MieterEcho 319/Dezember 2006: Miete, Wohneigentum und ALG II

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MieterEcho 319/Dezember 2006

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Miete, Wohneigentum und ALG II

Das Bundessozialgericht traf zwei Entscheidungen

Zwar ist das Wohnen im Eigentum teurer und riskanter als das Wohnen zur Miete, genießt aber - vielleicht gerade deswegen - die größere Wertschätzung der politisch Verantwortlichen. Das ist nicht neu, jahrelang wurde der Erwerb von Eigentum, selbst der von gebrauchten Immobilien, so intensiv gefördert, als würden die Haushaltskassen von Goldeseln gespeist. Die Bundestagsabgeordneten und baupolitischen Sprecherinnen ihrer Parteien Eichstädt-Bohlig (Die Grünen) und Christine Ostrowski (Linkspartei.PDS) schafften es entgegen der Erwartungen der Immobilienlobby, die Eigentumswohnung in dem System der Riester-Rente zu verankern und auch die Hartz-Regelungen begünstigten von Anbeginn die Wohneigentümer.

Im November dieses Jahres hat sich auch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel dieser Sichtweise angeschlossen. Zur Verhandlung standen zwei Fälle - die Ergebnisse waren bemerkenswert unterschiedlich.

Einer Wohnungseigentümerin bestätigte das BSG, dass die Wohnung zum Schonvermögen gehöre und ließ sich über die Angemessenheit der Größe einer Eigentumswohnung folgendermaßen aus: "Bei der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der angemessenen Größe eines selbst genutzten Hausgrundstücks oder einer entsprechenden Eigentumswohnung ist im Regelfall in Ermangelung geeigneterer Richtgrößen weiterhin auf die zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Bestimmungen des II. Wohnungsbaugesetzes (II. WobauG) abzustellen. Zwar läge es nahe, auf die aktuellen Ausführungsbestimmungen der Länder zum Wohnraumförderungsgesetz zurückzugreifen. Dies würde aber zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, dass die bundeseinheitliche Leistung ALG II beim Vorhandensein von Wohneigentum von den erheblich differierenden Wohnflächen-Obergrenzen in den Fördergesetzen der Länder abhängig gemacht würde.

Mit ALG II in einer Eigentumswohnung...

Ausgehend von den Wohnflächengrenzen des § 39 WobauG sind Eigentumswohnungen nicht unangemessen groß, wenn die Wohnfläche bei einem Haushalt von vier Personen 120 qm nicht überschreitet. Bei einer geringeren Familiengröße sind typisierend für jede Person Abschläge von 20 qm vorzunehmen; wobei im Regelfall von einer Mindestzahl von zwei Personen auszugehen ist, so dass auch bei Einzelpersonen eine Größe von 80 qm als angemessen anzusehen ist."

... oder in einer Mietwohnung

Eine zweites Urteil beschäftigte sich mit der Angemessenheit von Mietwohnungen. Hier befand das BSG: "Die Angemessenheit einer Unterkunft für Hilfebedürftige lässt sich nur beurteilen, wenn die konkrete Größe der Wohnung festgestellt wird. Hierbei ist für die Angemessenheit der Größe einer Wohnung auf die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückzugreifen. Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als Vergleichsmaßstab ist dabei in erster Linie der Wohnungsstandard am konkreten Wohnort heranzuziehen."

"Quod licet jovi, non licet bovi"*, sagten die alten Römer. ALG-II-Beziehende sind also nicht gleich ALG-II-Beziehende. Die Eigentümer unter ihnen haben selbstverständlich Anspruch auf eine bundeseinheitliche Regelung, 80 qm sind für eine Einzelperson nicht zu groß, denn die Eigentümer haben ja noch gute Aussichten, einen Lebenspartner zu finden und dazu muss auch die bessere Wohnlage erhalten bleiben. Mieter hingegen sollten sich schon - mental zumindest - auf die Notunterkunft am Stadtrand vorbereiten, in der Nähe der Müllkippe und auch dort nicht allzu üppig mit Wohnraum ausgestattet, denn an eine eventuelle zukünftige Partnerschaft sei in einer solchen Situation eh nicht zu denken.

*) Lateinische Redewendung. Wörtlich: Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt. Sinngemäß: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.

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