MieterEcho 311/August 2005: Urteil - Mieterhöhung und Sachverständigengutachten

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MieterEcho 311/August 2005

quadrat RECHT UND RECHTSPRECHUNG

Mieterhöhung und Sachverständigengutachten

Ein im Rechtsstreit eingeholtes Gutachten ist dem Berliner Mietspiegel 2003 vorzuziehen, da es speziell auf das jeweilige Mietobjekt abgestimmt ist.

AG Schöneberg, Urteil vom 04.01.2005 - 11 C 657/03 - (nicht rechtskräftig)

In dem Rechtsstreit ging es um die Klage eines Vermieters gegen den Mieter auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung gemäß § 558 BGB. Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass das Mieterhöhungsverlangen formal einwandfrei war und die Klage fristgerecht erhoben wurde.

Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete hat das Amtsgericht das Gutachten eines Sachverständigen angefordert. Nach dem Inhalt dieses Gutachtens lag die vom Mieter gezahlte Miete über der durch den Sachverständigen ermittelten ortsüblichen Vergleichsmiete, so dass die Klage des Vermieters abgewiesen wurde.

In der Urteilsbegründung vertrat das Amtsgericht die Ansicht, dass ein Sachverständigengutachten nicht deshalb entbehrlich oder gegebenenfalls sogar ungeeignet sei, weil der Berliner Mietspiegel 2003 hinreichende Ermittlungsgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete zur Verfügung stelle. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall möglicherweise auch die Anwendung des Berliner Mietspiegels zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte, sei ein im Rechtsstreit eingeholtes Gutachten eines Sachverständigen dem Mietspiegel vorzuziehen. Ein solches Gutachten sei speziell auf das streitgegenständliche Mietobjekt abgestimmt, während die Ermittlung der Vergleichsmiete durch den Mietspiegel zwangsläufig mit einer gewissen Pauschalierung verbunden sei.

Nach Ansicht des Amtsgerichts gelten diese Grundsätze umso mehr, wenn sich der Sachverständige - wie im vorliegenden Fall - in seinem Gutachten mit abweichenden Mietspiegelwerten auseinander gesetzt habe. Ein solches "qualifiziertes Gutachten" übertreffe auch die Aussagekraft eines "qualifizierten Mietspiegels".

Anmerkung:

Dieses Urteil steht im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und der mittlerweile überwiegenden Ansicht der Berufungskammern des Landgerichts Berlin sowie des Kammergerichts und des Bundesgerichtshofs. Insbesondere setzt es sich nicht mit der durchaus streitigen Frage auseinander, dass es sich beim Berliner Mietspiegel bezogen auf die jeweiligen Mittelwerte um einen qualifizierten Mietspiegel im Sinne des § 558 d BGB handelt, die Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung jedoch nicht die Voraussetzungen eines qualifizierten Mietspiegels erfüllt. Das Amtsgericht Schöneberg hat in dieser Entscheidung erstmalig den Begriff "qualifiziertes Gutachten" verwendet und auf diese Weise nicht gerade zur Rechtssicherheit beigetragen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird mit Interesse erwartet.

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Doris Grunow-Strempel

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