MieterEcho 316/Juni 2006: Gewinne privatisieren, Schulden sozialisieren

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MieterEcho 316/Juni 2006

 PRIVATISIERUNG

Gewinne privatisieren, Schulden sozialisieren

Die rot-rote Fortführung des Bankenskandals: Ein Schuldenberg von aktuell mindestens zehn Milliarden Euro wird dem Land Berlin aufgebürdet - und die Berliner Sparkasse soll privatisiert werden

Sabine Finkenthei, Hans-Jürgen Lindemann und Benedict Ugarte Chacon

Was negative Schlagzeilen angeht, war es in der letzten Zeit ruhig um die Bankgesellschaft Berlin AG. Diese hatte sich nach ihrem durch die Politik verhinderten Zusammenbruch im Jahr 2001 und dem Austausch ihrer Führungsetage zumindest insoweit fangen können, dass ihr jetziger Vorstandsvorsitzender Hans-Jörg Vetter keine Gelegenheit mehr auslässt, zu betonen, bei der Bankgesellschaft handele es sich nach entsprechenden Sanierungsbemühungen um eine "ganz normale Bank".

Dieser neue Zustand der Bankgesellschaft geht laut Vetter u. a. auf die nach dem "Bankenskandal" 2001 vorgenommene konsequente Ausrichtung des Konzerns auf die Region Berlin-Brandenburg und eine Verbesserung des Risikomanagements und des Risikocontrollings zurück. Nun mag es durchaus sein, dass Vetter es als normal betrachtet, wenn beispielsweise bis ins Jahr 2004 mit Norbert Pawlowski eine Person im Vorstand der Bankgesellschaft saß, welche sich schon seit 1998 für das Risikocontrolling verantwortlich zeigte und mit dieser Aufgabe offensichtlich überfordert war.

Eine "ganz normale Bank" - mit negativem Geschäftsergebnis

Zur neuen Normalität gehören weiterhin die seit 2002 alljährlich von Bankgesellschaft, Berliner Politik und Berliner Presse bejubelten "Gewinnsprünge" des Konzerns. So gab Vetter im Februar dieses Jahres bekannt, die Bankgesellschaft habe ihr Vorsteuerergebnis für das Geschäftsjahr 2005 mehr als verdoppelt und könne sich über einen Gewinn von 250 Millionen Euro freuen, der nach "steuerlichen Sondereffekten" gar zu einem Ertrag von 293 Millionen Euro gewachsen sei.

Wer die Erfolgsbilanz jedoch näher überprüft, der wird feststellen, dass der "erarbeitete" Gewinn überwiegend auf Einmaleffekte wie den Teilverkauf der Weberbank zurückzuführen ist und - ähnlich wie in den letzten Jahren - auf ein Zurückfahren der Risikovorsorge von ursprünglich 200 auf 147 Millionen Euro. Im operativen Geschäft erzielte der Konzern ein negatives Ergebnis von 10 Millionen Euro, während es im Jahr zuvor 22 Millionen Euro waren.

Rettung in zwei Stufen: Kapitalerhöhung und Risikoabschirmung

Zur alten wie auch neuen Normalität gehört der Umgang der Berliner Politik mit der Bankgesellschaft nach dem besagten Skandal, der ein solches Geschäftsergebnis erst ermöglichte. Wir erinnern uns: Die Bankgesellschaft wies für das Geschäftsjahr 2000 einen Fehlbetrag von 1,6 Milliarden Euro aus. Der Konzern hatte im Verbund mit Politikern von CDU und SPD - begleitet vom Totalausfall jeglicher Kontrollen - Risiken in Milliardenhöhe angehäuft, welche insbesondere auf sein Immobiliendienstleistungsgeschäft zurückzuführen waren. Nachdem die SPD den "Bankenskandal" für den Ausstieg aus der großen Koalition genutzt hatte, bildete sie zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen einen von der PDS tolerierten Übergangssenat und sorgte für eine Kapitalerhöhung von rund 1,8 Milliarden Euro. Seit dieser Kapitalerhöhung befindet sich das Land Berlin im Besitz von 81% der Aktien der Bankgesellschaft. Dies war die erste Stufe zur Rettung des Konzerns.

