MieterEcho 318/Oktober 2006: Bethanien bleibt Volkseigentum

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MieterEcho 318/Oktober 2006

Quadrat PRIVATISIERUNG

Bethanien bleibt Volkseigentum

Nach einjährigem Kampf hat die Initiative Zukunft Bethanien (IZB) gewonnen

Christoph Villinger

Das Bethanien in Kreuzberg kann sich nun zu einem kulturellen, künstlerischen, politischen und sozialen Ort entwickeln, denn gleich das erste Bürgerbegehren in Berlin auf Bezirksebene endete mit einem Erfolg. Anfang September wurde im letzten Moment ein fünf Punkte umfassendes Kompromiss-Papier unterschrieben. Ohne diesen Kompromiss wäre ein Bürgerentscheid notwendig geworden, bei dem alle Wahlberechtigten des Bezirks zur Abstimmung aufgerufen worden wären.

Unterzeichnet wurde das Kompromiss-Papier von Mitgliedern der Initiative Zukunft Bethanien (IZB) und den drei Fraktionsvorsitzenden von SPD, Linkspartei.PDS und Bündnis 90/Die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg. Anschließend stimmten die Abgeordneten der BVV mit einer satten Zweidrittelmehrheit zu. Bis vor einem Jahr plante der Bezirk, das Bethanien an einen privaten Investor zu verkaufen. Dieser wollte in dem ehemaligen Krankenhaus am Mariannenplatz ein "kulturelles Gründerzentrum" für Akteure der "Hochkultur" errichten.

"Jetzt gehen die Fenster des Bethanien auf und es weht ein neuer Wind", kommentierte sichtlich erleichtert Stefan Zackenfels, Kreuzberger SPD-Vertreter im Abgeordnetenhaus, das Ergebnis der Verhandlungen. Gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden Bernadette Kern (B 90/Grüne), Knut Mildner-Spindler (Linkspartei.PDS) und Andy Hemke (SPD) sowie mit Vertreter/innen der IZB verhandelte er am Abend vor der Sondersitzung der BVV bis tief in die Nacht. Insgesamt über 14.000 Unterschriften hatte die IZB in den letzten Monaten gegen die Privatisierung des Bethanien gesammelt und somit das erste Berliner Bürgerbegehren auf Bezirksebene auf den Weg bebracht. Falls es nicht zu einer Einigung zwischen BVV und IZB gekommen wäre, hätte Ende Oktober im Bezirk ein Bürgerentscheid stattgefunden. Dies wäre für den Bezirk mit Kosten in Höhe von rund 250.000 Euro verbunden gewesen.

Der Kompromiss sieht nun im Wesentlichen vor, dass "das Bethanien vorerst in öffentlicher Hand bleibt". Nur falls sich "nachweislich keine Lösungen ergeben", den Bezirk von den auf dem Gebäude liegenden sogenannten kalkulatorischen Kosten zu entlasten, kann es an einen "gemeinnützigen Träger übertragen werden". Somit ist die Privatisierung an einen Einzelnen klar ausgeschlossen. Dieser Träger muss sich am Grundgedanken der "Selbstverwaltung der Nutzer orientieren", aber auch "finanziell selbstragend sein". Aus dem Bethanien soll sich nun ein "integrativer Ort für kulturelle, künstlerische, politische und soziale Kommunikation und Interaktion" entwickeln, also genau der in den letzten Jahren von vielen Vertretern einer Hochkultur heftig bekämpfte "Gemischtwarenladen". Ebenso soll "die Gastronomie im Casino reaktiviert" und ein "selbstverwaltetes interkulturelles AnwohnerInnenforum eingerichtet" werden. Der weitere Umgang mit dem "Hausprojekt New Yorck" im besetzten Südflügel bleibt ungeklärt. Zwar ist "ein Gebrauch des Hauses zu privaten Wohnzwecken auszuschließen", aber ebenso wie bei den bewohnten Künstlerateliers im Haus ist dieser Begriff "privates Wohnen" bei einem Haus- und Kulturprojekt interpretierbar. An vielen anderen Stellen wird allgemein von den "NutzerInnen" des Hauses gesprochen, was die BesetzerInnen mit einschließt.

