MieterEcho 310/Juni 2005: GSW und Fonds DWF 1

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MieterEcho 310/Juni 2005

 TITEL

"Frischer Wind" in der GSW

Wie Wohnraum zum Experimentierfeld neuer Anlagestrategien wird und was der Fonds-Prospekt "DWF 1" den Anlegern verschweigt

Hermann Werle

Ein Jahr ist seit der Privatisierung der GSW vergangen und wie nach Meinung des neuen GSW-Chefs Thomas Zinnöcker nicht zu übersehen sei, wehe ein frischer Wind durch die GSW. "Doch auch wenn sich vieles ändert", so Zinnöcker, eines hätte Bestand: "Unsere Mieter sind und bleiben im Mittelpunkt all unseren Handelns." Dieser Aussage soll hier keineswegs widersprochen werden, schließlich sind es doch die Mieter/innen, die den Investoren die Profite sichern sollen. Inzwischen möchten neben Cerberus auch weitere Wohnraumhändler und -verwerter ihren Nutzen aus dem Verkauf der GSW ziehen. Der von Zinnöcker gepriesene "frische Wind" entpuppt sich hierbei als frostiger Gegenwind für die betroffene Mieterschaft.

Wie der Investoren-Hofberichterstattung der Tageszeitung Die Welt kürzlich zu entnehmen war, hätte der Verkauf der GSW für die Mieter keine negativen Folgen gehabt. "Im Gegenteil", der Investor ginge offenbar umsichtiger und pfleglicher mit den Bewohnern seiner Häuser um, als manches städtische Wohnungsunternehmen dies in der Vergangenheit getan hätte. Indiz dafür, so Die Welt, sei "der spezielle Privatisierungskodex", dem sich die GSW verpflichtet fühle. Dieser Kodex - der offenbar nur eingeweihten Kreisen vorliegt - enthält nach den Worten Zinnöckers immerhin die großherzige Offerte, "auch weiterhin Mieter bleiben" zu können, wenn der Erwerb der eigenen vier Wände nicht in Frage kommt und deshalb an andere Investoren weiterverkauft würde.

Schlechte Stimmung am Grazer Platz

Die beschwichtigende Hofberichterstattung und ein unverbindlicher Privatisierungskodex helfen derzeit wenig, die schlechte Stimmung der Bewohner/innen der GSW-Siedlung rund um den Grazer Platz in Friedenau im Bezirk Schöneberg aufzuhellen - und das aus gutem Grund, wie auch dem nachfolgenden Beitrag von Andrej Holm zu entnehmen ist.

Bereits vier Monate nach der Privatisierung verkaufte Cerberus Anfang Oktober 2004 den 1529 Wohnungen umfassenden und unter Denkmalschutz stehenden Bestand an die Vivacon AG. Über die hundertprozentige Tochtergesellschaft German Real Estate Opportunities GmbH & Co. KG verkaufte im Dezember 2004 Vivacon ihrerseits 886 Wohnungen an die österreichische conwert Immobilien Invest AG. Nur drei Monate später - Investoren haben nicht viel Zeit zu verlieren - verschickte die GSW, die die Bestände weiterhin verwaltet, Modernisierungs- und Mieterhöhungsankündigungen. Einziger Sinn und Zweck der Kette von Verkäufen und der vorgesehenen Modernisierungen sind die Aussichten auf kurzfristig erzielbare Gewinne, wie sie die Höllenhunde von Cerberus mit den Weiterverkäufen bereits realisieren. Vivacon und conwert, die als Privatisierungs- und Fondsgesellschaften agieren, sind nun bemüht, als Sekundärverwerter ihren Schnitt zu machen. Erhöhte Einkünfte aus den Mieten und die Erlöse aus Wohnungsverkäufen sollen die Gewinne der Gesellschafter und Aktionäre sprudeln lassen. Sowohl Vivacon als auch conwert sind Gesellschaften, die an der Börse - in Frankfurt/M. bzw. Wien - gehandelt werden und deren Aktienwert sich dementsprechend mit den Zukunftsaussichten des Wohnungsmarkts entwickelt - eine Aktie allerdings "nur für risikofreudige Investoren", wie boerse-online vermerkt.

"Wir machen Eigentümer"

