MieterEcho 319/Dezember 2006: Signal aus dem Ruhrgebiet gegen Privatisierung

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MieterEcho 319/Dezember 2006

Quadrat PRIVATISIERUNG

Signal aus dem Ruhrgebiet gegen Privatisierung

Städtische Wohnungsbaugesellschaften wollen stärker kooperieren und wenden sich gegen Wohnungsverkäufe

Hermann Werle

Während in Berlin mit dem Verkauf weiterer Wohnungsbaugesellschaften - oder Teilen davon - zu rechnen ist, beschreiten sieben kommunale (bzw. kommunalnahe) Wohnungsunternehmen im Ruhrgebiet neue Wege jenseits der Privatisierung. Im Rahmen eines Kaminabends des Vereins "Pro Ruhrgebiet" schlossen die Geschäftsführer der Gesellschaften eine Kooperationsvereinbarung ab, in deren Mittelpunkt die "wohnungswirtschaftliche Nachhaltigkeit im Rahmen der Quartiers- und Stadtentwicklung" stehen soll. Laut einer Pressemitteilung ist das gesteckte Ziel der Allbau (Essen), Dogewo21 (Dortmund), Gebag (Duisburg), GGW (Gelsenkirchen), HGW (Herne), SWB (Mülheim) und der VBW Bauen und Wohnen (Bochum), "sich gemeinsam den aktuellen und künftigen Anforderungen und Veränderungen auf dem Wohnimmobilienmarkt im Ruhrgebiet zu stellen." Keine der Städte würde beabsichtigen, sich von ihren Wohnungsbauunternehmen zu trennen, wie die Geschäftsführer betonten.

Fiskalische Befreiungsschläge

Insgesamt werden dadurch rund 78.000 Wohnungen dem Zugriff privaten Kapitals entzogen. Angesichts dessen, dass das Land Nordrhein-Westfalen mit Berlin zu den Hochburgen der Wohnungsprivatisierung gehört, kommt dieser Kooperationsvereinbarung eine überfällige, aber auch eine deutliche Signalwirkung zu. Kritisiert wird die Privatisierungspolitik von den Wohnungsbaugesellschaften vor dem Hintergrund, dass eine ansteigende Zahl privater Haushalte nicht in der Lage ist, sich aus eigener Kraft mit angemessenem Wohnraum zu versorgen. Die Nachfrage nach preiswerten Wohnungen würde deshalb zunehmen, wodurch die Bedeutung der kommunalen Wohnungsgesellschaften hinsichtlich sozialer Aufgaben zunehmen wird. Die "regelrechte Privatisierungswelle" wird dieser Situation keinesfalls gerecht. Die Verkäufe seien zudem "kurzsichtige fiskalische Befreiungsschläge", wie es in der Presseerklärung der sieben Gesellschaften heißt, die "selten zur wirtschaftlichen Neuausrichtung durch konsequente Entschuldung" genutzt worden seien.

Stärkung der Bauwirtschaft

Die Positionierung aus dem Ruhrgebiet liefert noch einen weiteren bedeutsamen Hinweis, der in der Kritik an Privatisierungen häufig übersehen wird und den auch der rot-rote Senat in Berlin - wider besseren Wissens - tunlichst verschweigt. Denn mit einem Investitionsvolumen von über 150 Millionen Euro im Jahr sind die Wohnungsbaugesellschaften des Ruhrgebiets eine der maßgeblichen Stützen des örtlichen Handwerks und der Bauwirtschaft. Das sieht in Berlin nicht anders aus, wo die seit Jahren schwer kriselnde Bauwirtschaft durch die Privatisierungen zusätzlich unter Druck gerät. Nach einer Schätzung des früheren SPD-Abgeordneten H. G. Lorenz sind durch das Zurückfahren der Investitionen bei den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben rund 5000 Arbeitsplätze vernichtet worden. Diese Zahl bezieht sich auf jene Betriebe, die für die Wasserbetriebe gearbeitet haben. Im Unternehmen selbst sind seit der Teilprivatisierung rund 1200 Arbeitsplätze weggefallen. Nach Planungen von Senator Wolf sollen die Investitionen sogar noch weiter abgesenkt werden. Die beschäftigungspolitische Bilanz dürfte im Bereich der privatisierten Wohnungsbaugesellschaften kaum besser aussehen. Auch hier wird Personal abgebaut und Investitionen werden auf das Notwendigste zurückgefahren bzw. allein auf die Optimierung der Verwertung zugeschnitten. Ein Schicksal, welches für 78.000 Wohnungen im Ruhrgebiet abgewendet zu sein scheint.

Weitere Infos unter: www.proruhrgebiet.de

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