MieterEcho 311/August 2005: Flucht in die Wohnungslosigkeit

MieterEcho

MieterEcho 311/August 2005

 BERLIN

Flucht in die Wohnungslosigkeit

Gewaltbedrohte Frauen sind keine solventen Mieterinnen

Jutta Blume

Häusliche Gewalt treibt in Berlin jährlich über 2000 Frauen und Kinder zur Flucht in Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen (MieterEcho Nr. 308 berichtete). Doch das Angebot ist beschränkt und zudem zeitlich befristet. Der Verein Donna Castella hilft daher Frauen, nach dem Aufenthalt im Frauenhaus eine dauerhafte Bleibe zu finden.

Der Verein Donna Castella wurde 1995 von Mitarbeiterinnen der Berliner Anti-Gewalt-Projekte gegründet. Jährlich vermittelt der Verein 80 bis 90 Wohnungen vorwiegend aus dem geschützten Marktsegment an über 400 Bewerberinnen. Dass nicht alle auf diesem Weg zu einer Wohnung kommen, liegt laut der Mitarbeiterin Martina Ahrend nicht ausschließlich am mangelnden Angebot, sondern auch daran, dass viele Frauen selbst etwas finden, in ihre Wohnungen zurückgehen oder sich auf Grund von Verfolgung zu einem Umzug in eine andere Stadt gezwungen sehen.

Schritt in die Armut

Die Mehrzahl der aus häuslicher Gewalt fliehenden Frauen ist auf günstigen Wohnraum angewiesen. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen bezogen 45% der im vergangenen Jahr in Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen untergekommenen Frauen Sozialhilfe und weitere 9% Arbeitslosengeld oder -hilfe. Nur 17,5% waren erwerbstätig.

Die Flucht aus einer Gewaltbeziehung kann für Frauen einen Schritt in die Armut bedeuten. Durch Verlust des Partnereinkommens sind manche Frauen gezwungen staatliche Leistungen für ihren Lebensunterhalt in Anspruch zu nehmen. Andere verlieren aus Angst vor dem gewalttätigen Partner auch ihren Arbeitsplatz. Da diese Frauen befürchten, ihr Partner würde ihnen auf dem Weg zur Arbeit auflauern, wagen sie sich nicht mehr dorthin. Und in manchen Fällen erzwingt die Flucht in die Anonymität eben auch einen Umzug in eine ganz neue Stadt.

All diese Schritte führen meist zu finanziellen Engpässen der Betroffenen, weshalb die aus Gewaltbeziehungen entflohenen Frauen in den seltensten Fällen hohe Mieten zahlen können. Dieser Umstand macht sie für Vermieter nicht gerade zu einer begehrten Zielgruppe.

1350 Wohnungen im "geschützten Marktsegment"

Um den von Obdachlosigkeit bedrohten Personen Wohnraum zu vermitteln wurde in Berlin 1993 das "geschützte Marktsegment" eingeführt. Dies ist ein zwischen dem Senat und den städtischen Wohnungsunternehmen vertraglich vereinbartes Kontingent, das sich momentan auf 1350 Wohnungen beläuft. Die Wohnungen müssen den Bestimmungen für Empfänger/innen von ALG II entsprechen. Berechtigt, eine solche Wohnung zu beziehen, sind vor allem Menschen, die selbst am Wohnungsmarkt kaum Chancen haben. Zu diesem Personenkreis gehören aus häuslichen Gewaltsituationen geflohene Frauen. Die städtischen Wohnungsunternehmen sollen aus ihrem Bestand eine jeweils festgelegte Quote an die Zentrale Koordinationsstelle des Senats (ZeKo) weitergeben. Der Vertrag wurde aber in den letzten Jahren nie erfüllt. So waren es im vergangenen Jahr 909 Wohnungen, die die Gesellschaften der ZeKo meldeten. "Die Gesellschaften behaupten natürlich, sie hätten die Wohnungen nicht. Die ZeKo dagegen würde sagen, sie stellen die Wohnungen nicht zur Verfügung, weil die betroffene Gruppe nicht gerne als Mieter gesehen wird", erklärt Martina Ahrend.

Ihre Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen gestaltet sich aber weniger bürokratisch als zu vermuten wäre. Donna Castella ist bei den Mitarbeiter/innen der Wohnungsunternehmen bekannt und am Telefon bemüht man sich, eine passende Wohnung zu finden. Am meisten Schwierigkeiten macht Martina Ahrend in diesem Jahr die Arbeitsagentur. "Die JobCenter bewilligen das Wohngeld nach undurchschaubaren Kriterien." Noch nicht gesetzlich verankerten Bestimmungen wird schon mal vorauseilender Gehorsam geleistet. Im Mai wurde einer von Donna Castella betreuten Frau die Mietkostenübernahme nicht bewilligt, weil die Warmmiete der Wohnung zu hoch wäre, obwohl bis Juli die Kaltmiete als Richtwert für die Vergabe von Wohngeld gilt. Auch die Umstrukturierung der JobCenter in Teams macht die Arbeit nicht einfacher. Konkrete Ansprechpartner fehlen und ans Telefon geht sowieso niemand. Einen Gang zum Arbeitsamt im Namen ihrer Klientinnen kann Martina Ahrend im Rahmen ihrer halben Stelle nicht leisten.

Das 2002 novellierte Gewaltschutzgesetz hat sich auf die Arbeit bei Donna Castella kaum ausgewirkt. Zwar berechtigt es die Opfer von Gewalt, mindestens für ein halbes Jahr in einer gemeinsam genutzten Wohnung zu bleiben und den Täter des Hauses zu verweisen, aber viele Frauen fühlen sich nicht sicher, wenn der Täter ihren Aufenthaltsort kennt. Außerdem wird der Verbleib in der Wohnung oft auch psychisch als Belastung empfunden.

Aber selbst wenn das Gewaltschutzgesetz bewirkt hat, dass mehr Frauen in ihren Wohnungen bleiben, nimmt insgesamt die Zahl der aus Gewaltsituationen fliehenden Frauen immer noch zu.

Weitere Infos

Donna Castella e.V.
Tempelhofer Ufer 14
10963 Berlin
Tel. 618 91 10
Fax: 618 91 11
E-Mail: donna-castella@gmx.de

Informationen für Frauen mit Gewalterfahrung
von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen:
http://www.berlin.de/sen/frauen/gewalt/haeusliche/index.html

Hilfe bei häuslicher Gewalt gegen Frauen: BIG e.V. Hotline
Tel. 611 03 00 (täglich 9 - 24 Uhr)
E-Mail: info@big-hotline.de
http://www.big-hotline.de

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