MieterEcho 316/Juni 2006: Modernisierungsbetroffene pochen auf ihre Rechte

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MieterEcho 316/Juni 2006

 TITEL

Modernisierungsbetroffene pochen auf ihre Rechte

Die Rückkehr des Mietrechts in die Sanierungsgebiete

Andrej Holm

Förderrichtlinien und Mietobergrenzen, Sanierungssatzungen und Modernisierungsvereinbarungen - in den Sanierungsgebieten von Ostberlin gab es eine Vielzahl besonderer Regelungen und Instrumente für Wohnungsmodernisierungen zu beachten. Sanierungsbeauftragte und bezirklich eingesetzte Mieterberatungsgesellschaften unterstützten die Mieter/innen darin, die ihnen durch das Sanierungsrecht gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, denn letztlich ist die Wohnungsmodernisierung vor allem eine vertragsrechtliche Auseinandersetzung zwischen Mieter/innen und Vermietern. An der Tagesordnung waren Verhandlungen und Vereinbarungen anstatt Modernisierungsankündigungen und Gerichtsverfahren - teilweise schien es, als sei das normale Mietrecht in den Sanierungsgebieten außer Kraft gesetzt. Doch die Rahmenbedingungen der Stadterneuerung haben sich verändert und Mieter/innen setzen verstärkt und erfolgreich auf den Weg mietrechtlicher Auseinandersetzungen.

Um diesen Wandel zu verstehen ist ein Blick auf die Entwicklung der Stadterneuerung hilfreich. Bereits in den 1980er Jahren haben kritische Wohnungswirtschaftler/innen aufgezeigt, wie sehr bestimmte Förderbedingungen und staatliche Reglementierungen die Eigentümerstruktur beeinflussen. Steuerbegünstigungen locken andere Eigentümer zum Investieren als direkte Fördermittel - und starke Sanierungsauflagen und Umwandlungsverbote wirken auf bestimmte Eigentümergruppen abstoßend.

Die Erfahrung von 15 Jahren Stadterneuerung in Ostberlin bestätigt diese Annahmen: Die wechselnden Stadterneuerungsbedingungen haben sich relativ ungefiltert in den Eigentümerstrukturen niedergeschlagen.

Jede Wohnungspolitik erhält die Eigentümer, die sie verdient

Abhängig von den jeweiligen Eigentümertypen sahen sich die Bewohner/innen und auch die Institutionen des Sanierungsapparats mit verschiedenen Verwertungsstrategien konfrontiert. Insbesondere die sozialen Sanierungsziele und das Ausmaß an Verdrängung aus den modernisierten Häusern stehen in einem direkten Zusammenhang mit den jeweiligen Stadterneuerungsbedingungen. Hinsichtlich der vorherrschenden Finanzierungsmodelle und Eigentümerstrategien können für die Stadterneuerung der 1990er Jahre in Prenzlauer Berg drei Phasen unterschieden werden.

Geförderte Erneuerung - Anfang bis Mitte der 1990er Jahre

Die erste Phase - von der Festlegung der Sanierungsgebiete bis 1996 - war durch relativ umfangreiche Förderungen in der Stadterneuerung geprägt. Für fast zwei Drittel aller Maßnahmen floss öffentliches Geld. Im Rückblick auf die bisherige Gesamtzeit der Stadterneuerung wurde in den ersten drei Jahren etwa die Hälfte aller geförderten Wohnungen erneuert. Das Tempo der Sanierung war in dieser Zeit etwas höher als im gesamten Zeitraum. Im Durchschnitt wurden pro Jahr mehr als 2200 Wohnungen modernisiert. Das entspricht etwa 7% des Gesamtbestands in den Sanierungsgebieten. Die Eigentümer waren überwiegend professionelle, meist mittelständische Sanierungsfirmen, die zum Teil bereits in Kreuzberg Erfahrungen mit der geförderten Sanierung gemacht hatten. Hinzu kamen etliche Einzeleigentümer, die aufgrund der günstigen Steuerabschreibungsbedingungen Immobilien im Osten erworben hatten und diese nun im Rahmen staatlicher Programme sanierten. Die geförderten Maßnahmen erfolgten in einem hochregulierten Prozess von Auflagen, Sozialplänen und Kontrollen. Insbesondere die Sozialpläne und die durch die Förderprogramme gebundenen Mietpreise ermöglichten es einem Großteil der Mieter/innen, nach der Sanierung in ihre Wohnungen zurückzukehren. Der Anteil der Altmieter/innen nach Sanierungen in dieser Phase der Stadterneuerung lag bei über 50%. Die Förderprogramme wurden von vielen Mieter/innen akzeptiert.

