MieterEcho 314/Februar 2006: Ein Entmietungsversuch von Format

MieterEcho

MieterEcho 314/Februar 2006

 BERLIN

Ein Entmietungsversuch von Format

Kreuzberger Mieter/innen wehren sich gegen Vertreibung

Peter Nowak

Der Hinterhof ist dunkel, nur eine Klingel funktioniert. Dabei ist an den Namensschildern für das zweite Hinterhaus der Reichenberger Straße 114 unschwer zu erkennen, dass hier 16 Mieterparteien leben. Doch die defekte Klingel und die fehlende Außenbeleuchtung sind noch das Geringste, was die Bewohner/innen beklagen. "Schon seit Jahren werden hier vom Besitzer keinerlei Reparaturen mehr durchgeführt", berichtet Simone, eine der Mieter/innen. Selbst das kaputte Dach mussten sie in Eigenregie reparieren. Inzwischen haben die Mieter/innen die Erwartung aufgegeben, dass Reparaturen vom Hausbesitzer übernommen werden. Dafür haben sie die Miete nach den gesetzlichen Bestimmungen gemindert. "Um das Notwendige kümmern wir uns selbst", meinte Hausbewohner Jörg.

Die Firma Format, die das Gebäude im Auftrag der Brauner Eigenheim und Grundstücks KG verwaltet, zeigt zwar keinerlei Initiative, wenn es um Reparaturen geht. Doch ihre Versuche, die Mieter/innen vor die Tür zu setzen und dabei sämtliche Mieterrechte zu ignorieren, scheinen durchaus von Format zu sein.

Lange haben die Mieter/innen versucht, den Streit gütig zu regeln. Erst als die Hausverwaltung darauf nicht einging und der Streit eskalierte, gingen sie Ende November an die Öffentlichkeit und listeten die Maßnahmen auf, mit denen sie vertrieben werden sollen.

Unrechtmäßige Kündigungen

Zum 01.02.2005 wurden die Wohnungen in der ersten und dritten Etage des zweiten Hinterhauses gekündigt. Doch die Kündigungen erlangten keine Rechtswirksamkeit, weil die Personen gegen die die Kündigungen ausgesprochen wurden, schon lange nicht mehr im Haus wohnten. Ende Mai wurden dann sämtliche Mieter/innen von der Hausverwaltung schriftlich aufgefordert, ihre Wohnungen zum 01.06.2005 zu verlassen. Die Mieter/innen reagierten darauf ebenfalls nicht. "Die Kündigungsschreiben waren so verfasst, als gäbe es gar kein Mietrecht. Außerdem haben nicht mal alle Etagen das Schreiben zugestellt bekommen", erklärte eine Bewohnerin.

Am 01.06.2005 seien dann im Auftrag der Hausverwaltung zwei Elektriker erschienen, die Zugang zu den Stromkästen des Hauses begehrten. Da sie über ihre genauen Arbeiten keine Auskunft geben wollten, wurde ihnen der Zutritt verweigert. Eine Stunde später kamen die Elektriker mit einem Angestellten der Hausverwaltung und der Polizei wieder. Der Hausverwaltungsangestellte erklärte, er habe die Elektriker beauftragt, den Strom im ganzen Haus abzustellen, weil die Bewohner seit einem Monat gekündigt seien. Die Mieter/innen benachrichtigten einen Anwalt, der der Polizei die Unrechtmäßigkeit einer Stromabstellung verdeutlichen konnte. So mussten die Elektriker und der Mitarbeiter der Hausverwaltung unverrichteter Dinge abziehen.

Doch nur zwei Wochen später gab es erneut Alarm im Kreuzberger Hinterhaus. Am 16.06. 2005 wollte der gleiche Angestellte der Hausverwaltung zusammen mit Installateuren die Wasserzufuhr kappen. Die Wasserleitung entspreche nicht mehr den aktuellen Vorschriften, lautete die Begründung. Die abermals benachrichtigte Polizei erklärte die Maßnahme für unrechtmäßig, sodass die Hausverwaltung erneut das Nachsehen hatte.

Bewohnerschikane live bei Sat.1

Doch entmutigen ließ sich die Firma Format trotzdem nicht bei dem Ziel, die Mieter/innen loszuwerden. Am 27.07.2005 erschien die Bewag mit einem Kamerateam des Senders Sat.1 vor dem Eingang des Hinterhauses. Das Fernsehteam wollte im Rahmen einer Serie über unbezahlte Stromrechnungen in Kreuzberg die Stromabsteller bei der Arbeit filmen. Doch die Mieter/innen ließen sich nicht vorführen und verweigerten ihnen mit dem Verweis auf das Mietrecht den Zugang. Das Kamerateam konnte so nur die Außenfassade filmen. In der Moderation der Sendung wurde dann wahrheitswidrig behauptet, das Haus sei besetzt.

Ein weiterer Versuch der Hausverwaltung gemeinsam mit der Bewag Zugang zum Gebäude zu bekommen, wurde im August von den Mieter/innen wiederum mit dem Verweis auf das Mietrecht vereitelt. Der Bewag-Mitarbeiter erklärte gegenüber den Mieter/innen, es gäbe eine Anzeige der Hausverwaltung, in der sie des Stromklaus beschuldigt würden.

Kurz darauf kündigte die Bewag eine Kontrolle der Stromzähler für den 04.09.2005 fristgemäß an. Nach der Überprüfung der Zähler und der Leitungen entschuldigten sie sich für die unangemeldeten Besuche und bekräftigten, dass mit den Zählern alles in Ordnung sei und die Beschuldigungen der Hausverwaltung jeder Grundlage entbehren.

Am 20.09.2005 wurde die Wasserversorgung für das zweite Hinterhaus unterbrochen. Die Leitung war an einer Stelle angeschnitten, sodass das Wasser in den Keller lief. Die Mieter/innen hatten die defekte Wasserleitung sogleich auf eigene Kosten repariert. Damit hatten sie bekanntlich Erfahrung.

Am 21.11.2005 hatte die Hausverwaltung angekündigt, die Mieter/innen aus ihren Wohnungen zu werfen. Die Presse wurde informiert, doch der angekündigte Besuch blieb aus. Nach ihren Erfahrungen der letzten Monate sind die Mieter/innen allerdings sicher, dass der nächste Vorstoß von Format nicht lange auf sich warten lassen dürfte.

Entmietungsaktionen wie in den 1980er Jahren

"Mich erinnert das Gebaren dieser Firma an üble Entmietungsaktionen wie sie in den 1980er Jahren in Berlin bekannt waren", erklärt der auf Mietfragen spezialisierte Berliner Rechtsanwalt Moritz Heusinger. Gegenüber dem MieterEcho bezeichnet er das Verhalten der Hausverwaltung als juristisch völlig unhaltbar. Obwohl es nachweislich Verträge für einen Großteil der Wohnungen in dem Haus gibt, tut die Verwaltung so, als existierten diese Verträge nicht.

Simone blättert in den Verträgen, die immer noch für das Gebäude gültig sind. Doch darauf will sie sich nicht mehr verlassen. Die Mieter/innen sind an die Öffentlichkeit gegangen. Sie suchen auch Kontakt zu Mieter/innen, die ebenfalls in von der Firma Format verwalteten Häusern wohnen. Für die Kontaktaufnahme haben sie unter format-betroffene@gmx.de eine E-Mail-Adresse eingerichtet.

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