MieterEcho 309/April 2005: Beraterfirmen exekutieren Berlins städtische Unternehmen

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MieterEcho 309/April 2005

 TITEL

Schlecht beraten

Beraterfirmen exekutieren Berlins städtische Unternehmen und sahnen dabei kräftig ab

Hermann Werle

Ob Wohnungsbaugesellschaften, Versorgungsbetriebe, Messe oder Krankenhäuser, bei der Privatisierung städtischer Unternehmen dürfen sie nicht fehlen - die über allen Zweifeln erhabenen "unabhängigen" Beratungsunternehmen. Die Hauptstadt ist für die Branche ein lohnenswertes Pflaster. Lohnenswert in zweierlei Hinsicht: In Form von hochdotierten Beraterverträgen lassen sich für McKinsey, Ernst & Young, wmp, Bertelsmann und Co. zum einen gute Geschäfte machen und zum anderen sind in der Hauptstadt die Fäden zur Politik so dicht gesponnen, dass eine Grenze zwischen politischen Entscheidungsträgern und Beratungsunternehmen nicht mehr zu erkennen ist. Die Kenntnisse und Einflussmöglichkeiten von Politiker/innen sind für die illustren Ratgeber pures Gold wert, gerade wenn es um kommunales oder staatliches Tafelsilber geht.

Es gilt für die Berater nicht nur, Abgeordnete zu unpopulären Entscheidungen zu bewegen, auch Belegschaften und das Wahlvolk müssen von der Notwendigkeit des Ausverkaufs sozialer Infrastruktur überzeugt werden. Dass es um Profite geht, darf nicht einmal aus Versehen an die Öffentlichkeit dringen. Nein, so erklären uns die Beraterstäbe und mit ihnen Politprominenz und Tagespresse, es geht um den Erhalt und sogar die Verbesserung der Dienstleistungen für die Bürger/innen dieser Stadt.

McKinsey in Berlin

Als McKinsey im August letzten Jahres sein 40-jähriges Bestehen in Berlin beging, wurden Teile des Berliner Rathauses und der Humboldt-Universität, die Alte Nationalgalerie, das Pergamonmuseum, der Palast der Republik, das Deutsche Historische Museum sowie ein gutes Dutzend weiterer Gebäude und öffentliches Straßengelände den teuren McKinsey-Beratern für 4857,66 Euro Nutzungsentgelt gem. der Entgeltordnung vom Bezirksamt Mitte zur Verfügung gestellt. Zwar gab es gegen die pompöse Selbstdarstellung massive öffentliche Proteste, aber damit die feinen Leute in Ruhe feiern konnten, sicherten 595 Polizeibeamte die insgesamt 21 Veranstaltungsorte ab.

Für Innensenator Körting war die Party ein großer Erfolg: "Es ist Ziel der Berliner Politik", so der Senator laut Protokoll des Berliner Abgeordnetenhauses vom November 2004, "die Stadt als internationale Kultur- und weltoffene Tourismusmetropole zu stärken (...). Aus diesen Gründen kann es der Senat grundsätzlich nur positiv beurteilen, wenn sich ein weltweit agierendes und auch in Berlin ansässiges Unternehmen entschließt, sein Firmenjubiläum (...) in Berlin zu feiern."

Mitarbeiter/innen der Berliner Vivantes-Kliniken sehen das anders. Für rund 2,7 Mio. Euro war McKinsey für ca. drei Monate bei Vivantes im Einsatz, "um die Sanierung des Unternehmens voranzutreiben", so der Vivantes-Betriebsrat Volker Gernhardt anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten der Beraterfirma. Seiner Meinung nach geht es vor allem um den massiven Abbau von Personal, womit eine Einsparsumme von 182 Mio. Euro erzielt werden solle. "Unsere Erfahrung mit McKinsey ist, dass die Sanierung ohne die Einbeziehung der Beschäftigten stattfindet."

Der Mangel an Transparenz und Möglichkeiten der Einflussnahme bei der Zukunftsgestaltung staatlichem Eigentums beginnt bereits in den Parlamenten. Kritische Stimmen gegen halbseidene Beraterverträge und den Privatisierungskurs prallen im Berliner Landtag auf eine starre Ablehnungsfront der neoliberal gesinnten Abgeordneten - unabhängig von Parteizugehörigkeit. Die altlinke Binsenweisheit "Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten" findet unter diesen Umständen ihre Bestätigung und entspricht zunehmend dem Alltagsverstand großer Teile der Bevölkerung, wie zuletzt die Landtagswahl in Schleswig Holstein mit 34,4% Nichtwähler/innen gezeigt hat.

