, und auch der Immobilienmarkt stellt sich darauf ein und richtet seine Angebote zunehmend an flexible und karriereorientierte Mittelschichtenhaushalte ohne Kinder.

Auch in Brandenburg - dort sind die Anteile insgesamt höher - sind die Familienhaushalte auf dem Rückzug. Im selben Zeitraum stieg hier der Anteil der 1- und 2-Personen-Haushalte von 62,6 auf 69,6% noch deutlicher als in Berlin. Das Potenzial für Eigenheime schwindet also nicht nur in der Großstadt, sondern im Fall Brandenburg auch in den klassisch suburbanen Räumen.

Die traditionellen Begründungen für das Wohnen im Eigentum geraten damit in die Krise: Das Eigentum als Familienheim verliert seine Basis, und selbst ein gestandener Eigentumslobbyist wie Ulrich Pfeiffer vom Forschungsinstitut empirica stellt die bisherige Argumentation in Frage: "Das Eigenheim wird für zehn Jahre ein ‚Familien-Heim' sein, danach ist es für 20 Jahre ein ‚Ehepaar-Heim'. Daran schließen sich weitere zehn Jahre als ‚Witwen/r-Heim' an. Die geringste Zeit ist es nach diesem Zyklus ein ‚Familien-Heim', da der Eigentumserwerb bei hohen Preisen erst spät realisiert werden kann. Das ist unsozial, da das Eigenheim seine sozialste Wirkung entfaltet, wenn die 3-Jährigen auf dem eigenen Grundstück spielen können. Die höchste Wohnquote im Wohneigentum der Eltern stellt sich aber erst ein, wenn die Kinder 15 Jahre alt sind. In diesem Alter ist die Sozialisierungsprägung schon weit fortgeschritten. Die Jugendlichen identifizieren sich weniger mit ihren Wohnverhältnissen. Das Eigenheim wird unter Umständen von Jugendlichen dann eher negativ bewertet, weil es außerhalb der Stadtzentren angesiedelt ist".*

Wer hierin allerdings eine Abkehr von der Eigentumsorientierung erwartet - weil ganz offensichtlich nicht einmal das Flagschiff der Eigentumsideologie seine jahrzehntelang gepredigten Versprechen einlösen konnte -, liegt falsch. Denn noch absurder als die familienlosen Eigenheime erscheinen Ulrich Pfeiffer die "Hochhäuser und Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus, (die als) politisch ‚gewillkürte' Schöpfungen (...) keine nachfrageorientierte Gebilde" seien. Der Rückgang im sozialen Wohnungsbau stelle deshalb für Deutschland eine positive Entwicklung dar, da nun im "21. Jahrhundert die Nachfrager mehr Einfluss auf den Markt" erlangen.

Vom Eigenheim zum Townhouse

Was die Nachfrager wollen, wird jedoch auch heute von Investoren vorgegeben. Jahrelang auf die Eigenheimideologie setzend, vollzieht nun auch die Immobilienwirtschaft eine Wende und bietet innerstädtische Eigentumswohnungen für die neue, flexible Mittelklasse an. Etagenwohnungen, Lofts und so genannte Townhouses (Stadthäuser) stehen für den Trend am Wohnungsmarkt. Vieles, was über Jahre als Nachteil von Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern galt, wird nun zu Vorteilen des innerstädtischen Wohneigentums umdefiniert. Die innerstädtische Enge begegnet uns in den Prospekten der Eigentumsanlagen als "lebendiger Ort" und "kommunikative Dichte". Das oft störende Nebeneinander von Betrieben und Wohnhäusern erscheint als "Funktionsmischung von Arbeit und Wohnen" in einem freundlichen Licht, und selbst der immer wieder beklagte Grünflächenmangel der Innenstädte wird in Form von "geringerem Pflegeaufwand und Unterhaltskosten des Freiraums" zum Vorteil eines innerstädtischen Wohneigentums. Kinder in der Innenstadt werden als Emanzipation der Frau behandelt, die nun Familie und Karriere miteinander verbinden kann. So werden die klassischen Träger des vorstädtischen Eigenheims zur Zielgruppe für das innerstädtische Eigentum.