Fraktionen näherten sich IZB an

Der Kompromiss kam allerdings nicht überraschend zustande. Im Lauf der letzten Monate näherten sich die BVV-Fraktionen von SPD, B 90/Grüne und Linkspartei.PDS inhaltlich weitgehend dem Bürgerbegehren an. Für Außenstehende unterscheidet sich die 60-seitige Hochglanzbroschüre mit dem Konzept der IZB nur noch wenig von den "sechs Leitlinien zur Zukunft des Bethanien", die Vertreter von sozialen Projekten und Parteien im Auftrag des Bezirksamts entwickelten. Eine wichtige Rolle spielte dabei die sogenannte Mariannenplatzrunde, ein Zusammenschluss von meist in den Nebengebäuden des Bethanien beheimateten Sozialprojekten, denen immer noch der Verkauf über den Liegenschaftsfonds droht.

Nach der Abstimmung zeigten sich die zahlreichen im Rathaus versammelten Vertreter der IZB recht erschöpft vom tagelangen Verhandlungsmarathon. "Mensch muss sich noch mal vergegenwärtigen, wo wir vor gut einem Jahr angefangen haben", sagte Simone Kypke von der IZB. "Damals wäre das Haus fast still und heimlich an einen privaten Investor gegangen". Aber jetzt könne die Arbeit richtig anfangen. Auch der Baustadtrat Franz Schulz (B 90/Grüne) freut sich schon darauf, den "sich nun anschließenden modellhaften Prozess, ein Trägermodell mit Selbstverwaltungskern, zu entwickeln." Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) ließ sich für den Abend der Abstimmung entschuldigen. Sie gibt dem Bethanien "nur mit einem klaren Kunst- und Kulturprofil eine Zukunft".

Scharfe Kritik äußerte auch Christoph Tannert, der Geschäftsführer des Künstlerhauses Bethanien, das rund ein Fünftel des Hauses nutzt. Die Entscheidung sei eine "Katastrophe", sagte Tannert. Er warf den Bezirksverordneten vor, sie hätten sich von den Besetzern "einseifen" lassen. Diese handelten nicht im öffentlichen, sondern im "egoistischen Eigeninteresse". Tannert befürchtet, aus dem Bethanien vertrieben zu werden - obwohl dies niemand vorhat - und er will nun alle Möglichkeiten von Klage und Widerspruch nutzen.

Doch auf einen Bürgerentscheid brauchen die Kreuzberger/innen und Friedrichshainer/innen trotzdem nicht zu verzichten. Die CDU hat vor Kurzem beim Bezirksamt 6000 Unterschriften gegen die Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße eingereicht. Sollten genügend Unterschriften gültig sein, kommt es wohl um die Jahreswende zu einer Volksabstimmung. Da wird es keinen Kompromiss geben.

IZB

Die Initiative Zukunft Bethanien (IZB) ist ein Zusammenschluss verschiedener Einzelpersonen und Initiativen aus Kreuzberg. Die IZB hat(te) als Ziel, die Privatisierung des Bethanien zu verhindern und statt dessen unter "Beteiligung aller derzeitigen Nutzer/innen ein kulturelles, künstlerisches, politisches und soziales Zentrum von unten unter Beteiligung insbesondere auch der Anwohner/innen" zu schaffen.

Kontakt:

Mariannenplatz 2 (Südflügel des Bethanien)
10997 Berlin
Offene Treffen: mittwochs ab 19 Uhr
Büro: dienstags 16 bis 19 Uhr
Telefon: 0179 - 851 77 00
http://www.bethanien.info

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