MieterEcho 317/August 2006: Erschwerte Einsicht in Abrechnungsbelege bei Betriebskostenüberprüfungen

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MieterEcho 317/August 2006: Inhalt

Quadrat MIETRECHT AKTUELL

Erschwerte Einsicht in Abrechnungsbelege bei Betriebskostenüberprüfungen

Laut BGH haben Mieter/innen von preisfreiem Wohnraum grundsätzlich keinen Anspruch auf Zusendung von Fotokopien der Belege zur Betriebskostenabrechnung

Kommentar von Rechtsanwalt Henrik Solf

Alle Mieter/innen, die sich für ihre Betriebskostenabrechnung interessieren, stellen sich irgendwann die gleiche Frage: Stimmen die Zahlen überhaupt? Selbstverständlich haben alle Mieter/innen das Recht, diese Zahlen zu überprüfen und die der Abrechnung zugrunde liegenden Rechnungen einzusehen.

Im preisgebundenen sozialen Wohnungsbau hat der Gesetzgeber in der Neubaumietenverordnung die Auskunftspflicht des Vermieters normiert. Hier hat der Vermieter auf Verlangen alle notwendigen Belege zu übersenden. Für die übrigen Mietverhältnisse - also im preisfreien Wohnraum - hat der Gesetzgeber jedoch keine solche Regelung getroffen. Daher war es bislang in der Rechtsprechung umstritten, wie Mieter/innen ihren Anspruch auf die Auskunftspflicht durchsetzen können.

Eine schon im Rückzug befindliche, aber noch recht verbreitete Rechtsansicht gestand Mieter/innen immerhin ein Recht auf Übersendung von Kopien der Kostenbelege zu. Im Gegenzug sollten die Mieter/innen dem Vermieter die zwischen 0,10 und 0,50 Euro pro Blatt variierenden Kosten erstatten. Damit sollten die besonderen Aufwendungen bei der Kopieerstellung ausgeglichen werden. Nur vereinzelt wurde die Auffassung vertreten, dieser Aufwand gehöre zum normalen Betrieb einer Hausverwaltung.

Nach einer sehr mieterfreundlichen Mindermeinung hatte der Vermieter alle der Abrechnung zugrunde liegenden Belege in der Wohnung des Mieters vorzulegen. Denn Erfüllungsort des Mietvertrags sei der Ort der Mietsache, also die Mietwohnung. Daraus wurde gefolgert, dass alle anderen mietvertraglichen Verpflichtungen ebenfalls dort zu erfüllen seien. Die ordentliche Abrechnung gehört zu diesen Verpflichtungen genauso wie die detaillierte Auskunft über die zugrunde liegenden Kosten.

Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit diesem Problem zu beschäftigen hatte. Mit seinem Urteil vom 08.03.2006 (VIII ZR 78/05, veröffentlicht in MieterEcho Nr. 316) hat er die denkbar vermieterfreundlichste Position eingenommen. Er verneint ausdrücklich einen Anspruch der Mieter/innen gegen den Vermieter auf Zusendung von Kopien der Kostenbelege. Nur in besonderen Ausnahmen soll nach Meinung der Richter anderes gelten. Die Bereitschaft der Mieter/innen zur Kostenübernahme ändere daran nichts. Dem Interesse der Mieter/innen werde im Regelfall schon dadurch Rechnung getragen, dass sie beim Vermieter Einsicht in die Originalbelege nehmen und sich dabei - soweit erforderlich - fachkundiger Hilfe bedienen können. Entscheidend seien die Interessen des Vermieters, einerseits den Aufwand zu vermeiden, der durch die Anfertigung von Kopien entsteht, sowie andererseits mögliche Unklarheiten den Mieter/innen im Gespräch sofort erläutern zu können. So würde man Missverständnissen und zeitlichen Verzögerungen durch das Verlangen der Mieter/innen nach weiteren Kopien vorbeugen. Den daraus resultierenden erhöhten zeitlichen und materiellen Aufwand für die Mieter/innen ließ der BGH unerwähnt.

In diese Richtung bewegte sich die Rechtsprechung schon seit Jahren. Eine rechtsdogmatisch saubere Begründung findet sich dennoch in keinem der zu diesem Thema veröffentlichen Urteile. Der BGH argumentiert vor allem interessenorientiert. Er versucht, pragmatisch zwischen diesen zu vermitteln und schlägt sich dabei ohne Not auf die Vermieterseite. Offensichtlich soll die Ausübung des mieterlichen Prüfungsrechts deutlich erschwert, wenn nicht verhindert werden.

Dieses Mieterrecht wird aber so zur leeren Hülle. Dies weiß, wer sich tatsächlich schon einmal die Mühe gemacht hat, die Belege einer Betriebskostenabrechnung zu überprüfen. Für Ungeübte sind die vielen Rechnungen ohne fremde Hilfe kaum durchschaubar, geschweige denn, dass sich ihre Richtigkeit vor Ort überprüfen ließe. Natürlich können sich Mieter/innen durch Rechtsanwälte begleiten lassen oder einen Rechtsanwalt zur Überprüfung zur Hausverwaltung schicken. Die dadurch entstehenden Kosten werden sich jedoch kaum in einem angemessenen Verhältnis zur Streitsumme befinden. Gehen die Mieter/innen aber allein zur Hausverwaltung, werden sie nur schwer beweisen können, welche Belege ihnen trotz ausdrücklicher Aufforderung vom Verwalter nicht vorgelegt wurden.

Gleichwohl lohnt es sich weiterhin, den Vermieter um Übersendung einzelner Rechnungsbelege gegen Kostenerstattung zu bitten. Schließlich muss auch die Hausverwaltung abwägen, ob sie wirklich alle Mieter/innen einmal im Jahr in ihren Räumen empfangen will.

Erst einmal aber sollte man natürlich sorgfältig prüfen, ob die Einsicht in Rechnungsunterlagen überhaupt erforderlich ist. Dafür ist es sinnvoll, sich in der Beratungsstelle über die rechtliche Bewertung der Abrechnung und der sich daraus ergebenden Fragen zu informieren. Danach kann man um Übersendung möglichst genau bezeichneter Rechnungskopien bitten. Verweigert der Vermieter die Versendung und besteht auf Einsichtnahme in seinen Räumen, sollte man sich davon keineswegs abbringen lassen. Doch es ist - schon zu Beweiszwecken - empfehlenswert, ihn nicht allein aufzusuchen. Am besten vereinbart man einen Termin mit möglichst vielen Nachbarn bei der Hausverwaltung und bringt dazu einen Fotoapparat mit. Im Zeitalter der digitalen Fotografie sollten sich so mithilfe des Computers brauchbare Kopien fertigen lassen, die danach einer kompetenten dritten Person vorgelegt werden können.

Wer dabei sogar richtig viel Zeit mitbringt, könnte womöglich - ohne es zu wollen - den Betrieb der Hausverwaltung durcheinander bringen und vielleicht im nächsten Jahr wieder mit der Übersendung von Kopien rechnen.

Der Rechtsanwalt Henrik Solf berät Mitglieder der Berliner MieterGemeinschaft in der Beratungsstelle in der Oderberger Straße 50, Prenzlauer Berg.
Weitere Infos zu Henrik Solf unter http://www.hoelz-maschke-solf.de

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