Unter dem seit Herbst 2001 regierenden rot-roten Senat erfolgte dann im April 2002 die so genannte Risikoabschirmung als zweite Stufe der Konzernrettung. Risikoabschirmung bedeutet, dass das Abgeordnetenhaus einem Gesetz (Risikoabschirmungsgesetz) zustimmte, welches den Senat ermächtigt, eine Landesgarantie für die angefallenen Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsbereich der Bankgesellschaft (den "Sorglos-Fonds" (s.u.)) zu übernehmen. D. h. für die Verluste aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft der Bankgesellschaft sollte von nun an die Berliner Bevölkerung aufkommen. Die abzuschirmende Summe wurde auf 21,6 Milliarden Euro hochgerechnet, wobei es sich um eine Summe handelt, die nur im schlimmsten Fall aufzubringen wäre. Die tatsächlichen Belastungen für den Landeshaushalt sollen also unter dieser Summe liegen. Seither betonen Berliner Politiker, insbesondere Finanzsenator Thilo Sarrazin, gebetsmühlenartig, es habe außer der angestellten Rettung des maroden Konzerns keine kostengünstigere Alternative für das Land Berlin gegeben. Diese Überzeugung ist im Grunde auf ein "Insolvenzszenario" zurückzuführen. Dieses stammt aus einem Gutachten, das im Auftrag des Finanzsenators erstellt wurde und welches die konkreten Auswirkungen einer Insolvenz der Bankgesellschaft auf den Landeshaushalt aufzeigen sollte. Nach eingehender Beratung dieses "Insolvenzszenarios" kam der Vermögensausschuss des Abgeordnetenhauses zu dem Schluss, dass eine Insolvenz den Landeshaushalt mit einem zweistelligen Milliardenbetrag belasten würde. Die Risikoabschirmung stelle also die "billigere" Lösung dar. Es wäre wahrscheinlich anmaßend, dem Finanzsenator in dieser Hinsicht Blauäugigkeit vorzuhalten - das "Insolvenzszenario" wurde von der Bankgesellschaft selbst ausgearbeitet.

Die Sorglos-Fonds

Das Immobiliendienstleistungsgeschäft war zunächst eines der wenigen Geschäftsfelder, auf dem die Bankgesellschaft vermeintlich erfolgreich agieren konnte. Dass sie für ihre Fondsanteile immer mehr Abnehmer fand, lag an den Garantien, die sie den Anlegern zu geben bereit war: So wurden Mieteinnahmen aus den in den Fonds befindlichen Objekten in der Regel über 25 Jahre - teilweise auch über 30 Jahre - garantiert. Wenn also ein Fonds, bspw. durch Leerstand in einigen Objekten, nicht die entsprechenden Einnahmen erbringen konnte, wollte die Bank für die garantierten Auszahlungen aufkommen. Weiterhin wurde den Anlegern die Rücknahme ihrer Fondsanteile zu 100% der Anlagesumme nach 25 Jahren und zu 115% der Anlagesumme nach 30 Jahren garantiert. Diese Garantien machten es für die Anleger irrelevant, was für Immobilien sich in diesen Fonds befanden und ob sie tatsächlich Mieteinnahmen erbringen konnten. Denn die Bank garantierte die Rendite und hinter der Bank stand das Land Berlin. Dieses System war für die Anleger so sicher wie der Erwerb von Bundesschatzbriefen. Die Bank allerdings blähte das Immobiliendienstleistungsgeschäft durch den unkontrollierten Ankauf von Schrott-Immobilien auf. Diese Immobilien hat nun das Land Berlin übernommen - ansonsten wäre die Bankgesellschaft unverkäuflich.

Dass es sich bei der rot-roten Verarbeitung des Bankenskandals tatsächlich um eine vergleichsweise "billige Lösung" für Berlin handelt, ist auszuschließen. Bei genauerem Hinsehen (s.u.) kommt man zu der Schlussfolgerung, dass die Rettung der Bankgesellschaft den Landeshaushalt mit einer Summe zwischen 12,9 und 15,4 Milliarden Euro belasten wird. Der befürchtete zweistellige Milliardenbetrag ist also schon erreicht. Welche Kosten auf das Land durch die übernommenen Immobiliendienstleistungsgeschäfte - sprich hauptsächlich Schrott-Immobilien aus den Sorglos-Fonds - zukommen, ist noch nicht absehbar. Immerhin: Sarrazin erhofft sich vom geplanten Verkauf der Bankgesellschaft einen Erlös von drei Milliarden Euro - dann bliebe eine Belastung des Landeshaushalts von mindestens zehn Milliarden Euro.

