MieterEcho 312/Oktober 2005: Editorial

MieterEcho

MieterEcho 312/Oktober 2005

 EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

der Soziale Wohnungsbau pfeift in Deutschland auf dem letzten Loch. Für Mieter/innen ist es ein Trauermarsch und für Private Equity Fonds eine muntere Aufforderung zum Tanz. Von den Private Equity Fonds erwartet die Deutsche Bank, dass deren "Begeisterung für deutsche Wohnimmobilien noch mindestens ein bis zwei Jahre anhält und dass bis zum Jahr 2010 Portfolios mit einem Gesamtvolumen von gut einer Million Einheiten den Besitzer wechseln."

Der Bestand an Sozialwohnungen verringert sich gleichzeitig kontinuierlich, denn neue Wohnungen kommen kaum noch hinzu. Während auf europäischer Ebene ein Bestand von 20% Sozialwohnungen als erstrebenswert angesehen wird, sind es in der Bundesrepublik Deutschland gerade noch 5%.

In keinem anderen europäischen Land wird eine vergleichbar rigorose Liberalisierung des Wohnungsmarkts betrieben.

Wohnungsbaupolitik findet hier nicht mehr statt, nur die Eigentumsförderung genießt weiterhin Wertschätzung.

Die rot-grüne Regierung hat die Weichen für eine nachhaltige Wohnungsnot in der Zukunft gestellt. Wenn man in Rechnung stellt, dass in Berlin die Senatorin für Wohnungs(rück)bau Junge-Reyer keine Mittel für den Wohnungsabriss scheut, wird das ganze Ausmaß der politischen Kraftanstrengungen deutlich, um aus der Bundesrepublik Deutschland ein wohnungspolitisches Entwicklungsland zu machen.

Die Aussagen der Parteien vor der Wahl spiegeln diese Situation wider. Keine hat sich zum Sozialen Wohnungsbau bekannt. Bundespolitisch wird er als toter Hund behandelt, dessen Beerdigung man den Ländern überlässt. In diesem Zusammenhang zumindest muss die Aussage der CDU verstanden werden: "Es muss auch in der Perspektive die Möglichkeit zur Förderung des Mietwohnungsbaus bestehen, wenn Mietpreisentwicklung und Wohnraumangebot die Chancen für Menschen mit unteren Einkommen für angemessenen Wohnraum erheblich beeinträchtigen. Diese Förderung könnte jedoch noch stärker in die Verantwortung der Länder gelegt werden."

Der wohnungspolitische Sprecher der SPD meinte nicht ohne Zufriedenheit: "In 2005 stehen mehr als 200 Millionen Euro Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung." Er vergaß aber in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass im gleichen Zeitraum über sechs Milliarden Euro für die Förderung des Wohneigentums ausgegeben werden.

Für Bündnis 90/Die Grünen war Sozialer Wohnungsbau überhaupt kein Thema mehr, allenfalls als Bestandserhaltung: "Schwerpunkt der sozialen Wohnraumförderung bleibt aber der Erhalt und die Modernisierung des bestehenden Wohnungsangebots und eine flexible und bedarfsorientierte Sicherung von preiswertem Wohnraum in den Städten."

Die FDP - wen wundert's - "vertritt jedoch die Auffassung, dass die staatliche Wohnungsbauförderung durch den Bund (Objektförderung) den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird."

Die Bedeutung des Sozialen Wohnungsbaus für den sozialen Zusammenhalt wird auf europäischer Ebene erörtert. Ob und wann die Ergebnisse dieser Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland ankommen, ist noch höchst ungewiss.

Ihr MieterEcho

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