Bei den Townhouses, die auch als innerstädtische Eigenheime beworben werden, wird versucht, die Werbestrategien für Einfamilienhäuser auf einen städtischen Kontext zu übertragen. Individuelle Grundrissgestaltung, Variabilität der Nutzung und kleine, aber selbst gestaltbare Grünflächen in Form von Dachgärten und Terrassen, dazu der Bonus innerstädtischer Atmosphäre - so soll das gehobene Wohnen für die oberen Einkommensgruppen aussehen. Auf der Website eines Townhouse-Projekts am Werderschen Markt im Zentrum Berlins werden die Vorteile griffig zusammengefasst:

"Die Gründe für die überaus positive Resonanz auf das Projekt Berlin Townhouses sind (die) zentrale Lage, ideal für Stadtmenschen mit ‚Eigenheimambitionen', die das Wohnen im Zentrum mit dem eigenen Haus und kleinem Garten verbinden (und) die Größe der Grundstücke, Häuser und Kosten, die im Rahmen der Vorstellungen der Interessenten liegen und das Projekt nicht nur für Käufer der Oberschicht handhabbar machen. Townhouses prägen die traditionellen Viertel Londons oder Amsterdams. Zur Straße hin strahlen sie den repräsentativen Stolz derer aus, die darin wohnen. Die Gartenfront spiegelt die private Wohnwelt wider." (www.berlin-townhouses.de)

Die Zielgruppe solcher Townhouses beinhaltet aber offensichtlich nicht Schwellenhaushalte - denn Kaufinteressierte sollten für die Townhouses am Friedrichswerder mit etwa 800.000 Euro kalkulieren. Etwas günstiger angeboten werden die Stadthäuser der neugetauften "Prenzlauer Gärten" auf dem Gelände der Schneider-Brauerei im Bötzowviertel (www. prenzlauer-gaerten.com). Je nach Größe sollen hier 300.000 bis 700.000 Euro gezahlt werden. Solche Projekte richten sich in ihrer Exklusivität an eine zahlungskräftige Minderheit von Wohnungssuchenden. Doch sie stehen auch für eine generelle Trendwende auf dem Immobilienmarkt. Nach Jahrzehnten der Außenorientierung scheinen sich die Investitionen nun als Reuurbanisierungsstrategie auf die Kernstädte zu richten. Einer Untersuchung der LBS-Research zufolge ist das Eigentum in Mehrfamilienhäusern gerade in größeren Städten mit 42% eine zunehmend verbreitete Eigentumsform. Zum Vergleich: In Städten unter 100.000 Einwohnern liegt der Anteil bei nur 14%, verglichen mit 85% in Ein- und Zweifamilienhäusern. Die innerstädtische Eigentumswohnung etabliert sich dabei nicht trotz, sondern gerade wegen der Suburbanisierungstendenzen der letzten Jahrzehnte. Die Investitionspotenziale von Eigenheimen in den Umlandgebieten sind weitgehend ausgeschöpft. Neubauprojekte lassen sich oft nur noch in größerer Entfernung zu den Kernstädten verwirklichen und auch der günstigen Erschließung von Bauland sind Grenzen gesetzt. Wie in allen anderen Branchen trachtet auch das Kapital des Immobilienmarkts nach der bestmöglichen Verwertung und sucht sich entsprechende Investitionsfelder. Die von Bevölkerungsverlust, Leerstand und Industriebrachen gezeichneten Kernstädte bieten sich dabei an. Auf den Investitionsruinen des letzten Jahrhunderts soll die schöne neue Wohnwelt entstehen - und durch die allgegenwärtige Revitalisierungsrhetorik der Stadtentwicklungsprogramme gibt es ordentlichen Rückenwind.

*) Zitat aus: Ulrich Pfeiffer, Beitrag auf einem internationalen Expertengespräch "Vergleich wohnungspolitischer Ansätze in EU-Staaten", 2005.

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