MieterEcho 315/April 2006: Lange Reden, kein Konzept

MieterEcho

MieterEcho 315/April 2006

 PRIVATISIERUNG

Lange Reden, kein Konzept

Wie das Berliner Abgeordnetenhaus über Konzepte für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften debattierte

Hermann Werle

Konzepte für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die zweifelhaften Geschäfte der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) waren am 16.02.2006 Thema für eine "Aktuelle Stunde" im Berliner Abgeordnetenhaus. Alle im Parlament vertretenen Fraktionen hatten ihr großes Interesse bekundet, über diese Themen ausführlich debattieren zu wollen. Wer sich als Zuhörer/in neue Erkenntnisse und Hintergründiges erhofft hatte, kam auf jeden Fall zu kurz. Wo es interessant wurde, begann die übliche überfraktionelle Geheimniskrämerei. Fügt man jedoch einzelne Aspekte der Reden zusammen, so lassen sich wohnungspolitische Grundsätze formulieren, die in die richtige Richtung weisen.

Für die Debatte hatten Linkspartei und SPD den Antrag "Öffentlichen Wohnungsbestand des Landes Berlin durch ein tragfähiges Gesamtkonzept dauerhaft sichern" eingereicht. Der Antrag der CDU lautete: "Die Pleite der WBM - wann ist endlich Schluss mit dem konzeptionslosen Ausverkauf von Sozialwohnungen und Arbeitsplatzvernichtung in Berlin?" Ganz ähnlich das Thema der Fraktion der Grünen: "Statt chaotischem Ausverkauf - die städtische Wohnungswirtschaft auf eine zukunftsfähige Grundlage stellen!" Zudem forderten die Grünen in einem Dringlichkeitsantrag: "Machenschaften der alten WBM-Führung aufdecken." Ein Ansinnen, dem sich die FDP anschloss und außerdem wissen wollte, "inwiefern die Aufsichtsgremien der WBM ihrer Kontrollfunktion nachgekommen sind oder ob sie im Gegenteil bewusst Entscheidungen der Geschäftsführung herbeigeführt oder ausdrücklich gebilligt haben."

Begründung des Antrags

Zur Begründung des Antrags sprach für die Linkspartei-SPD-Koalition zunächst der SPD-Abgeordnete Gaebler. Aus Sicht der Koalition sei ein Bestand von 280.000 öffentlichen Wohnungen erforderlich, so Gaebler, und die anderen Fraktionen sollten doch ihre Vorstellungen präsentieren. Bei der FDP war das "ganz klar Ausverkauf bis zum Letzten." Die Grünen wollten "nur noch 150.000 Wohnungen übrig behalten" und bevorzugen statt eines "chaotischen Ausverkaufs" einen "geordneten Schlussverkauf". An die CDU richtete der SPD-Abgeordnete Gaebler die Frage, ob sie "eine Reduzierung auf Sozialwohnungen im Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaften" will.

Herr Kaczmarek (CDU) gab die Frage postwendend zurück: "Was will diese Koalition, die ja wohl die Regierung stellt?" Die Vorfälle in der WBM seien nur die Spitze des Eisbergs und zu fragen sei, wie zukunftsträchtig ein Konzept sei, das "sich auf den Verkauf von Wohnungen und die Entlassungen von Mitarbeitern bezieht." Die WBM mache schon seit Jahren nichts anderes. Außerdem, so der CDU-Abgeordnete, solle nicht nur darüber geredet werden, "was ein Unternehmensberater dem Herrn Finanzsenator aufgeschrieben hat." Auf der Seite der Privatisierungsgegner ist Kaczmarek deshalb aber noch nicht gelandet. Denn "überhaupt nichts" habe er gegen Vermögensprivatisierung, "ganz und gar nicht."

Für die Grünen wies der Abgeordnete Schruoffeneger darauf hin, dass sie gemeinsam mit der FDP schon frühzeitig auf die Schieflage und die drohende Insolvenz der WBM hingewiesen hätten. Herr Liebich von der PDS spiele nun "die verfolgte Unschuld und behauptet, der Koalitionspartner habe ihn nicht ausreichend informiert." "Die eigenen bekannten Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen und selbst nachzudenken," war der wohlgemeinte Ratschlag an die Linkspartei.

Zu der SPD-Konzeption, die von 280.000 städtischen Wohnungen ausgeht, vermerkte der Grüne: "Herr Gaebler! Auch Sie sind anscheinend getäuscht und hintergangen worden, denn so viele gibt es im Land Berlin gar nicht mehr. Sie haben schon viel zu viel verkauft!"


Wohnungsbaugesellschaften Berlin
Keine Lösung in Sicht!

Mit einem Redebeitrag des Abgeordneten Nelken (Linkspartei) begann die eigentliche "Aktuelle Stunde", bei der jeder Fraktion zehn Minuten Redezeit zustehen.

Selbstkritisch räumte Nelken mehrfach ein, dass "die Sanierung der kommunalen Wohnungswirtschaft nach wie vor eine ungelöste Aufgabe" sei. Im gleichen Atemzug warf er der Opposition vor, dass sie in den letzten Jahren auch nicht viel zu bieten hatte. Die FDP hätte "in ihrem Pawlowschen Privatisierungsreflex" immer gesagt: "Weg damit, weg damit; Staatswirtschaft ist immer Verschleuderung." Von der CDU wäre nur "Stimmungsmache und wenig Ahnung" zu vernehmen gewesen und die Grünen hätten mit ihren Vorstellungen eine "Verkaufsoffensive betrieben."

