MieterEcho 310/Juni 2005: Rekonstruktion Mauerstreifen Bethaniendamm

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MieterEcho 310/Juni 2005

 BERLIN

Mauern für Beisheim

Die Rekonstruktion der früheren Gärten auf dem Mauerstreifen verdrängt bisherige Nutzungen

Jutta Blume

Der Mauerstreifen zwischen Kreuzberg und Mitte hat eine wechselhafte Geschichte. Das Bezirksamt Mitte will den Grünstreifen nach historischem Vorbild von 1928 gestalten - mit finanzieller Unterstützung des Metro-Gründers Otto Beisheim. Doch die bisherigen Nutzer/innen passen schlecht ins Konzept.

Bis 1989 war der Bethaniendamm das Ende der 'Insel Kreuzberg'. Am Rande dieser Insel entwickelten sich verschiedene Hausprojekte und Wagenburgen sowie der Kinderbauernhof in der Adalbertstraße, einer der wenigen Orte, wo Kreuzberger Kinder Kontakt zur Natur aufnehmen können. Mit dem Fall der Mauer entstand zwischen Engeldamm und Bethaniendamm ein neuer Freiraum. Alternative Projekte siedelten sich auch im angrenzenden Bezirk Mitte an, wie das Hausprojekt "Köpi" oder die Wagenburg "Schwarzer Kanal", die inzwischen zweimal umziehen musste.

Lieber alte als junge Geschichte

Neben neuen alternativen Projekten interessierte sich hauptsächlich die Gartendenkmalpflege für den ehemaligen Mauerstreifen. Die jüngste Geschichte in Form von Betonmauerteilen wurde schnell abgetragen, um alte Mauern wieder auszugraben, die des Luisenstädtischen Kanals. Denn zwischen Köpenicker Straße und Engelbecken folgte die Mauer genau dem Verlauf der ehemaligen Wasserstraße. Der Luisenstädtische Kanal war 1848 von Lenné als "Schmuckwasserstraße" von der Spree bis zum Landwehrkanal angelegt und 1926 aus hygienischen Gründen wieder zugeschüttet worden. Der Stadtgartendirektor Erwin Barth entwarf stattdessen thematische Gärten innerhalb der alten Kanalmauern. Diese Gärten wollte die Gartendenkmalpflege nach dem Fall der Mauer am liebsten sofort wieder herstellen. Jedoch: Geld gab es nur häppchenweise und so kam das Projekt immer wieder ins Stocken.

Mehr als nur Spontanvegetation

Die nach dem Mauerfall ausgegrabenen Überreste der Kanalmauern sowie noch erkennbare Wege und Treppen wurden unter Denkmalschutz gestellt. 1993 musste als erste die Wagenburg im Engelbecken den neuen und zugleich alten Plänen weichen. Und schon damals machte das Bezirksamt deutlich, was es von den alternativen Bewohner/innen des Geländes hielt: "Verstoß gegen ungeschriebene gesellschaftliche Verhaltensregeln" wurde ihnen vorgeworfen (siehe auch MieterEcho Nr. 285). Stattdessen wollte man lieber ordentlich flanierende Menschen im historischen Garten sehen. Das Engelbecken, Kernstück der Anlage, wurde 1999 ausgehoben, aber das Geld für die Fertigstellung reichte zunächst nicht. Das Wasser für das Becken gab es schließlich gratis als Grund- und Regenwasser und die gewünschten Wasserfontänen wurden zunächst ausgespart und später durch Privatinitiative realisiert. In Richtung Osten, zwischen Engelbecken und Adalbertstraße, wurde ohne viel Aufhebens parallel der so genannte "Immergrüne Garten" wiederhergestellt. Zurzeit werden die Gärten um das Teilstück zwischen Adalbert- und Melchiorstraße erweitert.

Doch auf der - aus Sicht des Bezirksamts zuvor brachliegenden - Fläche entstand neues Leben. Die Vegetation im ehemaligen Kanalbett wuchs ungeplant. Die Mitarbeiter/innen des Kinderbauernhofs nutzten die Fläche, um dort mit den Kindern zusammen Futterpflanzen für die Tiere zu suchen. Die Schüler/innen der Heilpraktikerschule "Heilehaus" fanden hier sogar nützliche Kräuter. Andere Anwohner/innen warteten nicht auf die Pläne des Bezirks und gärtnerten in eigener Regie auf der Brachfläche. Regelmäßig fanden Feste statt. Durch die Rekonstruktion fühlen sich die bisherigen Nutzer/innen verdrängt und die Gärten sind durch die bereits begonnenen Arbeiten an den Mauern zerstört.

