MieterEcho 315/April 2006: "Träume kann man nicht kaufen"

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MieterEcho 315/April 2006

 BERLIN

"Träume kann man nicht kaufen"

Die Bewohnerinnen des Wagenplatzes Schwarzer Kanal müssen schon wieder eine Räumung befürchten

Peter Nowak

Am 16.02.2006 säumten zahlreiche Polizeifahrzeuge das Bezirksamt Mitte in der Klosterstraße. In der dritten Etage fand eine Bürgersprechstunde mit den Bewohnerinnen des Berliner Wagenplatzes Schwarzer Kanal statt.

Die Wagenbewohnerinnen wollten von den im Bezirksparlament vertretenen Parteien wissen, was sie für den Erhalt des Wagenplatzes unternommen haben, und welchen Spielraum das Bezirksamt hat, um eine drohende Räumung zu verhindern.

Räumungsdruck durch Investoren

Seit 1990 existiert das Wohn- und Kulturprojekt zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Jeden Sommer wurde es zum Anlaufpunkt für Kulturinteressierte, die auf dem Gelände der Wagenburg künstlerische Darbietungen genießen konnten.

Das änderte sich, als das Gebiet ein neues Medien- und Dienstleistungsviertel werden sollte, genannt "media spree". Der Verdrängungsdruck gegen langjährige Mieter/innen mit geringen Einkommen, kleine Läden aber auch alternative Wohnformen setzte ein.

Seit 1997 ist der Schwarze Kanal von Räumung bedroht, erinnerte denn auch der bündnisgrüne Bezirksverordnete Frank Bertelmann in der Fragestunde. 2002 musste der Schwarze Kanal dem Hauptsitz der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di weichen und die Wagenbewohnerinnen waren zunächst froh, dass sie nur wenige hundert Meter weiter einen neuen Platz fanden. Doch die neuen Nachbarn hatten wenig Verständnis für alternative Wohnformen. Zuerst klagte das Deutsche Architekturzentrum gegen den Wagenplatz. Durch diesen werde der Wert ihres eigenen Grundstücks gemindert, befürchteten sie. Dann versuchte die Office Grundstücksverwaltung GmbH mit Sitz in Frankfurt/Main, die ein Bürohaus neben dem Wagenplatz verwaltet, mit der Begründung, dass Wohnen im Bauwagen nicht den baurechtlichen Bestimmungen entspreche, den Schwarzen Kanal zu vertreiben. Nach einem längeren Rechtsstreit hat das Gericht der Grundstücksverwaltung Recht gegeben und das Bezirksamt zur Räumung aufgefordert. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, weil die Wagenbewohnerinnen Widerspruch einlegten. Wird der allerdings verworfen, ist eine Räumung wohl kaum zu verhindern. Das Bezirksamt hat dann keinen Spielraum mehr, erklärte Stadträtin Dorothee Dubrau während der Sprechstunde. Die Kläger können die Vollstreckung des Urteils erzwingen und Zwangsgeld gegen das Amt verhängen lassen, wenn es die Räumung nicht durchführt.

Änderung des Baurechts gefordert

Dabei unterstützt Dubrau den Erhalt des Wagenplatzes. Auch das Bundesbauministerium hat eine bundesweite Initiative zum Schutz von alternativem Wohnen gestartet. Das Baurecht soll so geändert werden, dass das Leben im Wagen nicht mehr gesetzlich sanktioniert werden kann. Vorhandene Gesetze gegen vermeintlich mobiles Wohnen waren in der NS-Zeit die Grundlage für Aktionen gegen Nichtsesshafte sowie Sinti und Roma und hatten für die Betroffenen oft tödliche Folgen. Die Stigmatisierung von alternativen Wohnformen ist bis heute nicht beendet, wie die Bewohnerinnen des Schwarzen Kanal immer wieder feststellen müssen. Sie wollen nicht aufgeben und weiter gegen die drohende Räumung mobilisieren. "Träume kann man nicht kaufen", heißt ein Slogan an einer Mauer vor dem Wagenplatz.

Derweil kümmern die Anfänge von "media spree" vor sich hin. Weil finanzkräftige Mieter fehlen, stehen ganze Etagen in den neuen Bürohäusern leer. Am Abend sieht man auf dem Areal der Neubauten nur Wachleute. Nur auf dem Gelände des Schwarzen Kanals herrscht reges Leben. Doch wie lange noch?

Kontakt:

Wagenplatz Schwarzer Kanal
Michaelkirchstraße 20, 10179 Berlin
schwarzer-kanal@web.de
http://www.schwarzerkanal.squat.net

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