MieterEcho 319/Dezember 2006: Der Blick in die Weite

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MieterEcho 319/Dezember 2006

Quadrat BERLIN

Der Blick in die Weite

Nach zehn Jahren Kampf und Vorbereitungen beginnt im Frühjahr endlich der Bau des Parks auf dem Gleisdreieck

Christoph Villinger

"Es macht richtig Spaß, einen Park zu bauen", freute sich Hendrik Gottfriedsen, Geschäftsführer der landeseigenen Grün Berlin GmbH Mitte November auf einer Bürgerversammlung. Fast hundert Anwohner aus dem Kreuzberger Kiez rund um die Hornstraße waren erschienen, um am ersten "Planungsforum zum Park auf dem Gleisdreieck" teilzunehmen. Aufbruchstimmung herrschte, denn der rund 32 Hektar große Park soll ab Januar 2007 gemeinsam von Anwohner/innen, Initiativen, Landschaftsplanern und den Vertretern von Land wie Bezirken entwickelt werden. Als Musterbeispiel für ein "prozessorientiertes Bürgerbeteiligungsverfahren", wie die Vertreterin der Senatorin für Stadtentwicklung betonte.

Das Gelände des Gleisdreiecks ist eine der letzten großen, zentral gelegenen Brachflächen Berlins. Früher als Bahngelände genutzt, entwickelte sich darauf in den letzten Jahrzehnten eine kleine Wildnis. Einen Teil des Geländes inklusive alter Lokschuppen nutzt das Deutsche Technikmuseum Berlin für Ausstellungen. Immer wieder versuchten Verkehrsplaner mit einer Stadtautobahn, der sogenannten Westtangente, die Gegend um den heutigen Potsdamer Platz an die Stadtteile im Südwesten der Stadt anzuschließen. Damit wäre der innerstädtische Grünstreifen weitgehend zerstört worden. Selbst nach der Wende und dem Bau des Potsdamer Platzes gelang es der Bürgerinitiative Westtangente, die Träume von DaimlerChrysler und anderen Autoliebhabern in die Schranken zu weisen. So einigten sich nach langen Verhandlungen in den Jahren 2001 bis 2005 das Land Berlin, der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und die Vivico, die Immobiliengesellschaft der Bahn, auf einen städtebaulichen Rahmenvertrag. Dieser sieht im Wesentlichen vor, dass der Vivico an drei Stellen eine Verwertung von Teilen des Geländes durch Bebauung erlaubt wird. Und zwar in dem zurzeit unter anderem von einer Tankstelle genutzten Dreieck zwischen den beiden S-Bahnhöfen an der Yorckstraße, entlang einem Teil der Möckernstraße einschließlich der Ecke an der Yorckstraße sowie entlang der Dennewitz- und Flottwellstraße. Dafür wird der Rest zum Park. Mit viel Geduld und Energie gelang es in den letzten beiden Jahren auch, Pläne und Debatten um ein Riesenrad und einen möglichen Neubau eines Hochhauses am Landwehrkanal als neue Zentrale der Bahn AG abzuwehren. Schließlich gewann in diesem Sommer das Stadtplanungsbüro Atelier Loidl den Wettbewerb mit seinem Entwurf für die Parkgestaltung und sogar der symbolische erste Spatenstich konnte bei einem Bürgerfest schon vollzogen werden.

Bei der Präsentation seines Entwurfs betonte Lorenz Kehl vom Atelier Loidl, ihm gehe es "vor allem darum, fürs Auge die Weite der riesengroßen Fläche zu erhalten." Dies soll durch großzügige Rasenflächen gelingen. Außerdem will er möglichst viel der historischen Spuren erhalten wie die Mauern zu den angrenzenden Straßen, die Pflasterflächen, die Gleise sowie die ehemaligen Eisenbahnbrücken an der Yorckstraße. Das sogenannte Wäldchen will er "als Naturfläche schützen", ein Steg soll den Menschen den Zugang erlauben, ohne "überall rumzutrampeln". Je nach Bedarf werden sich bei den Rasenflächen Langgraswiesen und Flächen für "informelle Sportarten und Liegewiesen" abwechseln. Die im Südwesten des Parks vorgesehenen Sportflächen für Vereine gehören erst mal zu einem Ideenteil, dessen Realisierung noch nicht abzusehen ist.

Zusammenbringen von Bürgerwünschen und Architektenentwurf

"Jetzt geht es darum, den Entwurf der Architekten mit den konkreten Wünschen der Bürger und der Stadt zu verbinden", ergänzte darauf der Bauherr Gottfriedsen von der Grün Berlin GmbH, die öffentliche Grünflächen baut und betreibt. Zwei- bis dreimal im Jahr soll die Ideenplattform zusammengerufen werden. Vierzehntägig wird sich ab Januar eine Arbeitsgruppe treffen, in der die Fragen wie "wo kommt welcher Baum, welche Pflanze, welcher Stein hin?" diskutiert werden sollen. Auch die konkrete Ausgestaltung der Community Gardens, etwa 500 qm große Parzellen, die Gruppen von Bürgern gemeinsam gestalten und bepflanzen dürfen, soll hier besprochen werden. Auf dem Gelände soll ein Vor-Ort-Büro entstehen, ebenso plant die AG Gleisdreieck ein Café.

Doch bei aller "Friede, Freude, Eierkuchen"-Stimmung zeigten sich hier auch schon die ersten Kontroversen. So soll die Arbeitsgruppe aus zwölf Leuten bestehen, davon aber nur zwei Delegierte der Bürger. Abgesehen von der Frage, wie diese zu bestimmen seien, zeigte sich hier für manche Anwesenden die strukturelle Überlegenheit der staatlichen Verwaltung, die diese Treffen eben als Arbeitszeit abrechnen können.

Noch keine allseitige Öffnung erfolgt

Ebenso äußerten Bürger/innen aus dem Schöneberger Norden ihren Unmut, dass weiterhin kein provisorischer Eingang für sie etwa in der Verlängerung der Kurfürstenstraße eröffnet worden ist. Noch immer wird der Park als Westgrenze von Kreuzberg, aber nicht als Grünfläche zwischen Tiergarten, Schöneberg und Kreuzberg wahrgenommen.

Einen ganz anderen Blick auf die Grünflächen der Stadt ermöglicht die großräumige Stadtplanung. Das sogenannte Berliner Freiraumsystem sieht nämlich einen durchgehenden Grün- und Parkverbund vom Spreebogen in der Nähe des neuen Hauptbahnhofs bis hin zum Schöneberger Südgelände vor.

Mehr Information: www.berlin-gleisdreieck.de

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