MieterEcho 316/Juni 2006: Mietrechtsberatung im Sanierungsgebiet

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MieterEcho 316/Juni 2006

 TITEL

Mietrechtsberatung im Sanierungsgebiet

Interview mit Carola Handwerg, Rechtsanwältin und Beraterin der Berliner MieterGemeinschaft in der Beratungsstelle "Baobab" in Prenzlauer Berg

MieterEcho (ME): Sie beraten schon seit Jahren in einer Beratungsstelle der Berliner MieterGemeinschaft und auch für die Betroffenenvertretung Helmholtzplatz. Mit welchen Problemen kommen die Leute in die Beratungen?

Carola Handwerg (CH): Die Probleme reichen von der Bitte um die Kontrolle eines noch abzuschließenden Mietvertrags über alle Probleme, die ein Mietverhältnis so mit sich bringt wie Mängelbeseitigung, Mietminderung, Modernisierung, Untervermietung bis zur Kündigung und der Beendigung des Mietverhältnisses. Bei letzterer spielen Kündigungsfristen, Schönheitsreparaturen und die Frage "Wie bekomme ich meine Kaution zurück?" eine große Rolle.

Bei Umwandlung häufig Grundrissänderungen geplant

ME: Hat sich der Beratungsbedarf in Bezug auf geplante Modernisierungen in den letzten Jahren verändert? Sind die Mieter/innen heute mit anderen Eigentümerstrategien konfrontiert als noch vor vier oder fünf Jahren?

CH: Die Probleme haben sich insbesondere mit dem Wegfall der öffentlichen Förderung von Modernisierungen Anfang 2003 gewandelt. Der überwiegende Teil der Mieter/innen, die zu bevorstehenden Modernisierungen beraten werden wollen, ist mit der Umwandlung ihrer Wohnungen in Eigentumswohnungen konfrontiert. Diese Umwandlungen gehen oft einher mit Grundrissveränderungen im Gebäude, da die Planungen sich nicht an den vorhandenen Mietverhältnissen, sondern an der profitabelsten Veräußerung der Wohnungen orientieren. So werden in der Regel kleinere Wohnungen zusammengelegt und so genannte amerikanische Küchen vorbei an den Bedürfnissen der Mieter/innen geplant. Balkone und Aufzüge, die für Mieter/innen teuer werden, gehören in der Regel dazu. Da die Wohnungen meist schon mit den veränderten Grundrissen auf dem Markt angeboten werden, bevor die Mieter/innen von diesen Änderungen Kenntnis erhalten, ist der Druck der Vermieterseite besonders groß.

Keine soziale Härte bei Herstellung des ortsüblichen Standards

ME: Ihre Beratungsstellen liegen beide in Sanierungsgebieten. Welche Bedeutung haben das Sanierungsrecht und die Sanierungspolitik für die Modernisierungskonflikte?

CH: Die Mieter/innen erfahren oft von den Plänen des neuen Eigentümers durch eine Einladung der Mieterberatungsgesellschaft zu einer Mieterversammlung. Dort werden sie mit den Plänen konfrontiert, ohne über ihre mietrechtlichen Ansprüche im Fall einer Modernisierung beraten zu werden. Der Bezirk bietet Hilfe bei Umzügen und dem Abschluss von Modernisierungsvereinbarungen an. Die Möglichkeit so genannte Luxussanierungen, die über den ortsüblichen Standard hinausgehen, aufgrund sozialer Härte verweigern zu können, wird nicht erläutert. Der Bezirk versucht, diese Fälle durch das Angebot geförderter Wohnungen zu lösen, aber auch hier betragen die Mieten bereits 4,13 Euro/qm nettokalt. Für viele ist dies eine unerschwingliche Miete. Diese kann auch nicht durch den so genannten Härteausgleich abgefangen werden, der zwar für fünf Jahre gewährt, aber pro Jahr um 20% abgebaut wird.

ME: Ihre Mietrechtsberatung steht ja teilweise im Gegensatz zur Umzugsberatung der bezirklichen Mieterberatung. Gibt es da einen Kontakt und wenn ja, wie sieht der aus?