Für die CDU erklärte Herr Kaczmarek, ebenfalls keine Lösung zu haben. Vorstellungen einer Konzeption forderte er von der Linkspartei ein, die schließlich in der Regierung sei und es sich nicht so einfach machen solle, die "regierende Opposition" zu spielen.

Gegen den Vorwurf, die Entwicklung verschlafen zu haben, sprach der SPD-Abgeordnete Schimmler. So seien Vorstände und Aufsichtsräte ausgewechselt worden und die Schulden der sechs Wohnungsbaugesellschaften seien um eine Milliarde Euro verringert worden. Berlin brauche als Mieterstadt "weiterhin städtische Wohnungsbaugesellschaften, damit wir Einfluss behalten bei Nachfragedruck auf Mieten, damit wir nicht nur Wohnungen für sozial Schwache zur Verfügung stellen, sondern auch auf den Mietpreisspiegel Einfluss nehmen können", bekannte sich Schimmler zu den städtischen Gesellschaften, wollte aber weitere Verkäufe nicht ausschließen, "wenn die Liquidität eines Unternehmens in Gefahr ist."

"Entsetzt" zeigte sich die Abgeordnete Oesterheld (Grüne) über die Ausführungen Schimmlers, hatte sie doch gehofft, "dass es jetzt endlich einmal geknallt" hätte. Die Schulden bei den meisten Gesellschaften hätten zugenommen, "obwohl permanent Wohnungen verkauft wurden." Die Wirksamkeit der Auswechslungen in den Vorständen und Aufsichtsräten zweifelte Oesterheld mit den Worten an: "Wenn Sie meinen, Herrn Bielka auf einen Geschäftsführerposten setzen zu müssen, wenn Sie meinen, Herrn Gegenbauer, der bei der Bankgesellschaft sehr aktiv war, als Aufsichtsrat wieder in die Wohnungsbaugesellschaft setzen zu müssen, dann ist der Mentalitätswechsel gleich null.

An die PDS gewandt kann ich nur sagen: Auch Sie lassen so etwas zu! So lange diese Personalmauschelei läuft, bei der es nicht um Qualität, sondern Vertuschung geht, kann es mit diesen Gesellschaften nicht aufwärts gehen."

Klarheiten bezüglich der in den Anträgen formulierten Fragestellungen brachte die Aktuelle Stunde nicht. Weder wurde ein "tragfähiges Gesamtkonzept" vorgestellt, noch die Frage geklärt, wann "endlich Schluss mit dem konzeptionslosen Ausverkauf von Sozialwohnungen und Arbeitsplatzvernichtung in Berlin" ist. Die "Machenschaften der alten WBM-Führung" sowie die Verantwortung der "Aufsichtsgremien der WBM" blieben ebenfalls im Dunkeln.

Geprägt war die Debatte von widersprüchlichen Aussagen, gegenseitigen Schuldzuweisungen und vielfach zutreffender Kritik in alle Richtungen. Mit dem von der FDP immer wieder hervorgebrachten Vorschlag der Totalliberalisierung, das heißt alles zu verkaufen, was dem Land Berlin noch gehört, stehen die Liberalen zu Recht allein da - nicht die CDU und auch nicht die Grünen würden derzeit so weit gehen. Und auch die Kritik der SPD und Linkspartei an der Opposition ist nicht von der Hand zu weisen, viel Gehaltvolles ist da nicht zu erkennen. Die konzeptionslose Herangehensweise des SPD-Linkspartei-Senats wird wiederum von der Opposition zu Recht kritisiert. Nicht zuletzt die GSW wurde von diesem Senat verkauft und das auch noch weit unter Wert und ohne Rücksicht auf die Mieter/innen. Der Hinweis von Barbara Oesterheld an die Linkspartei, dass sie dem Verkauf der GSW zugestimmt habe und nicht so tun könne, als seien alles "Altlasten", ist vollkommen richtig, ebenso die Kommentierung Herrn Meyers von der FDP, dass die PDS-Fraktion des Öfteren als Tiger gestartet und dann als Bettvorleger gelandet ist.

Das Beste für die Mieter/innen

Etwas Positives lässt sich aus der Debatte dennoch herausfiltern. Fasst man einige Vorschläge der Fraktionen zusammen, ergibt sich ein - wenn auch nicht vollständiges - Mieter/innen-freundliches Menü:

Man nehme die Aussage Herrn Gaeblers von der SPD, keine weiteren Wohnungen zu verkaufen plus das Versprechen der Linkspartei, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und keine weiteren In-sich-Geschäfte zu tätigen, verrühre dies mit der Aufforderung der CDU, Unternehmensberatern nicht über den Weg zu trauen und dem Ansinnen der Grünen, die Führungsetagen der Wohnungsbaugesellschaften zu entfilzen, so fehlt nur noch das Sahnehäubchen der FDP, Fehler und die Verantwortung der Aufsichtsgremien aufzuklären.

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