Die Strategie des Vivacon-Managements gründet sich auf vier Elemente: Aufkauf von denkmalgeschützten und damit steuerlich begünstigten Wohnungsbeständen, Mietpreis steigernde Modernisierungen und der anschließende Weiterverkauf der Wohnungen im Erbbaurecht. Letzteres ermöglicht einen niedrigeren Verkaufspreis und garantiert Vivacon gleichzeitig stetige Einnahmen durch den erhobenen Erbbauzins von 5% des Grundstückswerts für 99 Jahre. Wie die Wohnungen nach zehn, zwanzig oder gar 99 Jahren aussehen, braucht die Vivacon und deren Aktionäre nicht zu scheren, denn dies ist das Problem der neuen Eigentümer. Womit wir zu der vierten strategischen Achse, dem Kerngeschäft der Wohnungsprivatisierer anlangen: Mit dem Slogan "Wir machen Eigentümer" wirbt die Kölner Vivacon AG um Anleger für ihr neuestes Produkt, den "ersten deutschen Wohnungsprivatisierungsfonds", dem sie das eingängige Kürzel "DWF 1" verpasste. Laut Vivacon-Prospekt sind auf Grund von "Budgetengpässen die öffentliche Hand und Industrieunternehmen gezwungen ihre wertvollsten Reserven zu verkaufen - ihre Immobilienbestände." Und so bestehe erstmals in der deutschen Geschichte die Möglichkeit, größere Bestände an Wohnimmobilien günstig zu erwerben, was bislang vornehmlich von ausländischen Finanzinvestoren genutzt würde. Mit einer Mindesteinlage von 5000 Euro haben - Vivacon sei Dank - nun auch kleine "private Kapitalanleger die Möglichkeit, von den Chancen der Privatisierungswelle zu partizipieren." Ein vortreffliches Argument für den weiteren Ausverkauf städtischer Wohnungsbaugesellschaften, das sich Sarrazin und Fugmann-Heesing nicht besser hätten ausdenken können: Mieter werden zu Fondsanlegern und profitieren dadurch vom Ausverkauf kommunaler Wohnungsgesellschaften sowie von aufgezwungenen Modernisierungen und erhöhten Mieten.

Prospektversprechungen

Mit der doppelten Ertragsstrategie (Mieteinnahmen und Verkaufserlöse) soll der geschlossene Privatisierungsfonds laut Prospekt eine neunprozentige Anfangsausschüttung erwirtschaften. Doch der Prospekt verspricht noch einiges mehr: Bunte Fotomontagen mit virtuellen Balkonen sollen einen Eindruck der gewachsenen Lage unmittelbar am Grazer Platz im "beliebten Westberliner Bezirk Schöneberg" vermitteln. Die Nachbarschaft sei von ruhigen, grünen Wohnstraßen mit überwiegend denkmalgeschützten Häusern und kleinen begrünten Plätzen geprägt. Das Viertel um die Wohnanlage sei "hauptsächlich durch die als Alleen angelegten Straßen 'Grazer Damm' und 'Rubensstraße' erschlossen" und die Verkehrsanbindungen rund um den Grazer Platz könnten als hervorragend bezeichnet werden.

Offensichtlich haben die Fonds-Manager diesen Teil Schönebergs noch nie besucht oder sie wollen ihre potenziellen Anleger in die Irre führen. Außer den Bäumen erinnert rein gar nichts daran, dass der Grazer Damm als Allee angelegt worden ist. Vielmehr gilt der vierspurige Autobahnzubringer seit Jahren als verkehrstechnisches Nadelöhr und ist eine der stauanfälligsten Straßen der Stadt. Insofern könnte allenfalls von einer guten Verkehrsanbindung an die Autobahn gesprochen werden. Für den öffentlichen Nahverkehr gilt, dass abends ab 20 Uhr und sonntags der BVG-Busverkehr eingestellt wurde, weshalb Anwohner/innen im letzten Jahr sogar eine Demonstration organisierten und über 2000 Unterschriften sammelten.

Was den "beliebten" Bezirk Schöneberg angeht, deuten einige Angaben aus dem "Stadtmonitoring - Soziale Stadtentwicklung" der Berliner Senatsverwaltung von 2000 auf ganz andere Realitäten: "Im Cluster 4 (Britz, Schillerhöhe, Grazer Damm etc. H.W.) sind die Anteile von Langzeit- und jugendlichen Arbeitslosen hoch, der Wanderungssaldo bei den Erwerbstätigen ist negativ, der Anteil von Senioren groß. (...) Insgesamt sprechen diese Daten von Stagnation und charakterisieren einen Gebietstyp, der durch einen breiten kollektiven sozialen Abstieg in die Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist."

Wer also sollte hier in der Lage sein, Wohneigentum zu erwerben? Und wer soll zudem in einen Bestand investieren, der neben den offenkundigen sozialen Problemlagen, teilweise erhebliche Mängel in der Bausubstanz aufweist? Die 1939/1940 fertiggestellte Siedlung wurde durch die Anpassung an die faschistische Kriegswirtschaft unter der Vorgabe einfachster Ausstattung und des sparsamen Umgangs mit Baustoffen konzipiert. Risse im Eingangsbereich vieler Häuser, großflächige Schäden am Putz und feuchtes Mauerwerk sind schon bei flüchtigem Augenschein unübersehbar und auch nicht mit "Prospektmodernisierungen" zu kaschieren.