"Sanierungsfall öffentliche Wohnungsunternehmen"

Was die Beratungsunternehmen auszeichnet, ist zum einen ihre Beschränktheit auf betriebswirtschaftliche Betrachtungen und zum anderen die vermeintlich allumfassende Kompetenz. Kein Thema, zu dem McKinsey und Co. nicht Stellung beziehen und gute Ratschläge geben könnten. Betreffend kommunaler Wohnungsbaugesellschaften veröffentlichte McKinsey vor einem Jahr eine Studie, bei der man sich bereits beim Lesen des Titels das weitere Studium sparen konnte: "Sanierungsfall öffentliche Wohnungsunternehmen?" Das Fragezeichen darf getrost als rhetorisches Stilmittel begriffen werden, denn wie nicht anders zu erwarten, kommt McKinsey zu dem Schluss, dass in manchen Fällen "der komplette oder teilweise Verkauf an private Investoren die beste Lösung für die hoch defizitären Kommunen" sei. Ansonsten müsse ein professionelles Management die Kosten senken und die Einkünfte steigern. Eine Empfehlung des Hauses McKinsey: "Konsequenteres Vorgehen der öffentlichen Vermieter bei Mietrückständen" und Mieterhöhungen. Um der Studie noch ein Mäntelchen des Sozialen überzuhängen, verweisen die Berater auf die Möglichkeit, mit den Mehreinnahmen "zum Beispiel notwendige Kinderkrippen- und Kindergartenplätze finanzieren" zu können. Ein in Berlin undenkbares Szenario angesichts des Kita-Killers Klaus Böger, der als Senator für Bildung reihenweise Kitas schließt oder an private Träger übergibt und allen Ernstes behauptet, Berlin hätte "selbst in den westlichen Bezirken inzwischen ein bedarfsgerechtes Angebot entwickelt".

Zu ähnlicher Zahlenakrobatik kamen Ende 2003 die Berater von Ernst & Young und mit ihnen Frau Barbara Oesterheld, wohnungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. 160.000 Wohnungen in kommunaler Hand seien als wohnungspolitisches Ziel genug. Da größere kommunale Wohnungsbestände auf Dauer nicht zu retten seien, solle der Rest verkauft werden - selbst McKinsey war in dieser Hinsicht optimistischer.

Politik und Beratung in Personalunion

Optimistischer war auch der frühere "Supersenator" Peter Strieder, der zumindest 270.000 Wohnungen im kommunalen Bestand halten wollte. "Unsere Wohnungsbauunternehmen sind längst nicht so schlecht, wie sie dargestellt werden", hatte Strieder noch im November 2003 verlauten lassen, ein halbes Jahr bevor er über die Tempodrom-Affäre gestolpert war. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die von ihren Senatorenposten direkt in die private Wohnungswirtschaft wechselten, heuerte Strieder bei der PR-Agentur ECC Kohtes Klewes an, wo er seine Arbeitskraft der Unternehmensberatung bei so genannten Public Private Partnership (PPP)-Projekten widmet. Die Anstellung Strieders, so die PR-Agentur, sei "eine immense Verstärkung durch seine strategische Kompetenz und internationale Erfahrung in zahlreichen Politikfeldern. Diese kommt nun voll unseren Kunden zugute."

Mit Public Private Partnership, was nichts anderes bedeutet als die Beteiligung privaten Kapitals an kommunalen und staatlichen Unternehmen, bzw. die komplette Privatisierung, kennt sich auch Strieders Parteikollegin Annette Fugmann-Heesing bestens aus. Die frühere Aufsichtsrätin der skandalumwitterten Bankgesellschaft Berlin ist die treibende Privatisierungskraft innerhalb der Berliner SPD und rechnet die desaströse Bilanz der Verkäufe von Bewag, Gasag und Berliner Wasserbetrieben bis heute schön. Fugmann-Heesing verdient ihre Brötchen schon seit mehreren Jahren nicht nur als Abgeordnete, sondern auch als Unternehmensberaterin u.a. für die Berliner Beratungsdienste (BBD) des ehemaligen SPD-Bürgermeisters von Berlin, Dietrich Stobbe. Als Geschäftsführerin der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb (GEBB) war sie zwischenzeitlich (2000/2001) für die Privatisierung von Bundeswehr-Liegenschaften zuständig. In dieser Funktion geriet sie durch die Vergabe von millionenschweren Aufträgen an die Beratungsgesellschaft Roland Berger in die öffentliche Kritik, da diese europaweit hätten ausgeschrieben werden müssen. Das Ausscheiden aus der GEBB soll sich die Politikerin mit rund 600.000 DM honoriert haben. Fugmann-Heesing ist das professionalisierte Paradebeispiel für eine Verknüpfung von Politik und Beratung in Personalunion.