Abschreibungserneuerung - von Mitte der 1990er Jahre bis 1999

Die zweite Phase der Stadterneuerung wurde von Abschreibungssanierungen dominiert. Die öffentlichen Fördermittel fielen in diesem Zeitraum bereits deutlich karger aus und weit mehr als die Hälfte aller Wohnungssanierungen wurde frei finanziert. Insgesamt wurden in einem Zeitraum von drei Jahren über 6100 Wohnungen erneuert. Das sind im Jahresdurchschnitt immer noch über 2000 oder etwa 6% des Gesamtbestands. Die dominierenden Eigentümer dieser Jahre waren BGB-Gesellschaften (GbR) und Immobilienfonds, die vorrangig zum Zweck der Steuerabschreibung aufgelegt wurden. Investoren hatten die Möglichkeit, die Modernisierungskosten innerhalb von sieben Jahren zu 100% steuerlich abzuschreiben. Die Sanierungsmaßnahmen setzten daher auf möglichst hohe Ausbaukosten und ein schnelles Tempo der Bauarbeiten. Die zu dieser Zeit geltenden Mietobergrenzen wurden von den Investoren weitgehend akzeptiert, da ja ihre Gewinne eher in den Abschreibungen denn in den Mieteinnahmen lag. Langfristig führte jedoch diese Art der Stadterneuerung zu enormen Mietsprüngen, denn nach Ablauf der Geltungsfristen der Mietobergrenzen (drei bis fünf Jahre) konnten auf der Basis des Mietspiegels Mieterhöhungen durchgeführt werden. Viele Mieter/innen fürchteten diese zu erwartenden Mietsteigerungen und wollten die hohen Modernisierungsstandards nicht akzeptieren. Vor allem Haushalte mit geringen ökonomischen Spielräumen fanden sich in der Verhandlungsorientierung des Sanierungsapparats nicht wieder und schlossen keine Modernisierungsvereinbarungen ab. Nur noch etwa 40% der Altmieter/innen kehrten nach der Sanierung in ihre Häuser zurück. Noch gab es in den Sanierungsgebieten kostengünstige Wohnungen in unsanierten Häusern und etliche Mieter/innen begannen, in den noch unsanierten Beständen zu rotieren, um einer Modernisierung zu entgehen. Bereits zu diesem Zeitpunkt erschien die Moderationsfunktion der bezirklichen Mieterberatungsgesellschaft als nicht mehr geeignet, die sozialen Sanierungsziele zu erreichen.



Umwandlungserneuerung - nach 2000

Seit 2000 gibt es keine Sonderabschreibung mehr in den Sanierungsgebieten und 2001 wurden die Förderprogramme zur Wohnungsmodernisierung eingestellt. Doch der von vielen befürchtete Einbruch der Investitionen blieb aus. Mit leicht verringerter Intensität wurden immer noch etwa 1300 Wohnungen pro Jahr in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg saniert. Geändert hat sich jedoch ein weiteres Mal die dominierenden Eigentümertypen und deren Verwertungsstrategien. Statt auf Fördergelder oder Abschreibung setzen die aktuellen Investoren auf eine Umwandlung in Eigentumswohnungen. Eine Reihe von Firmen wie die Maruhn Immobilien GmbH und Co KG, Vitalis und Profi-Partner verfolgen fast ausschließlich diese Modernisierungsstrategie und sanieren teilweise mehrere Häuser gleichzeitig. Meist werden die Wohnungen noch vor Beginn der Bauarbeiten an einzelne Kaufinteressenten veräußert. Mit den dadurch eingenommenen Geldern werden die Bauarbeiten finanziert. Meist werden dabei sehr hohe Standards realisiert, weil sich die Verkaufsangebote an den fiktiven Wohnwünschen der Wohnungserwerber orientieren. Die Mieter/innen haben in solchen Umwandlungsmodernisierungen nur wenige Möglichkeiten, eigene Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich der Grundrisse und der Standards mit den Eigentümern auszuhandeln. Die Eigentümer stehen außerdem aufgrund des bereits abgeschlossenen Verkaufs der künftigen Wohnung unter hohem Druck, ihre Pläne gegen die Mieter/innen durchzusetzen. Die Stadterneuerungsinstitutionen wie die S.T.E.R.N. und die bezirkliche Mieterberatungsgesellschaft stoßen in diesen Fällen mit ihrer bisherigen Verhandlungsorientierung an ihre Grenzen. Oftmals bleibt diesen 'Vermittlungsinstanzen' dann nur noch das Angebot einer Umsatzwohnung und solche Umsetzungen sind oftmals im Interesse der Umwandlungseigentümer. Denn Baufreiheit und Neuvermietungsmöglichkeiten bilden trotz der städtebaulichen Verträge, die sie zu einer Mietbegrenzung in 50% der Wohnungen verpflichten, günstige Rahmenbedingungen für das Umwandlungsgeschäft. Die Mieter/innen bleiben dabei auf der Strecke. Untersuchungen ergaben eine erschreckend geringe Altmieterquote von durchschnittlich nur 25%.