Ein Sack voll Risiken

Wie von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beschrieben, besteht die Mieterschaft - wie in vielen Beständen der ehemals städtischen GSW - aus Rentner/innen und ALG II-Empfänger/innen (und Leuten, die die Wohnsicherheit in einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft über viele Jahre zu schätzen wussten). Kaum ein Haushalt ist vom Einkommen her in der Lage, modernisierungsbedingt drastisch steigende Mieten zu bezahlen, geschweige denn Wohneigentum zu erwerben, wie es die Privatisierungsprofis der Vivacon erwarten und über ihre Verkaufsagentur Alt & Kelber zu realisieren versuchen. Im Geschäftsbericht 2004 der Vivacon AG finden die Mieter/innen nur als eines der 33 Einzelrisiken des "Risikomanagementprozesses" Erwähnung. Dabei bilden sie in doppelter Hinsicht einen "Risikofaktor" und zwar hinsichtlich der Mieterhöhungspotenziale und der Wohnungsverkaufsmöglichkeiten. Jeweils 10% des aktuellen Wohnungsbestands sollen in den ersten sieben Jahren verkauft werden, d.h. 70% bis Ende 2011 - eine völlig utopische Annahme, wie die Berliner Erfahrungen zeigen. Etwas detaillierter und durchaus realistisch geht der "DWF 1" Prospekt auf einige Problemlagen ein. Mit der geplanten Modernisierung strebt Vivacon eine durchschnittliche Erhöhung der Nettokaltmiete von 3,86 auf 4,40 Euro an und kalkuliert für die Mieteinkünfte mit dem derzeitigen Anteil leer stehender Wohnungen eine Erhöhung von ungefähr 1,7%. Lassen sich die Mieterhöhungen nicht in dem anvisierten Umfang durchsetzen, so hat das zwei für den Privatisierungsfonds negative Konsequenzen: Zum einen werden die kalkulierten Mieteinkünfte nicht erreicht und zum anderen senkt sich der Verkaufspreis der Wohnungen, da dieser auf der Höhe der Nettojahreskaltmiete basieren soll.

Bezüglich der Modernisierungsrisiken bemerkt der Prospekt völlig zutreffend: "Aufgrund der mit der vorgesehenen Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen verbundenen Beeinträchtigungen für Mieter muss während des Modernisierungszeitraumes mit Mietreduzierungen für den Zeitraum der jeweiligen Beeinträchtigung gerechnet werden. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Mieter höhere als die in der Prognoserechnung (...) eingeplanten Mietminderungen oder die Überlassung einer Ersatzunterkunft geltend machen. Niedrigere Mieteinnahmen können die Liquiditätsreserve und die Barausschüttungen reduzieren." Und außerdem hätte die Fondsgesellschaft "keinen unmittelbaren Einfluss darauf, dass die Modernisierung termingerecht erfolgt."

Auch das Problem der mieterseitigen Zustimmung zu einer Modernisierung erkennen die Wohnungsverwerter, wenn sie schreiben, dass "die zur Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen in den Wohneinheiten erforderlichen Zustimmungen der betroffenen Mieter nur mit zeitlicher Verzögerung erteilt werden" könnten oder gar gerichtlich geltend gemacht werden müssten und sich hierdurch die Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen zeitlich verzögern könnte. "Eine längere Modernisierungsdauer kann die Liquiditätsreserve und die Barausschüttungen reduzieren oder zu deren zeitlicher Verzögerung führen."

Aber auch die bereits beschriebene fragwürdige Bausubstanz birgt Risiken der Art, dass nicht ausgeschlossen werden kann, "dass zukünftig tatsächlich höhere Instandhaltungsausgaben anfallen werden, als in der Prognoserechnung eingeplant oder zu anderen Zeitpunkten, als dort berücksichtigt. Zusätzlicher Instandhaltungsbedarf kann sich negativ auf die Privatisierung auswirken sowie die Liquiditätsreserve und die Barausschüttungen reduzieren."

Wie ein Fonds baden gehen kann

Die Fondsgesellschaft und damit die Fondsanleger tragen wie gewöhnliche Wohnungsgesellschaften für vermietete oder leer stehende Mietwohnungen alle "üblichen Vermietungsrisiken: Mietausfallrisiko durch Leerstand und/oder mangelnde Solvenz der Mieter/innen, Risiko der Belastung mit grundsätzlich auf Mieter/innen umlegbaren Nebenkosten durch Leerstand, Mietzinsänderungsrisiko bzw. Kosten von Anschlussvermietungen (Maklerprovisionen, Umbaukosten), Verschlechterung der Nebenbedingungen von Mietverträgen, Verschlechterung der Standortqualität mit einhergehender Mietzinsreduzierung, Instandhaltungs- und Revitalisierungsrisiko." Und so wie andere Wohnungsgesellschaften Schiffbruch erleiden können, so kann auch ein Fonds schnell mal baden gehen. Auch dieses Szenario enthält uns der "DWF 1" Prospekt nicht vor:

"Verschiedene Risiken, die für sich allein betrachtet keine gravierenden Auswirkungen haben, können sich beim Zusammentreffen aufheben oder verstärken. Eine Verstärkung von Risiken, aber auch einzelne Risiken, wie zum Beispiel das Privatisierungsrisiko, können so starke Auswirkungen haben, dass es zu Reduzierungen von Barausschüttungen, der Einstellung der Barausschüttungen oder im Extremfall sogar zum vollständigen Verlust des eingesetzten Kapitals kommen kann." Ein guter Hinweis, der auch für den conwert-Fonds seine Gültigkeit hat.

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