"Hitlers bester Lieferant"

Wo es um politische Einflussnahme geht, darf ein Unternehmen nicht fehlen. Als "Hitlers bester Lieferant" wurde der Bertelsmannkonzern von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bezeichnet, nachdem eine Historische Untersuchungskommission einen Bericht vorgelegt hatte, in dem nachgewiesen wurde, dass Bertelsmann mit Kriegs- und Wehrmachtsliteratur mehr als jeder andere Verlag in der Zeit des Nationalsozialismus verdient hatte. Das Image eines der weltweit größten Medienkonzerne (neben RTL, Gruner & Jahr, Bertelsmann Music Group (BMG), Bücher-Club, Random-Verlagshaus etc.) schien kurzzeitig angeschlagen. Nicht zuletzt Kanzler Schröder persönlich kümmerte sich um bessere Schlagzeilen für das Familienunternehmen, das mit der Bertelsmann-Stiftung und dem von ihr finanzierten Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) maßgebliche Stichwortgeber deutscher Innen- und Außenpolitik unterhält. Als im November 2003 der neue Sitz der Stiftung - Unter den Linden 1 - eingeweiht wurde, gaben sich neben dem Kanzler Prominente aus Kultur, Politik und Wirtschaft die Klinke in die Hand. Genau so stellen sich die 'Bertelsmänner' ihre Lobbyarbeit vor: "Wir wollen als Think-Tank die in der Hauptstadt ansässigen Entscheider zum Nachdenken und zum Umdenken anregen - oder um es mit einem Zitat unseres Stifters Reinhard Mohn zu sagen: ‚Wir helfen der Politik, dem Staat und der Gesellschaft, Lösungen für die Zukunft zu finden.'" Direkte Hilfe der Politik ist gern gesehen. An der Studie "Reform der Gemeindefinanzen - ein Vorschlag der Bertelsmann Stiftung vom Februar 2003 war auch Fugmann-Heesing beteiligt. Um eine der Hauptursachen der Finanzkrise der Gemeinden, nämlich die hohen Sozialausgaben zu verringern, verweist die Stiftung auf "innovative Lösungen" bei der Umsetzung des Prinzips "Fördern und Fordern", wie sie in anderen Ländern bereits praktiziert würden. Beispielhaft verweist Bertelsmann u.a. auf die Niederlande und die dortige Privatisierung der Arbeitsvermittlung, auf Dänemark mit der Verkürzung der Bezugszeiten von Hilfeleistungen oder auf die Schweiz, Großbritannien und USA mit Kombilohnmodellen. Abschließend stellen Fugmann-Heesing und die Mitautor/innen für die Bertelsmann Stiftung fest, dass das originäre Hartz-Papier schon in die richtige Richtung weise, dies aber noch nicht alles gewesen sein könne: "Die ausländischen Beispiele zeigen, dass die Reform ein langwieriger Prozess mit vielen Hindernissen ist. Nachhaltige Erfolge benötigen Jahre. Deutschland steht hier noch am Anfang."

Schlechter Rat ist teuer

Eine weitere schillernde Figur im politischen Berater-Netzwerk ist der Präsident des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC, Bernd Schiphorst. Der Bertelsmann Multimedia-Manager, der bis Ende 2003 Medienbeauftragter der Länder Berlin und Brandenburg war, ist seit dem 01.02.2003 Vorstandsmitglied des Beratungsunternehmens WMP (Wirtschaft, Medien und Politik), das u.a. den Weg für die Übernahme der Berliner Stromversorgung durch den schwedischen Energiekonzern Vattenfall ebnete (siehe MieterEcho Nr. 295). Als Strippenzieher zwischen Sport, Politik und Wirtschaft zog Schiphorst Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der Olympia-Bewerbung Berlins Millionenaufträge für Bertelsmann an Land, sorgte Mitte der 1990er für ein weitverzweigtes Sponsoring für den Fußballclub, dessen Präsident er heute ist, und 2003 bemühte er sich für die WMP um das Image und den "Reformprozess" der Bundesanstalt für Arbeit. Letzteres kostete rund 1,3 Mio. Euro aus der Kasse der Arbeitslosenversicherung - eine Menge Geld für den Erhalt eines Beraterjobs, auf den die 5,2 Mio. registrierten Arbeitslosen gut hätten verzichten können.

"Da ist guter Rat teuer", heißt es im Volksmund, wenn keine Lösung in Sicht scheint. Dass schlechter Rat noch teurer ist, offenbart die gängige Praxis, die auf einer intimen Verbundenheit von Politik, Wirtschaft und Beraterszene beruht. Diese Verwobenheit hat nach Ansicht Gerlinde Schermers vom Donnerstagskreis der SPD, "eine sich selbst fördernde Schicht weniger hundert Menschen erbracht, deren Strukturen als mafiös bezeichnet werden müssten, wenn ihre 'Taten', die volkswirtschaftlich ebenso schädlich sind, auch strafrechtlich verfolgt würden, bzw. verfolgt werden könnten."

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