CH: Unsere Mietrechtsberatung ist natürlich mietrechtlich ausgelegt. Wir erklären den Mieter/innen, dass eine Modernisierung angekündigt werden muss und dann eine dreimonatige Überlegungsfrist besteht. Wir weisen darauf hin, dass die Ankündigungen oft nicht den formellen Erfordernissen entsprechen und aus Gründen der sozialen Härte die Modernisierung zum Teil nicht geduldet werden muss, wenn sie über den ortsüblichen Standard hinausgeht. Damit weicht unsere Beratung von der umzugsorientierten Beratung der Mieterberatungsgesellschaft ab. Diese reagiert darauf in der Regel mit der Unterstellung, dass unsere Beratung an der Erzielung einer größtmöglichen Abfindung orientiert ist und entziehen seit kurzem aus diesem Grund den von uns beratenen Mieter/innen die Umsetzwohnungen.

Konflikte bei Mietrechtsberatungen

ME: Das ist ja nicht die einzige Unterstellung mit der Sie konfrontiert sind. Von verschiedenen Sanierungsakteuren bis hin zum Baustadtrat Federlein (CDU) gab es den Vorwurf, Sie würden die Beratungen als Rechtsanwältin vor allem zu Ihrem privaten Vorteil nutzen. Stimmt das?

CH: Dieser Vorwurf betrifft vor allem die Beratung in der Betroffenenvertretung Helmholtzplatz, deren Mitglied ich bin. Diese Beratung führe ich mit meinen Kolleginnen seit Jahren ehrenamtlich durch. Das bedeutet, dass die Mieter/innen in dem Sanierungsgebiet in dem Kiezladen einmal wöchentlich eine kostenlose Beratung in Anspruch nehmen können. Auch die begleitenden Gespräche mit den Vermietern, der Mieterberatungsgesellschaft oder der Sanierungsverwaltungsstelle führen wir ehrenamtlich durch. Für den Fall, dass es zu einem Gerichtsprozess kommt, raten wir rechtzeitig zu einem Eintritt in die Berliner MieterGemeinschaft oder in andere Vereine, um das Kostenrisiko durch Abschluss einer Mietrechtsschutzversicherung zu minimieren. Im Übrigen nehme ich die hohe Anzahl der Ratsuchenden, die gerade nach der ersten Mieterversammlung in der Mieterberatungsgesellschaft zu uns kommen, als Bestätigung unserer guten Beratung an.

Beratung im Interesse der betroffenen Mieter/innen

ME: Da wir gerade über gute Beratung sprechen: Was würden Sie Mieter/innen raten, die im Rahmen einer Umwandlungsmodernisierung von den Umbauplänen des Eigentümers erfahren?

CH: In keinem Fall sollte man eine Entscheidung überstürzen, sondern eine Beratungsstelle aufsuchen, die ausschließlich im Interesse von Mieter/innen berät. Jedes Gespräch mit dem Vermieter sollten Mieter/innen nur nach vorhergegangener Rechtsberatung und mit einem Zeugen durchführen. Es erweist sich immer als Vorteil für Mieter/innen, mit den anderen Mieter/innen im Haus im regen Austausch über die Vorkommnisse zu bleiben und sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen.

ME: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Andrej Holm.

Carola Handwerg ist Rechtsanwältin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Mietrecht, Arbeitsrecht und Vertragsrecht. In mietrechtlichen Fragen berät sie für die Berliner MieterGemeinschaft e.V in der Beratungsstelle "Baobab" in Prenzlauer Berg. Sie ist Mitglied der Betroffenenvertretung am Helmholtzplatz und berät ehrenamtlich die Mieter/innen des anliegenden Kiezes.
Kanzlei: Rechtsanwältinnen Carola Handwerg, Sylvia Lunau, Cornelia Kofalk
Heinrich-Roller-Straße 17, 10405 Berlin
Tel.: 030 – 44054250, Fax: 030 – 44054252
E-Mail: handwerg.lunau@t-online.de
http://www.handwerg-lunau.de

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