MieterEcho 310/Juni 2005: Entlassung eines Mieters aus einem gemeinsamen Mietvertrag

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MieterEcho 310/Juni 2005

 MIETRECHT AKTUELL

Entlassung eines Mieters aus einem gemeinsamen Mietvertrag

Wann der Mitmieter zustimmen muss - Kommentar zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.03.2005

Georg Hillmeister

Die Kündigung des Vermieters gegenüber nur einem von zwei gemeinsamen Mietern einer Wohnung ist wirksam, wenn der gekündigte Mieter die gemeinsame Wohnung nach der Kündigung der Mitmieterin stillschweigend jahrelang alleine bewohnt hat. Der Mieter ist nämlich beim Auszug eines Mitmieters verpflichtet, an einer gemeinsamen Kündigung mitzuwirken. Nimmt der Mieter die Wohnung hingegen jahrelang weiter in Anspruch, verstößt es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, die Zustimmung zu verweigern, die Mitmieterin aus dem Mietvertrag zu entlassen.

Der Mieter hatte gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin eine Wohnung gemietet. Doch nach einiger Zeit zog die Lebensgefährtin aus der gemeinsamen Wohnung wieder aus und teilte dies dem Vermieter mit. Dieser nahm später den in der Wohnung verbliebenen Mieter allein auf Zahlung von Mietrückständen gerichtlich in Anspruch. Der Vermieter kündigte wegen Mietrückständen das Mietverhältnis - nur - gegenüber dem verbliebenen Mieter und begehrte gerichtlich die Räumung der Wohnung.

Während das zuständige Amtsgericht der Klage des Vermieters stattgab, bekam der Mieter in der Berufung vor dem Landgericht Düsseldorf Recht.

Die Kündigung sei unwirksam, da sie nur an den Mieter, nicht auch an dessen Ex-Lebensgefährtin gerichtet gewesen sei. Der Mieter habe deren möglichem Ausscheiden aus dem gemeinsamen Mietvertrag zustimmen müssen. Dass er dies nicht getan habe, befand das Landgericht nicht für treuwidrig.

Anders der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 16.03.2005, Aktenzeichen VIII ZR 14/04: Er gab dem Vermieter Recht und verwies die Sache zurück an das Landgericht. Ein Mietverhältnis, bei dem auf Mieter- oder Vermieterseite mehrere Personen beteiligt sind, könne zwar grundsätzlich nur gegenüber allen Vertragspartnern gekündigt werden, ansonsten sei die Kündigung unwirksam. Damit hätte der Vermieter an sich auch gegenüber der Ex-Lebensgefährtin kündigen müssen.

Aber der BGH kam zu der Ansicht, dass die Lebensgefährtin hier durch ihre Kündigung - als solche war die Mitteilung über ihren Auszug zu werten - aus dem Vertrag ausgeschieden sei. Dem hatte der Mieter zwar nicht zugestimmt, allerdings sei der Mieter bei der Kündigung seiner Lebensgefährtin verpflichtet gewesen, an einer gemeinsamen Kündigung mitzuwirken. Da er dies nicht getan habe, sondern stattdessen die Wohnung allein über Jahre weitergenutzt habe, sei er verpflichtet, an einer Vertragsänderung mitzuwirken, die den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werde.

Mit anderen Worten: Der Mieter musste hier zustimmen, seine Ex-Lebensgefährtin aus dem Vertrag zu entlassen und diesen alleine fortzuführen. Seine diesbezügliche Weigerung war hier nach Ansicht des BGH unbeachtlich, weil sie gegen den Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben verstieß. Also war nach dem BGH auch die Kündigung nur an den Mieter zu richten und damit wirksam.

Der BGH hat damit eine doppelbödige Entscheidung getroffen. Theoretisch hat er zwar die umstrittene Frage offen gelassen, ob es bei einem Mietvertrag mit mehreren Mietern erforderlich ist, dass alle Mitmieter einem Ausscheiden eines Mieters aus dem Vertrag zustimmen müssen. Faktisch hat er sie beantwortet, denn ein Mieter, der nach einer Kündigung des Mitmieters in seiner Wohnung verbleibt, muss der Kündigung zustimmen. Tut er dies nicht, wird sie - juristisch gesprochen - "fingiert", es wird also so getan, als hätte er zugestimmt und einer Fortsetzung des Mietverhältnisses allein zwischen dem Vermieter und ihm zugestimmt.

Über dieses Urteil freuen können sich wohl nur Mieter, die aus Verträgen mit mehreren Mietern aussteigen wollen und nun Klarheit haben, dass ihre Mitmieter sie nur noch in nicht näher definierten Ausnahmesituationen am Auszug hindern können (der BGH spricht von "berechtigten Interessen", die aber nach seiner Sicht nur in den seltensten Fällen vorliegen dürften).

Wohnungspolitisch bleibt der BGH auf seiner nicht eben mieterfreundlichen Linie, zumal er erneut Ungleichgewichte zwischen Mietern und Vermietern schafft. Die vertraglichen Rechte der in einer Wohnung verbliebenen Mieter werden verkürzt. Ihnen bleibt nur die Wahl, an einer Kündigung mitzuwirken - wozu sie die obergerichtliche Rechtsprechung quasi zwingt - oder mit dem Vermieter - mit dessen Zustimmung - die Weiterführung des Mietvertrags zu vereinbaren. Umgekehrt steht es dem Vermieter völlig frei, ob er einen der Vertragspartner aus dem Vertrag entlassen will.

Autor

Georg Hillmeister ist Rechtsanwalt in Berlin.

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