Folgekosten des Bankenskandals

Durch die Bankgesellschaft verursachte Kosten für den Landeshaushalt: Bislang liegt die Summe für die Inanspruchnahme der Risikoabschirmung ohne die Abfindung an die Zeichner der berüchtigten Sorglos-Fonds bei einer Summe zwischen 4,7 und 7,2 Milliarden Euro, deren Zahlung in den nächsten 20 Jahren erfolgt. Hinzu zu addieren sind:

Die EU verlangt den Verkauf der Bankgesellschaft - nicht den Verkauf der Sparkasse

Dass Berlin sich von seinen Anteilen an der Bankgesellschaft trennen muss, ist auf eine Auflage der EU zurückzuführen. Die Beihilfen des Landes Berlin zur Rettung des Konzerns - also Kapitalerhöhung und Risikoabschirmung - wurden von der EU zwar genehmigt, allerdings sah sie in ihnen eine Handlung wider Marktwirtschaft und Wettbewerb und stellte u. a. folgende Bedingungen: Das Land Berlin hat seine Anteile an der Bankgesellschaft Berlin AG zu verkaufen und sicherzustellen, dass die Bankgesellschaft die Berliner Bank, mittlerweile nur noch eine Abteilung der Landesbank Berlin (LBB), veräußert. Dass, wie z. B. vom wirtschaftspolitischen Sprecher der PDS, Benjamin Hoff, behauptet, die Berliner Sparkasse laut EU-Auflage verkauft werden müsse, ist schlichtweg falsch und spricht nicht für die Sachkenntnis dieses Politikers. In der EU-Auflage steht kein Wort zur Berliner Sparkasse. Vielmehr betonte die EU-Kommission auf Anfrage der EU-Abgeordneten Sarah Wagenknecht, dass das Land Berlin selbst im Rahmen des Umstrukturierungsplans die Veräußerung der Bankgesellschaft einschließlich der Berliner Sparkasse vorgesehen hätte. Dies bedeutet, der rot-rote Senat hat es seit dem Bankenskandal darauf angelegt, die Berliner Sparkasse zu verkaufen.

Das Sparkassengesetz als Voraussetzung für die Privatisierung

Aus Senatskreisen ist zu hören, dass Berlin sich durchaus bemüht habe, die Berliner Sparkasse weiterhin als ein am Gemeinwohl orientiertes öffentlich-rechtliches Institut zu erhalten. Zu diesem Zweck beschloss das Abgeordnetenhaus mit der Stimmenmehrheit von SPD und PDS am 16.06.2005 das Berliner Sparkassengesetz. Dieses Gesetz schafft jedoch die Voraussetzung dafür, dass die Berliner Sparkasse von einem privaten Investor übernommen werden kann - ein Novum in der bundesdeutschen Sparkassenlandschaft - und so bleibt dann auch von der beabsichtigten Gemeinwohlorientierung nichts mehr übrig. Nach dem neuen Gesetz wurde die LBB, bislang eine Anstalt öffentlichen Rechts, zum 01.01.2006 in eine Aktiengesellschaft (LBB AG) umgewandelt, wobei die Bankgesellschaft das gesamte Grundkapital der LBB AG übernahm. Die Berliner Sparkasse, bisher eine Abteilung der LBB, wurde zu einer teilrechtsfähigen Anstalt öffentlichen Rechts. Mit der Trägerschaft der Berliner Sparkasse wurde die LBB AG beliehen. Diese etwas merkwürdig anmutende öffentlich-rechtliche Konstruktion ist Augenwischerei. Die Berliner Sparkasse hat nach dem neuen Gesetz kein eigenes Vermögen mehr. Dieses ist vielmehr ihrem Träger, also der LBB AG, zugeordnet und wird eines Tages dem Käufer der Bankgesellschaft Berlin AG gehören. So unterscheidet sich dieses Modell nur scheinbar von den bereits bekannten Holdingmodellen der fast zusammengebrochenen Bankgesellschaft und der Berliner Wasserbetriebe.