Der Spender

Das Geld für die Rekonstruktion des neuen Abschnitts "Waldpflanzengarten" kam unerwartet als Spende. Im Grünflächenamt Mitte scheint man sich über jede Privatspende zu freuen, egal wie zweifelhaft der Geldgeber sein mag. Bei dem Spender Otto Beisheim sind Zweifel in mehrfacher Hinsicht angebracht. Otto Beisheim ist Metro-Gründer und Multimilliardär. Zur Metrogruppe gehört eine Vielzahl von Unternehmen, darunter Kaufhof. Die Kaufhof AG wiederum entstand im Kontext nationalsozialistischer "Arisierung" jüdischen Eigentums. Am Potsdamer Platz baute Beisheim auf ehemals jüdischem Familienbesitz. Das Beisheim-Center steht auf einem Grundstück der von den Nazis enteigneten Familie Wertheim.

In Beisheims Biographie fehlen die Jahre 1941 bis 1949. Der Medienexperte Michael Radtke hat Indizien dafür gefunden, dass Beisheim SS-Scharführer bei der Leibstandarte Adolf Hitler war. Wenn der heute 80-Jährige auch über seine Vergangenheit schweigt, zweifelhafte Freunde hat er in jedem Fall. Bei der Eröffnung des Beisheim-Centers salutierte die Gebirgsschützenkompanie aus Tegernsee, ein Verband mit blutiger Vergangenheit auf der griechischen Insel Kephallonia. Otto Beisheim ist kein Mann, mit dem jede/r gerne in Verbindung gebracht werden will. Herr Biedermann vom Straßen- und Grünflächenamt Mitte hingegen erklärt, ihm sei es egal, woher das Geld komme.

Aufwertung des Quartiers

Die Initiative "Mauern ohne uns" bezweifelt zudem uneigennützige Motive des Spenders Otto Beisheim. Zur Hälfte könne er das Geld ohnehin von der Steuer absetzen, ansonsten würde ihm eine Aufwertung des Gebiets in der Nähe des Ostbahnhofs ganz gut ins Geschäftskonzept passen. Der Kaufhof am nahen Ostbahnhof könnte von einer Aufwertung des Quartiers profitieren. Auch wenn es ihm nicht um das direkte Einzugsgebiet des Kaufhofs gegangen sein sollte, ist Beisheim sehr an der Innenstadtgestaltung gelegen. So finanziert die Beisheim-Stiftung in diesem Jahr einen Ideenwettbewerb zur "Zukunft der Innenstadt". Die Ideen sollen die Kriterien "Erreichbarkeit, Sauberkeit, Sicherheit, Helligkeit, Attraktivität und Herzlichkeit" erfüllen. Ein historischer Garten passt da eher ins Konzept als eine von ehemaligen Hausbesetzern genutzte Spontanvegetation.

Selektive Beteiligung

Die Initiative "Mauern ohne uns" (Infos unter http://www.openspace32.de/ms) wendet sich gegen die "zugleich historisierende und enthistorisierende" Bezirksplanung. Dem Bürgerverein Luisenstadt, der die Bürgerbeteiligung durchführt, wirft sie vor, absichtlich nicht informiert worden zu sein. Eine erste Bürger/innenversammlung gab es schon im Oktober 2004, manche Anwohner/innen erfuhren aber erst im März von dem laufenden Planungsverfahren, vor allem die Bewohner/innen von unsanierten Häusern und von Hausprojekten wurden bei der Bekanntmachung ausgespart. Da diese nun massiv auf der eigentlichen Abschlussveranstaltung der Bürgerbeteiligung im April auftraten, geht diese in die Verlängerung.

Die Verschönerungspläne setzen sich derweil auf Kreuzberger Seite fort. Der Oranienplatz und die Promenaden zwischen Reichenberger Straße und Waldemarbrücke sollen neu gestaltet werden. Dies ist ein weiterer Abschnitt des Luisenstädtischen Kanals. Auch hier ist der Bürgerverein Luisenstadt mit der Durchführung der Bürgerbeteiligung beauftragt. Eine Ausstellung im ehemaligen Kaufhaus Maassen am Oranienplatz deutet die Richtung an, in die es gehen soll. Erinnert wird an ein bürgerliches Kreuzberg vor dem zweiten Weltkrieg und an prächtige Kaufhäuser am Oranienplatz. Vielleicht gibt es dort bald wieder eins der Metro-Gruppe?

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