Von der Modernisierungsvereinbarung zur Duldungsklage

Im Lauf der Jahre haben sich die Rahmenbedingungen und Eigentümerstrategien in den Sanierungsgebieten mehrfach verändert. Die Position der Mieter/innen wurde dabei geschwächt und die Verdrängung durch Modernisierung wurde verstärkt. Verändert haben sich aber auch die Strategien der Sanierungspolitik. Insbesondere die "Angebote" des Sanierungsapparats haben sich für Mieter/innen Schritt für Schritt verschlechtert: Waren es zunächst kalkulierbare Mieten und klar geregelte Sozialpläne (Fördersanierung), später zumindest befristet gültige Mietobergrenzen und ein breit gefächertes Umsatzangebot (Abschreibungssanierung), so beschränkt sich die Arbeit der Mieterberatungsgesellschaft momentan fast ausschließlich auf die Organisation von Umsatzwohnungen. Kein Wunder also, dass eine wachsende Anzahl von Sanierungsbetroffenen mit den öffentlichen Angeboten unzufrieden ist und verstärkt die mietrechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der eigenen Interessen nutzt. Die Beratungsstellen der Berliner MieterGemeinschaft in den Sanierungsgebieten verzeichnen in den letzten Jahren einen Anstieg von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Insbesondere bei Umwandlungssanierungen mit Grundrissänderungen haben Mieter/innen auch ausgezeichnete Aussichten, denn Grundrissänderungen gehören nicht zu den duldungspflichtigen Modernisierungsmaßnahmen. (Weitere Infos zu Duldung und Härteklausel auf den nachfolgenden Seiten, die Red.) Auch wenn der Bezirk und die Sanierungsinstitutionen vor allem auf Verhandlungen und Modernisierungsvereinbarungen setzen: In den Sanierungsgebieten gilt nach wie vor das Mietrecht. In Förderhäusern und Gebäuden mit langjährigen Mietobergrenzen gab es sicherlich Situationen, in denen sich die Interessen der Mieter/innen im Schatten des Sanierungsrechts auch auf dem Verhandlungsweg durchsetzen ließen, doch wenn die Sanierung bereits im Ansatz den Status quo der Mieter/innen infrage stellt, gibt es nur wenig Verhandlungsspielräume. Da bleibt eigentlich nur der Weg in die Rechtsberatung.

Zugeständnisse der Eigentümer

Da von der Durchsetzung der geplanten Modernisierungsmaßnahmen oftmals das gesamte Finanzierungsmodell der Investition abhängt und auch lange Verfahrenszeiten negativ zu Buche schlagen, zeigen sich Eigentümer vor Gericht oft erstaunlich kompromissbereit. Nicht nur, dass viele Eigentümer für Ablösesummen tief in die Taschen greifen, in einigen Fällen wurde auch ein vollkommener Verzicht auf eine Modernisierungsumlage oder eine langjährige Mietgarantie auf dem Niveau der unsanierten Wohnung angeboten. Insbesondere für Haushalte, die auf eine preisgünstige Wohnung angewiesen sind und die trotzdem in ihrem Kiez wohnen bleiben wollen, sind solche Gerichtsprozesse oftmals die einzige Chance.

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