Dies ist wiederum nicht allzu verwunderlich, denn entgegen der landläufigen Meinung machen in Berlin nicht die Politiker und Senatoren die Gesetze, sondern sowohl beim Sparkassengesetz als auch bei der Konstruktion der Berliner Wasserbetriebe waren hauptsächlich vom Senat beauftragte Kanzleien mit der Kreation von Gesetzes- und Vertragstexten betraut. Als Macher des Sparkassengesetzes feiert sich z. Zt. die internationale Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.

Freshfields Bruckhaus Deringer wiederum ist nach Medienberichten mit dem Bundesverband deutscher Banken und diversen Großbanken über Berateraufträge eng verbunden und diesen Auftraggebern sind die öffentlich-rechtlichen Sparkassen ohnehin ein Dorn im Auge. Im Übrigen hat diese Kanzlei auch das Land Berlin im Verfahren vor der EU-Kommission beraten.

Das Berliner Sparkassengesetz hat also ein gewisses Odeur. Zudem begegnen dem Gesetz erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, da das für eine Beleihung erforderliche so genannte demokratische Legitimationsniveau nicht erreicht ist. Die im Gesetz vorgesehene öffentliche Kontrolle der Berliner Sparkasse ist Makulatur - damit jedoch sicherlich im Interesse eines privaten Investors.

Es gibt einen weiteren fragwürdigen Punkt am Berliner Sparkassengesetz. Das Gesetz ermöglicht, dass die Gewinne der Berliner Sparkasse an einen privaten Träger ausgeschüttet werden können. Dies allerdings ist laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht mit § 40 Kreditwesengesetz vereinbar, da die Gewinne entweder beim Institut verbleiben oder gemeinnützig verwendet werden müssten. Finanzsenator Sarrazin wies hingegen die BaFin pikanterweise darauf hin, dass sie diese Einwände schon bei Konstruktion der Holding Bankgesellschaft Berlin AG hätte anbringen müssen. Dieser Konflikt wird z. Zt. in Brüssel ausgetragen. Wie zu vernehmen ist, wird um eine "Sonderregelung" für Berlin gerungen.

Girokonto für Arme? - Nicht mit einer privatisierten Sparkasse!

Das Hauptproblem bei der Privatisierung von Sparkassen bleibt allerdings, dass aufgrund der für den privaten Bankensektor garantierten Vertragsfreiheit nur öffentlich-rechtliche Institute einem Kontrahierungszwang gesetzlich unterworfen werden können. Kontrahierungszwang heißt, dass öffentlich-rechtliche Institute gesetzlich dazu verpflichtet werden können, ein "Konto für jedermann" anzubieten - dies ist eine Problematik, die in Zeiten von Hartz IV besonders relevant ist. Das Berliner Sparkassengesetz sieht einen solchen Kontrahierungszwang nicht vor, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zwar hat sich die Berliner Sparkasse gegenüber der Senatsverwaltung freiwillig selbst "verpflichtet" (nach einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 24.04.2003 gab dies einem Betroffenen einen einklagbaren Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos), aber angesichts eines Urteils des Oberlandesgerichts Bremen vom 22.12.2005 ist dieser Anspruch für die Zukunft nicht gesichert. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, wann diese Selbstverpflichtung zurückgenommen wird - diese könnte sich nämlich auf den Verkaufserlös auswirken und der soll ja nach Wunsch von SPD und PDS möglichst hoch ausfallen.

Einst versprach der große Finanzexperte der Berliner PDS, Carl Wechselberg: "Wir werden nicht die guten Teile der Bank weggeben und die Risiken behalten." Das bisherige Fazit zur Betrachtung des rot-roten Umgangs mit der Bankgesellschaft ist ernüchternd: Die Kosten für den Landeshaushalt sind höher, als der Bevölkerung mit dem Gerede vom "Mentalitätswechsel" weisgemacht werden sollte. Die Berliner bleiben auf den Schulden, Risiken und Schrottimmobilien sitzen - und sind zudem ihre Sparkasse los.

Initiative Berliner Bankenskandal

Die Autor/innen sind Mitglieder der Initiative Berliner Bankenskandal.
Büro: Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Tel.: 030-28482469
buero@berliner-bankenskandal.de
www.berliner-bankenskandal.de

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