MieterEcho 320/Februar 2007: Als "Handelsware" an die Börse

MieterEcho

MieterEcho 320/Februar 2007

Quadrat WOHNUNGSMARKT

Als "Handelsware" an die Börse

Wohnungen werden als "Massengut" umgeschlagen und Mieter/innen sollen "mobil" wie der neue Immobilienmarkt werden

Hermann Werle

Der Boom der Verkäufe von Wohnungsbaugesellschaften scheint abzuebben. Zwar wechselten im letzten Jahr Immobilien im Wert von 46 Milliarden Euro den Eigentümer, fünf Milliarden Euro mehr als 2005. Deutlich gesunken ist jedoch laut einer Untersuchung der Degi Research, einer Tochtergesellschaft des Allianz-Konzerns, der Anteil der Wohnimmobilien. Dass ein Ende der Verkäufe städtischer Wohnungen dennoch nicht in Sicht ist, davon geht die HSH-Nordbank aus. Nach Meinung der im Immobiliengeschäft sehr aktiven Bank werden die Kommunen in den nächsten zehn Jahren "die aktivsten Verkäufer von Wohnungsportfolios in Deutschland sein."

Die HSH-Nordbank, die 2003 aus der Fusion der Hamburgischen Landesbank mit der Landesbank Schleswig-Holstein hervorgegangen war, dürfte insbesondere Gehag-Mieter/innen ein Begriff sein. Nach der Privatisierung der Gehag an die RSE ging die Gesellschaft an die WCM, von der sie als Sicherheit an die HSH-Nordbank verpfändet wurde. Die Bank verkaufte den Wohnungsbestand schließlich im März 2005 zu 85% an den Finanzinvestor Oaktree. Die Banker aus dem Norden kennen sich also aus in dem Geschäft mit Wohnungen und gehören zu den großen Kapitalgebern der Branche. In ihrer Studie "Wohnungsportfoliotransaktionen in Deutschland - Deutsche Wohnungsportfolios bleiben im Fokus der Investoren" prognostiziert die Bank, dass bis 2015 insgesamt rund 1.120.000 Wohnungen aus dem öffentlichen Bestand verkauft werden. Der Großteil mit etwa 820.000 Wohnungen würde von den Kommunen und die übrigen 300.000 Wohnungen von Bund und Ländern vermarktet werden. Aufgrund der geringen Bautätigkeit im Wohnungsbereich wird von einer dynamischen Miet- und Preisentwicklung ausgegangen. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). So sei das Geschehen auf den Berliner und Brandenburger Märkten für Wohnimmobilien 2005 und 2006 "von einer wachsenden Dynamik geprägt." In Berlin hätten stark wachsende Umsätze bei Mietwohnhäusern zwar zu steigenden Kaufpreisen geführt, von einem Anhalten der starken Nachfrage ausländischer Finanzinvestoren könne dennoch ausgegangen werden. Besonders gefragt seien "sanierte Altbauten, bei denen auch die stärksten Mietsteigerungen zu verzeichnen" seien. Insgesamt wird mit einer erhöhten Nachfrage nach Wohnraum gerechnet, da die Zahl der Haushalte in Berlin bis 2011 um 2% steige - bei "einer weiterhin rückläufigen Bautätigkeit."

Berliner Wohnungen an die Börse

Eine weitere Entwicklung skizziert der Wirtschaftsjournalist Clemens von Frentz, der auf die steigende Bedeutung von Börsengängen hinweist, die im Fachjargon Initial Public Offering, kurz IPO, genannt werden. Viele dieser IPOs werden in diesem Jahr aus dem Immobilienbereich kommen, "eine Sparte, die momentan als ausgesprochen ‚sexy' gilt", so Frentz. Anstehen würden die Börsengänge der AVW Immobilien AG aus Buxtehude, der Münchener Ariston Real Estate AG und der Corpus Immobiliengruppe. Letztere hatte im Oktober 2005 die 5100 Werkswohnungen der Berliner GHG übernommen. Der Gang an die Börse bietet für die investierenden Fonds eine Möglichkeit, sich der Immobilienbestände wieder zu entledigen - nachdem einiges Geld damit verdient wurde und weitere Renditesteigerungen nicht mehr zu erwarten sind oder diese Renditesteigerungen als nicht ausreichend angesehen werden. Ein Börsengang stellt somit einen Ausstieg, in der Branche Exit genannt, dar.

Ähnlich spektakulär wie der Börsengang der Gagfah (Fortress) im Oktober letzten Jahres könnte sich der baldige Börsengang der Deutschen Annington vollziehen. Mit 232.500 Wohnungen ist die Annington der größte private Wohnungsvermieter Europas, der eine ähnliche Exit-Strategie wie Fortress verfolgen dürfte. Fortress hatte mit der Börsenplatzierung von lediglich 20% seiner Gagfah-Anteile rund die Hälfte des investierten Eigenkapitals eingenommen. Je nach Markt- und Zinsentwicklung werden weitere Anteile an die Börse gehen. Auch den Wohnungen der GSW könnte dieser Weg bevorstehen. Zum ersten Mal seit der Privatisierung an Cerberus soll ein Geschäftsbericht veröffentlicht werden. Dies sei Teil der Vorbereitung einer Umwandlung zur Aktiengesellschaft, so ein Insider, der von der Presseagentur ddp mit den Worten zitiert wird: "Transparenz ist nichts für Heuschrecken - bis sie an die Börse wollen."

Mietermobilisierung

Angesichts der sich ausweitenden Käufe und Weiterverkäufe durch Finanzinvestoren stellt das Handelsblatt ganz sachlich fest, dass "Wohnungen eine Handelsware sind, die inzwischen wie ein Massengut umgeschlagen wird." Eine Situation, die Dr. Ursula Weidenfeld, stellvertretende Chefredakteurin des Tagesspiegels, auch für Berlin feststellt: "Die Entwicklung des Berliner Immobilienmarkts kann man ohne Übertreibung als atemberaubend bezeichnen." Probleme sieht die Redakteurin daraus nicht erwachsen. Allerdings sollten viele Mieter/innen "spätestens jetzt anfangen, sich Gedanken zu machen." Denn die Zeit, in der "jene Mehrheit von Vermietern, die mit Rücksicht auf ihre regelmäßig zahlenden Mieter Zurückhaltung beim Mietzins üben", wird, so Weidenfeld "bald sein Ende finden." Doch auch steigende Mieten sind kein Grund, um Trübsal zu blasen. Denn, so tröstet uns Frau Dr. Weidenfeld in ihrem zukunftsweisenden Kommentar: "Angesichts des Bevölkerungsschwunds muss das nicht schlimm sein - eine neue bezahlbare Wohnung findet man als Mieter wahrscheinlich immer. Doch die Mieter müssen werden, was der Immobilienmarkt in der Globalisierung längst geworden ist: mobil."

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 320